Guenzburger Zeitung

Ivan der Schrecklic­he ist zurück

Lendl war einmal der erfolgreic­hste Tennis-Profi der Welt. Kühl und humorlos wie sein Spiel. Nun soll er den deutschen Jungstar Alex Zverev zu großen Titeln führen

- Sports illustrate­d Anton Schwankhar­t

Wer in den 80er Jahren der Faszinatio­n Tennis erlegen ist, begeistert­e sich im Wesentlich­en für drei Spieler. Vorneweg natürlich Boris Becker, den 17-jährigen Leimener, Beckerhech­t-Erfinder und jüngsten Wimbledon-Sieger aller Zeiten. Wer Rebellen liebte, Tiraden gegen Schiedsric­hter genoss und neben allem Ungebärdet­en ein filigranes Händchen schätzte, schwärmte für John McEnroe. Die meisten Fans hatte damals aber der Hollywoodt­augliche Jimmy Connors – die wenigsten Ivan Lendl. Wer den Tschechen verehrte, sah das Leben als Mischung aus Arbeit, Kampf und Leiden. Freude und Genuss kamen da nicht vor.

1985 titelte „The Champion that nobody cares about“. Zu unnahbar war der Typ, zu kühl sein Spiel. Die 1,88 Meter große Ballmaschi­ne aus Ostrau servierte humorlos – und wer das Service überstand, zerbröselt­e an der wuchtigen Vorhand des hageren Asketen. Ivan der Schrecklic­he, wie ihn die Öffentlich­keit getauft hatte, kannte kein Erbarmen, schon gar nicht mit sich selbst. Er war der fitteste Spieler seiner Zeit.

Den sportliche­n Ehrgeiz hatte er von seinen tennisbege­isterten Eltern geerbt. Mutter Olga, Nummer zwei der damaligen Tschechosl­owakei, Vater Jiri, Tennispräs­ident des Landes.

Sohn Ivan, ein Frühvollen­deter, den damals kaum einer öffentlich lächeln sah. Dabei hätte er mit einem Dauergrins­en seine Karriere durchlaufe­n können. Ein Jahrzehnt hat er das Weltten- nis geprägt. Er war der Beständigs­te unter den Großen. Von 1978 bis 1994 gewann er 94 Titel und 21 Millionen Dollar Preisgeld, war 270 Wochen lang die Nummer eins der Welt und feierte acht Grand-SlamSiege. Nur Wimbledon hat sich seinem Ehrgeiz verweigert. In Connecticu­t, wo er mit seiner Frau lebt, hat er sich einen Rasenplatz im Wimbledon-Format auf sein Grundstück bauen lassen. Zweimal stand er im Endspiel. 1986 unterlag er Becker, ein Jahr später Pat Cash. „Gras ist nur was für Kühe“, kommentier­te er seine Hassliebe zum bedeutends­ten TennisTurn­ier der Welt. 1986 sagte der WahlAmerik­aner und Vater von fünf Töchtern dem Tennis-Zirkus goodbye. Er mied ihn regelrecht, wechselte zum Golfspiel und trieb hier seine Töchter an. Daneben hat er sein Vermögen auf 100 Millionen Dollar vergrößert. Lendls Rückkehr in die Tenniswelt – unvorstell­bar! Schon gar nicht als Trainer. 2012 aber tauchte der Stoiker – deutlich fülliger – an der Seite des Briten Andy Murray auf, der unter dem Trainer Lendl seine größten Erfolge feierte. Nun soll ihm dasselbe mit Alexander Zverev, 21, gelingen. Der deutsche Jungstar bleibt bei großen Turnieren noch unter seinen Möglichkei­ten. Gelegenhei­t, das zu ändern, hat der Hamburger nun bei den US Open in New York. Der 58-Jährige hat sie dreimal gewonnen. Ein Triumph seines Schützling­s Zverev – und man sähe ihn womöglich lächeln.

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Foto: dpa

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