Wenn aus Lehrstellen Leerstellen werden
Heute suchen Betriebe Azubis, früher war das andersrum. Welche Berufe gefragt sind und in welchen Branchen die Nachwuchssuche schwerfällt
Landkreis Mein rechter, rechter Ausbildungsplatz ist frei. Das müssen sich zurzeit viele Arbeitgeber denken. Nach den letzten aktuellen Zahlen der Agentur für Arbeit, sie stammen von Ende Juli, sind der Agentur im Kreis Günzburg 975 Ausbildungsplätze gemeldet worden, 390 davon waren noch unbesetzt. Viele Branchen erleben einen Boom; das erlaubt ihnen, mit attraktiven Ausbildungsvergütungen zu locken. Anderen Branchen fällt das schwerer.
Welche Branchen tun sich schwer, welche leicht, Auszubildende zu finden? Michael Grathwohl, Leiter des Bereichs Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit Donauwörth, die auch für den Landkreis Günzburg zuständig ist, sagt: „Die Suche nach Auszubildenden fällt Unternehmen im Handwerk schwieriger“, sagt er. Bei welchen Berufen das besonders der Fall ist? „Köche, Tischler, eigentlich querbeet“, sagt er. Schon immer stehe das Handwerk bei der Suche nach Azubis in Konkurrenz zur Industrie. Die locke vor allem mit hohen Löhnen. Der Unterschied bei der Bezahlung habe sich nicht merklich verändert. Wohl aber die daraus resultierende Problematik für Handwerksberufe, weil der Azubimarkt sich aus Arbeitgebersicht schwieriger gestaltet.
Ulrike Ufken, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Günzburg/Neu-Ulm, dementiert das. „Viele Gewerke haben bei den Ausbildungsvergütungen ganz stark nachgezogen“, sagt sie. Zwar gebe es noch Berufe, in denen in dieser Hinsicht Nachholbedarf bestehe, doch auch dort sei diese Tendenz erkennbar. Und auch nach der Ausbildung sei die Perspektive für Handwerker „besser als je zuvor“.
Besonders viele junge Menschen begännen in diesem Jahr eine Ausbildung im Metall- und Zimmererhandwerk. Diese Tendenz habe sich schon in den vergangenen Jahren abgezeichnet. Im Lebensmittelhandwerk, zum Beispiel bei Bäcke- reien, gebe es hingegen vermehrt freie Stellen.
„Ich würde keine Linie zwischen Handwerk und Industrie ziehen“, sagt Ufken und nennt als Beispiel das Leipheimer Unternehmen Wanzl, das als Handwerksbetrieb gilt und Mitglied der Kreishandwerkerschaft sei, aber industrielle Züge aufweise. Sehr wohl hänge die Schwierigkeit, Auszubildende zu finden, aber mit der Größe des Betriebs zusammen. „Bekanntere, größere Betriebe tun sich leichter, kleinere Betriebe schwerer, Azubis zu finden“, erklärt sie.
Die Handwerkskammer für Schwaben hat Zahlen des Ausbildungsmarktes im Landkreis Günzburg bereitgestellt. 242 Lehrverträge wurden für das kommende Ausbildungsjahr bisher unterzeichnet. Insgesamt sind 81 Ausbildungsplätze in der Börse der Handwerkskammer unbesetzt. 15 davon sind Ausbildungsplätze zum Maurer. Das sei jedoch kein Indiz dafür, dass dies ein unbeliebter Beruf sei, sagt Ufken. „Die Baubranche boomt wie verrückt, deshalb stellen die Betriebe mehr ein“, erklärt sie.
Die Zahlen der Agentur für Arbeit bestätigen dies. Im Vorjahresvergleich wurden dieses Jahr fast 90 Prozent mehr Lehrstellen im Hochbau gemeldet, die Zahl der unbesetzten Stellen stieg dagegen nur um 29 Prozent.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben verzeichnet im Landkreis Günzburg dieses Jahr 511 neue Auszubildende und damit 5,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Diese Steigerung basiert in erster Linie auf kaufmännischen Berufen und denen im Handel: 2017 begannen 297 Azubis im kaufmännischen Bereich und 77 im Handel, heuer sind es jeweils 325 und 98. Besonders im Bereich der Logistik und Gastronomie fehlten Auszubildende, sagt Ercin Özlü, Sprecher der IHK Schwaben.
Auch dies bestätigen die Zahlen vom Juli der Agentur für Arbeit. Zwölf Ausbildungsstellen waren gemeldet, alle davon unbesetzt. Auch in der Hotellerie hat man nur sechs der 18 geplanten Ausbildungsstellen besetzt. Die Agentur für Arbeit geht davon aus, dass auf dem gesamten Arbeitsmarkt in etwa die Hälfte der Stellen der Agentur gemeldet werden, wie eine Sprecherin erklärt. Das bedeutet, dass Ausbildungsstellen besetzt werden konnten, ohne dass sie in der Statistik der Agentur auftauchen.
Welche Berufe beliebt und welche besonders unbeliebt sind, lässt sich nur anhand der Zahlen schwer sagen, sagt Moni Treutler-Walle, Sprecherin der Handwerkskammer für Schwaben. So sei zum Beispiel ein Metallblasinstrumentenmacher zwar ein seltener, deshalb aber kein unbeliebter Beruf.
Auch offene Stellen allein dienen nicht als Beweis dafür, dass ein Beruf gemieden wird, wie das Beispiel des Maurers zeigt.