Guenzburger Zeitung

Der Augenzeuge meldet sich

Wie der Hund das Rehkitz jagte

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Herbert Thanner wohnt mit seiner Frau in einem vierstöcki­gen Haus im Hochparter­re am Stadtrand von Günzburg. Der Platz am Fenster in Richtung BirketWald ist „der schönste in der Wohnung“, sagt er. Mit seinem Fernglas beobachtet er manchmal die Welt da draußen. Reiher, Störche und Uhus sieht er immer mal wieder. Besonders angetan sind er und seine Frau aber von den Rehen, die sie regelmäßig zu Gesicht bekommen. „Es ist ein tolles Naturschau­spiel, wenn die Rehe ab 20.30 Uhr, 21 Uhr aus dem Wald kommen und praktisch vor meinen Augen äsen.“

Was er am vergangene­n Sonntagnac­hmittag jedoch erlebt hat, das hat ihn betroffen gemacht: Vor seinen Augen führte eine ihm bekannte Hundehalte­rin einen Hund (nicht zwei, wie der Jagdpächte­r geschilder­t hat) aus – ohne dass das Tier an der Leine war.

Thanner kann nicht sagen, ob die Frau mit dem eigenen Hund Gassi gegangen ist oder ob es ein fremder Vierbeiner war. Er entkräftet aber die Behauptung der Frau, die gegenüber dem Jagdpächte­r, der sie zur Rede stellte, gesagt haben soll, dass sie von dem Kitz angegriffe­n worden sei. „Ich habe nichts dergleiche­n beobachtet, das stimmt einfach nicht.“Was der Rentner aber beschreibe­n kann, ist die Jagd des Hundes. Dieser habe das Reh irgendwann gewittert und es aufgescheu­cht. Das wenige Monate alte Kitz habe voller Panik reagiert: „Das Tierle war total aus dem Häuschen.“Herbert Thanner hatte im Laufe dieses ungleichen Duells den Eindruck, dass es das Rehkitz noch in den Wald schafft. „Doch es hat sich überhaupt nicht mehr ausgekannt, machte einen Bogen und sprang wieder zurück auf die Wiese.“Dabei sei ihm bereits aufgefalle­n, dass es einen Vorderlauf angezogen hatte. Der war gebrochen, wie sich später herausstel­lte. In einen Graben habe sich das junge Tier gekauert „und ist da wahrschein­lich nicht mehr herausgeko­mmen, weil es dort nass und schmierig war“.

Der Rest ist bekannt: Thanners Ehefrau hat die Günzburger Polizei benachrich­tigt, die dem Ehepaar die Nummer des zuständige­n Jagdpächte­rs Markus Kircher gab. Der alarmierte zwei Jäger mit dem Auftrag, das Kitz zu retten, was auch gelang. Aber alles Aufpäppeln von einer Bekannten des Revierpäch­ters half nichts. Der Tierarzt stellte mehrere Bisswunden fest. Das kleine Reh war so schwer verletzt worden, dass es am Montagaben­d eingeschlä­fert werden musste. Das Tier tut dem Rentner „so leid, weil ich gedacht habe, dass es wieder gut wird“. Und Jagdpächte­r Kircher ist jetzt „auf das weitere Vorgehen von Polizei und Ordnungsam­t gespannt“, wie er schreibt.

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Foto: Julia Feil Das am Sonntag schwer verletzte Reh kitz lebt nicht mehr.

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