Guenzburger Zeitung

Tödlicher Urlaubsspa­ß

Sie springen vom Balkon in den Pool, klettern an der Hotelfassa­de zum nächsten Zimmer: Wie betrunkene Touristen auf Mallorca ihr Leben riskieren

- VON RALPH SCHULZE Mallorca Diario de

Palma de Mallorca Das typische Opfer ist ein junger Mann, der mit ein paar Freunden nach Mallorca gekommen ist, um zu feiern. Sie haben Spaß, sie trinken zu viel und sie machen riskante Spielchen. Zum Beispiel klettern sie von einem Hotelbalko­n zum anderen. Oder sie versuchen, vom Zimmerbalk­on in den oberen Stockwerke­n in den Pool zu springen. Mit dramatisch­en Folgen.

Seit Jahresanfa­ng starben schon acht junge Mallorca-Urlauber bei diesem lebensgefä­hrlichen Spiel mit dem Tod – so viele wie noch nie. Vorerst letztes Todesopfer ist ein 23-jähriger Deutscher, der vergangene Woche an der Playa de Palma, mitten im Ballermann-Partyviert­el, von seinem Hotelbalko­n im zwölften Stockwerk stürzte. Er war sofort tot. Nach ersten Ermittlung­en stand er offenbar unter starkem Alkoholode­r Drogeneinf­luss. Der Mann soll Klimmzüge am Geländer des Balkons gemacht und dann den Halt verloren haben. Es war nicht der einzige Unfall an diesem Tag: Ein zweiter Deutscher verletzte sich nach Angaben der Zeitung

am Knie, als er beim Klet- an einer Hotelfassa­de an der Playa de Palma in die Tiefe stürzte. Zudem fiel eine 18-jährige Urlauberin vom Balkon im dritten Stock eines Hotels im Küstenort Palmanova westlich der Inselhaupt­stadt Palma. Sie überlebte schwer verletzt.

Der spanische Unfallchir­urg Juan José Segura hatte etliche verletzte Balkonopfe­r auf seinem Operations­tisch im Universitä­tskrankenh­aus Son Espases in Palma. Durchweg Touristen, die sich bei Stürzen und Sprüngen in die Tiefe kritische Wirbelsäul­enoder Kopfverlet­zungen zuzogen. Die meisten Balkonopfe­r sind Briten, die vorzugswei­se in der Partyhochb­urg Magaluf Urlaub machen, wo der Alkohol besonders reichlich fließt. Aber auch Deutsche, die am liebsten an der Playa de Palma feiern, beteiligen sich am Balconing, wie diese Balkonklet­tereien genannt werden. Manche sind zu benebelt, um die Gefahren zu erkennen, andere lieben den Kick, wieder andere wollen bewundert werden. Wer auf der Videoplatt­form Youtube nach dem Begriff Balconing sucht, findet reihenweis­e Videos. Teilweise liegen nur Millimeter zwischen einem erfolgreic­hen Sprung und einer schweren Verletzung. Insgesamt wurden dieses Jahr rund 20 Balconing-Unfälle gezählt. Um weitere Tragödien möglichst zu vermeiden, macht der mallorquin­ische Arzt Segura dieses Jahr bei einer Aufklärung­skampagne der britischen Regierung mit. „Das Problem ist weniger, dass du auf diese Weise deinen Urlaub ruinierst“, appelliert der 32-jährige Chirurg in einem Video an die Vernunft der jungen Mallorca-Besucher. „Das Problem ist, dass du dein Leben ruinierst.“Das britische Außenminis­terium warnt derweil die nach Mallorca reisenden Landsleute: „Gehe keine unnötigen Risiken auf Balkonen ein, besonders wenn du unter dem Einfluss von Drogen und Alkohol stehst.“

Fast durchweg seien bei den Unfällen Alkohol oder Drogen im Spiel, weiß Segura, der die Unglücksge­schichten zusammen mit seinen Kollegen seit Jahren analysiert. In 95 Prozent der Fälle hatten die Patienten große Mengen Alkohol getrunken und 30 Prozent hatten zusätzlich Drogen genommen. In der Regel seien es Unfälle, bei denen die Betreffend­en abstürzen, wenn sie über den Balkon zum Nachbarzim­mer der Freunde klettern tern. Oder wenn sie einfach volltrunke­n übers Geländer kippen. In etwa 15 Prozent der Fälle handele es sich jedoch um Mutproben, weil die jungen Leute versucht hätten, vom Zimmerbalk­on ins Schwimmbec­ken des Hotels zu springen.

Die spanischen Behörden versuchen inzwischen, mit hohen Strafen die Balkonklet­terer abzuschrec­ken. Wer in Magaluf erwischt wird, kann mit 600 bis 1500 Euro Geldbuße belegt werden. Zudem droht der Hotelverwe­is. Manche Hoteliers haben inzwischen die Geländer erhöht. Andere gingen dazu über, feierfreud­ige Cliquen junger Männer vorzugswei­se im Erdgeschos­s einzuquart­ieren.

„Ich hätte tot sein können“, berichtet Jake Evans. Dieser Brite kippte bereits vor einigen Jahren vom Balkon. Er fiel sieben Stockwerke tief. Sein Sturz wurde von einer Sonnenlieg­e gebremst. „Das rettete wahrschein­lich mein Leben.“Trotzdem erlitt er einen Schädelbru­ch. Jetzt beteiligt er sich an der Kampagne des britischen Außenminis­teriums. Er will andere davor bewahren, für den kurzen Kick ein lebenslang­es Leiden oder gar das Grab zu riskieren.

 ?? Foto: Mauritius ?? Wie selbstvers­tändlich über die Außenfassa­de zum nächsten Balkon: Bei diesem fahrlässig­en Spielchen haben sich auf Mallorca heuer bereits fast 20 junge Touristen verletzt. Hochburg des sogenannte­n Balconing ist die Briten Hochburg Magaluf.
Foto: Mauritius Wie selbstvers­tändlich über die Außenfassa­de zum nächsten Balkon: Bei diesem fahrlässig­en Spielchen haben sich auf Mallorca heuer bereits fast 20 junge Touristen verletzt. Hochburg des sogenannte­n Balconing ist die Briten Hochburg Magaluf.

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