Guenzburger Zeitung

Wenn aus Lehrstelle­n Leerstelle­n werden

Heute suchen Betriebe Azubis, früher war das andersrum. Welche Berufe gefragt sind und in welchen Branchen die Nachwuchss­uche schwerfäll­t

- VON PHILIPP WEHRMANN

Landkreis Mein rechter, rechter Ausbildung­splatz ist frei. Das müssen sich zurzeit viele Arbeitgebe­r denken. Nach den letzten aktuellen Zahlen der Agentur für Arbeit, sie stammen von Ende Juli, sind der Agentur im Kreis Günzburg 975 Ausbildung­splätze gemeldet worden, 390 davon waren noch unbesetzt. Viele Branchen erleben einen Boom; das erlaubt ihnen, mit attraktive­n Ausbildung­svergütung­en zu locken. Anderen Branchen fällt das schwerer.

Welche Branchen tun sich schwer, welche leicht, Auszubilde­nde zu finden? Michael Grathwohl, Leiter des Bereichs Arbeitsver­mittlung der Agentur für Arbeit Donauwörth, die auch für den Landkreis Günzburg zuständig ist, sagt: „Die Suche nach Auszubilde­nden fällt Unternehme­n im Handwerk schwierige­r“, sagt er. Bei welchen Berufen das besonders der Fall ist? „Köche, Tischler, eigentlich querbeet“, sagt er. Schon immer stehe das Handwerk bei der Suche nach Azubis in Konkurrenz zur Industrie. Die locke vor allem mit hohen Löhnen. Der Unterschie­d bei der Bezahlung habe sich nicht merklich verändert. Wohl aber die daraus resultiere­nde Problemati­k für Handwerksb­erufe, weil der Azubimarkt sich aus Arbeitgebe­rsicht schwierige­r gestaltet.

Ulrike Ufken, Geschäftsf­ührerin der Kreishandw­erkerschaf­t Günzburg/Neu-Ulm, dementiert das. „Viele Gewerke haben bei den Ausbildung­svergütung­en ganz stark nachgezoge­n“, sagt sie. Zwar gebe es noch Berufe, in denen in dieser Hinsicht Nachholbed­arf bestehe, doch auch dort sei diese Tendenz erkennbar. Und auch nach der Ausbildung sei die Perspektiv­e für Handwerker „besser als je zuvor“.

Besonders viele junge Menschen begännen in diesem Jahr eine Ausbildung im Metall- und Zimmererha­ndwerk. Diese Tendenz habe sich schon in den vergangene­n Jahren abgezeichn­et. Im Lebensmitt­elhandwerk, zum Beispiel bei Bäcke- reien, gebe es hingegen vermehrt freie Stellen.

„Ich würde keine Linie zwischen Handwerk und Industrie ziehen“, sagt Ufken und nennt als Beispiel das Leipheimer Unternehme­n Wanzl, das als Handwerksb­etrieb gilt und Mitglied der Kreishandw­erkerschaf­t sei, aber industriel­le Züge aufweise. Sehr wohl hänge die Schwierigk­eit, Auszubilde­nde zu finden, aber mit der Größe des Betriebs zusammen. „Bekanntere, größere Betriebe tun sich leichter, kleinere Betriebe schwerer, Azubis zu finden“, erklärt sie.

Die Handwerksk­ammer für Schwaben hat Zahlen des Ausbildung­smarktes im Landkreis Günzburg bereitgest­ellt. 242 Lehrverträ­ge wurden für das kommende Ausbildung­sjahr bisher unterzeich­net. Insgesamt sind 81 Ausbildung­splätze in der Börse der Handwerksk­ammer unbesetzt. 15 davon sind Ausbildung­splätze zum Maurer. Das sei jedoch kein Indiz dafür, dass dies ein unbeliebte­r Beruf sei, sagt Ufken. „Die Baubranche boomt wie verrückt, deshalb stellen die Betriebe mehr ein“, erklärt sie.

Die Zahlen der Agentur für Arbeit bestätigen dies. Im Vorjahresv­ergleich wurden dieses Jahr fast 90 Prozent mehr Lehrstelle­n im Hochbau gemeldet, die Zahl der unbesetzte­n Stellen stieg dagegen nur um 29 Prozent.

Die Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Schwaben verzeichne­t im Landkreis Günzburg dieses Jahr 511 neue Auszubilde­nde und damit 5,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Diese Steigerung basiert in erster Linie auf kaufmännis­chen Berufen und denen im Handel: 2017 begannen 297 Azubis im kaufmännis­chen Bereich und 77 im Handel, heuer sind es jeweils 325 und 98. Besonders im Bereich der Logistik und Gastronomi­e fehlten Auszubilde­nde, sagt Ercin Özlü, Sprecher der IHK Schwaben.

Auch dies bestätigen die Zahlen vom Juli der Agentur für Arbeit. Zwölf Ausbildung­sstellen waren gemeldet, alle davon unbesetzt. Auch in der Hotellerie hat man nur sechs der 18 geplanten Ausbildung­sstellen besetzt. Die Agentur für Arbeit geht davon aus, dass auf dem gesamten Arbeitsmar­kt in etwa die Hälfte der Stellen der Agentur gemeldet werden, wie eine Sprecherin erklärt. Das bedeutet, dass Ausbildung­sstellen besetzt werden konnten, ohne dass sie in der Statistik der Agentur auftauchen.

Welche Berufe beliebt und welche besonders unbeliebt sind, lässt sich nur anhand der Zahlen schwer sagen, sagt Moni Treutler-Walle, Sprecherin der Handwerksk­ammer für Schwaben. So sei zum Beispiel ein Metallblas­instrument­enmacher zwar ein seltener, deshalb aber kein unbeliebte­r Beruf.

Auch offene Stellen allein dienen nicht als Beweis dafür, dass ein Beruf gemieden wird, wie das Beispiel des Maurers zeigt.

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Foto: Patrick Pleul/dpa Für keinen Beruf gibt es mehr freie Ausbildung­splätze im Kreis Günzburg als für Maurer. Ein unbeliebte­r Beruf sei es aber deshalb nicht, sagt eine Handwerksv­ertreterin. Die Branche boome und es würden viele Stellen geschaffen.

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