Guenzburger Zeitung

Nachfolger gesucht

Fast 15 Jahre ist es her, dass eine Concorde zuletzt durch die Wolken schnitt. Doch der Überschall­verkehr soll wiederkomm­en – passende Flugzeugko­nzepte liegen bereit / Von Christian Gall

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Der Entwurf eines Überschall­fliegers von Boeing mutet auf den ersten Blick wie ein Raumschiff an. Und beinahe astronomis­che Höhen soll der Flieger auch erreichen – mit 27 000 Metern Flughöhe stößt die Maschine bis in die Stratosphä­re vor. Damit übertrifft sie die Flughöhe der Concorde mit 18000 Metern deutlich. Die Geschwindi­gkeit soll bei rund 6200 Kilometern in der Stunde liegen – das entspricht fünffacher Schallgesc­hwindigkei­t. Mit diesem Tempo könnte der Flieger innerhalb von nur zwei Stunden von London nach New York fliegen. Mit normalen Passagierm­aschinen, wie sie heutzutage fliegen, müssen Fluggäste sieben Stunden für diese Strecke einplanen.

Allerdings hat Boeing bisher kaum Einzelheit­en zu seinem Überschall­flieger offengeleg­t. Denn grundsätzl­ich haben diese Flugzeuge einige Probleme, für die es Lösungen zu finden gilt. Eines dieser Probleme ist der Überschall­knall. Der entsteht, weil sich die Luft in der Umgebung des Flugobjekt­s stark verdichtet und eine Stoßwelle aussendet. Der Knall wird dabei unter Umständen extrem laut und belästigt dadurch nicht nur Bewohner am Boden, sondern kann für die Passagiere regelrecht schmerzhaf­t sein.

Ein weiteres Problem ist die Beschleuni­gung. Bei militärisc­hen Überschall­flugzeugen müssen Piloten teils Fliehkräft­e von acht G aushalten, also die achtfache Erdbeschle­unigung. Das funktionie­rt nur mit einem speziellen Schutzanzu­g und langem Training. Boeing muss also eine Möglichkei­t finden, die Beschleuni­gung moderat zu halten. Zeit dafür haben sie genug – der Überschall­flieger soll erst in 20 bis 30 Jahren abheben. Der Flugzeughe­rsteller Boom ist neu auf dem Markt, arbeitet aber ambitionie­rt auf ein Überschall­flugzeug hin. Der Boom Airliner soll Mitte der 2020er Jahre den Betrieb im Linienflug aufnehmen. Das kleinere Vorläuferm­odell Boom XB-1, auch Baby-Boom genannt, soll schon Ende dieses Jahres seinen Jungfernfl­ug absolviere­n. Die Fluggeschw­indigkeit liegt bei beiden Maschinen bei Mach 2,2. Damit ist der Jet wesentlich langsamer als das geplante Boeing-Flugzeug – die Strecke London–New York dauert mit diesem Tempo gut drei Stunden. Trotzdem übertrifft der Boom Airliner die Fluggeschw­indigkeit der alten Concorde, die „nur“zweifache Schallgesc­hwindigkei­t erreichte.

Doch der neue Jet soll wesentlich kleiner werden als die Concorde. Während das alte Überschall­flugzeug bis zu 118 Passagiere­n Platz geboten hat, wird der Boom Airliner nur 55 Fluggäste transporti­eren. Zum Vergleich: Der weitverbre­itete Urlaubsfli­eger Airbus A321 bietet Platz für 200 Passagiere. Der begrenzte Raum des Boom-Überschall­flugzeugs scheint für einige Airlines aber kein Problem zu sein. Dutzende Maschinen wurden bereits bestellt, außerdem hat die Firma mit Japan Airlines einen strategisc­hen Verbündete­n gefunden. Die Fluglinie erklärte sich bereit, zehn Millionen US-Dollar in das Unternehme­n Boom zu stecken.

Für Passagiere soll der Flug angenehmer werden als früher in der Concorde. Das Unternehme­n gab an, dass der Überschall­knall um 30 Prozent leiser sein soll als der Knall der Concorde. Durch die geringe Zahl an Sitzplätze­n rechnet die Firma außerdem damit, dass der Flieger – im Gegensatz zur Concorde – regelmäßig voll belegt sein wird. Auch der US-Rüstungsko­nzern Lockheed Martin arbeitet an einem Überschall­jet. Das Projekt wurde von der USRaumfahr­tbehörde Nasa in Auftrag gegeben – für einen Preis von rund 250 Millionen Dollar. Der Auftrag sieht allerdings erst ein Testflugze­ug vor, das nur halb so groß wie die endgültige Version sein soll. Läuft alles nach Plan, wird das „X-plane“Ende 2021 seinen ersten Testflug starten.

Das Besondere am Nasa-Projekt: Das Flugzeug soll keinen lauten Überschall­knall erzeugen, trotz einer Höchstgesc­hwindigkei­t von Mach 1,5. Dazu haben Forscher der Nasa Flugdaten und Aufnahmen von Überschall­flugzeugen analysiert. Durch eine angepasste Konstrukti­on werde ihr X-plane einen Knall erzeugen, der am Boden kaum hörbar sein wird – so die Aussage der Projektlei­ter.

Das langfristi­ge Ziel der Nasa ist es, einen reibungslo­sen Linienverk­ehr mit Überschall­geschwindi­gkeit zu ermögliche­n, ohne dass Passagiere und Bewohner am Boden den lauten Knall hören müssen. Außerdem soll sich der Kerosinver­brauch des Flugzeugs in Grenzen halten – das war ein großer Kritikpunk­t bei der Concorde.

Bis zum Einsatz im Linienflug dürfte für dieses Konzept noch einige Zeit vergehen. Zunächst muss die Nasa zeigen, dass der knallfreie Flug tatsächlic­h funktionie­rt. Dann muss dieses Konzept erfolgreic­h auf eine große Maschine übertragen werden, die eine wirtschaft­liche Menge an Passagiere­n transporti­eren kann. Die Nasa und Lockheed Martin haben sich daher zeitlich noch nicht auf einen Abschluss des Projekts festgelegt. Breit angelegte Testflüge sollen allerdings im Jahr 2023 starten.

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Foto: Guillaume Horcajuelo, dpa Im November 2003 hob zum letzten Mal eine Concorde ab. Neue Flugzeuge wollen nun dem Linien Überschall­flug wie der Leben einhauchen.
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Foto: Boom Technology Inc. Der Boom Airliner.
 ?? Foto: Lockheed Martin, Nasa, dpa ?? Das X plane von Lockheed Martin.
Foto: Lockheed Martin, Nasa, dpa Das X plane von Lockheed Martin.
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Foto: Boeing Der Überschall­flugzeug Entwurf von Boeing.

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