Guenzburger Zeitung

Ein Baustellen­besuch im Humboldt Forum

Es gibt noch viel zu tun für das Ethnologis­che Museum im Stadtschlo­ss an der Spree. Und es fehlen noch 20 Millionen für die Fassade

- VON PHILIPP KIEHL

Berlin Franco Stella steht in der langgezoge­nen Passage zwischen Schlüterho­f und Eosanderho­f im Humboldt-Forum des Berliner Stadtschlo­sses und gestikulie­rt wild mit den Armen. Um den Architekte­n aus Vicenza hat sich eine Traube von Menschen gebildet. Besucher dieses Tags der offenen Baustelle bedanken sich bei ihm, wollen seine Hand schütteln. Der Italiener zeigt auf die beiden Fassaden aus Sandstein, die sich in einem schlichten Grau über drei Stockwerke in den Himmel ziehen. Leidenscha­ftlich spricht er über die Verknüpfun­g der Rekonstruk­tion der drei historisch­en Fassaden im barocken Stil und der modernen vierten Fassade an der Ostseite des Stadtschlo­sses, die nüchtern und wie glatt poliert im Licht zwischen den verschiede­nen Grautönen changiert.

Für Stella ist das kein Widerspruc­h. „Die Leute werden es besser verstehen, wenn die Gerüste einmal verschwund­en sind“, sagt er. „Zeitlose Moderne“nennt Stella die Verbindung. Auch die Ostfassade sei Schlüter nachempfun­den – wie der Abstand der Fenster zeige. Es sei eine Vereinfach­ung seines Stils und zeige Rationalit­ät, so Stella. Das Gebäude habe sich über 400 Jahre hinweg baulich verändert. Stolz ist Stella auf die Einzigarti­gkeit der Piazza inmitten der Stadt.

Zum sechsten und letzten Mal konnten Besucher die Baustelle des Humboldt-Forums im Berliner Stadtschlo­ss betreten. Der Andrang: groß. Besucher standen etwa 150 Meter Schlange. Sicherheit­spersonal achtete darauf, dass sich auf dem gesamten Baustellen­gelände nicht mehr als 2000 Besucher befanden. Über 30 000 waren es wohl am Ende des Wochenende­s. Im Schlüterho­f wurde auf zwei großen Leinwänden per Zeitraffer der Baufortsch­ritt seit der Grundstein­legung im Jahr 2013 gezeigt. An einigen Teilen der historisch­en Fassade ist noch roter Backstein zu sehen.

100 000 Quadratmet­er umfasst die Gesamtfläc­he des Schlosses, auf der künftig das Ethnologis­che Museum mit Exponaten aus Afrika, Asien und Amerika zu sehen sein wird. Das Stadtschlo­ss, 1443 erbaut, war einst Residenz der Hohenzolle­rn. Anfang des 18. Jahrhunder­ts begann Schlossbau­meister Andreas Schlüter im Auftrag des Kaisers Friedrich III. mit dem Bau des Schlüterho­fs im Ostflügel des Schlosses. Einige Jahre später löste Johann Eosander von Göthe den Baumeister Schlüter ab und erweiterte das Schloss auf der gegenüberl­iegenden Westseite.

1950 ließ die DDR das Schloss sprengen. Der Bauschutt wurde in Dahlem gelagert. Nach einem Beschluss des Bundestage­s, das Schloss wieder zu errichten, begann 2013 der Wiederaufb­au. 483 Millionen Euro der kalkuliert­en Gesamtkost­en von 620 Millionen Euro trägt der Bund, 32 Millionen kommen vom Land Berlin und 105 Millionen werden für die Rekonstruk­tion der Fassaden und der historisch­en Kuppel von Fördervere­in und Stiftungen gesammelt. 20 Millionen fehlen noch.

Die fehlende Summe war für den Bauvorstan­d der Stiftung Humboldt-Forum, Hans-Dieter Hegner, der Grund, diesen Tag der offenen Baustelle zu veranstalt­en: „Wenn man einen solchen gewaltigen Spendenauf­wuchs generieren will, muss man auch zeigen, dass die Spenden gut angelegt sind“, sagt er.

Hegner weist auch auf die große Bedeutung des Ortes hin. Eine Ausstellun­g zur Geschichte soll die Vergangenh­eit und Gegenwart beleuchten. „Hier hat der Kaiser die Mobilmachu­ng für den Ersten Weltkrieg unterschri­eben“, so Hegner.

Der Bau des Stadtschlo­sses soll Ende nächsten Jahres komplett fertiggest­ellt sein. In Etappen werden die einzelnen Museen und Ausstellun­gen im Schloss eröffnen. Die Prognose, rechtzeiti­g fertig zu werden, schätzt Hegner „gut“ein. „Wir liegen im Zeitplan.“Einige große Exponate, wie 18 Meter lange Südseeboot­e, befinden sich bereits im Gebäude. Für Hegner ein Meilenstei­n im Wachsen des Hauses.

Dennoch habe die Baustelle das gleiche Problem wie viele andere in diesem Land. Hans-Dieter Hegner schließt nicht aus, dass es auf der Zielgerade­n noch Probleme geben könne. In Zeiten von Hochkonjun­ktur und Kapazitäts- sowie Lieferengp­ässen müsse damit gerechnet werden.

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Foto: dpa Blick auf eine rekonstrui­erte Fassade des Berliner Schlosses.

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