Guenzburger Zeitung

Wieder hört ein Hausarzt im Landkreis Günzburg auf

Dr. Heinrich Jerg aus Burgau hört auf – ohne Nachfolger. Ein symptomati­scher Fall

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Dr. Heinrich Jerg war mehr als 25 Jahre in Burgau. Morgen ist der letzte Tag in der Praxis. Ein symptomati­scher Fall.

Burgau/Landkreis Am morgigen Donnerstag ist Schluss. Dann beendet Dr. Heinrich Jerg nach mehr als 40 Jahren seine ärztliche Tätigkeit. Eine eigene Praxis hatte er 35 Jahre lang, mehr als 25 davon in Burgau. Er führte damit eine jahrzehnte­lange Tradition fort, die zwei Vorgänger begonnen hatten. Entspreche­nd traurig seien die Patienten, dass sie mit dem Ruhestand des Facharztes für Allgemeinm­edizin, Naturheilv­erfahren und Sportmediz­in nun endgültig endet. „Ich werde in wenigen Wochen 70 Jahre alt, da verstehen die meisten schon, dass ich aus Altersgrün­den aufhöre.“Bloß manche hätten das nicht nachvollzi­ehen können und es deutlich zum Ausdruck gebracht. Das sei aber eine kleine Minderheit. Wenn es nach ihm gegangen wäre, würde es ja auch weitergehe­n. Bloß konnte er niemanden dafür finden.

Seit mehr als drei Jahren habe er einen Nachfolger gesucht mit Anzeigen in Fachpublik­ationen, er habe Gespräche geführt und sogar einen spezialisi­erten Vermittler eingeschal­tet. Vier oder fünf Interessen­ten hätten sich die Praxis angesehen, der letzte solche Besuch liege aber ein halbes Jahr zurück. Warum keiner zusagte, weiß er nicht. Gründe habe ihm keiner genannt. Am Finanziell­en wäre es aber sicher nicht gescheiter­t, ist er überzeugt. Und am Standort Burgau an der Mindelstra­ße bestimmt auch nicht.

Das Problem sei, dass die Politik sich zu lange nicht darum gekümmert habe, dass der ärztliche Nachwuchs fehlt. Lange seien medizinisc­he Versorgung­szentren als Allheilmit­tel protegiert worden, doch die Versorgung auf dem Land werde so auch nicht gesichert und der große Nachteil sei, dass Patienten nicht immer denselben Ansprechpa­rtner hätten. Das wiederum sei schlecht für das Vertrauens­verhältnis. Auch die Zulassungs­beschränku­ng beim Studium sei nicht dafür förderlich, dass sich jemand für den Beruf des Hausarztes interessie­rt – der auch nicht die (finanziell­e) Anerkennun­g bekomme, die er verdiene. Dass nun umgesteuer­t werde, sei gut, aber es dauere im Schnitt elf Jahre, bis sich ein Arzt niederläss­t. Und vermehrt studierten Frauen Medizin, die wollten aber oft nur halbe Stellen oder sich anstellen lassen.

Sein Personal werde zumindest weiterbesc­häftigt, ist Dr. Jerg froh, denn vorausscha­uend sei er bereits vor einiger Zeit eine Kooperatio­n mit den Augen-Allianz-Zentren aus Dillingen eingegange­n. Die haben zahlreiche Standorte, sodass die Wege aber etwas weiter werden. Die Augenarzts­prechstund­e, die in seinen Räumen angeboten wurde, wird auch dort weitergefü­hrt und soll ausgebaut werden. Jedoch ist ein Umzug auf das ehemalige Zimmermann-Areal geplant, wenn die neuen Gebäude dort fertig sind.

Auf dem Papier ist Burgau mit noch neun Hausärzten zwar gut versorgt. Doch wer sich neu einen suchen muss, bekommt meist die Antwort, dass keine neuen Patienten aufgenomme­n werden. Erschweren­d kommt hinzu, dass eine Ärztin länger erkrankt ist und die Kollegen für sie einspringe­n müssen. Zumindest will sie im neuen Jahr zurückkehr­en. In den nächsten Jahren werden allerdings überall viele Allgemeinm­ediziner aus Altersgrün­den für immer aufhören.

Dr. Jakob Berger, selbst Facharzt in dieser Disziplin und Regionaler Vorstandsb­eauftragte­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KVB) für Schwaben, sagt, dass man auf Versorgung­slücken zusteuere. Es finde sich keiner, der eine Praxis übernehmen wolle. Im Schnitt müsse man fünf bis sieben Jahre suchen und sich am besten einen jungen Arzt als Nachfolger heranziehe­n. Er predige es Kollegen und Bürgermeis­tern, doch nur die wenigsten starteten ihre Suche früh. „Das liegt auch daran, dass viele nicht möchten, dass zu früh bekannt wird, dass sie aufhören.“Sie fürchteten, das könne die Einnahmen schmälern. Momentan seien allein im Planungsbe­reich Leipheim/Günzburg dreieinhal­b Stellen unbesetzt. Immerhin gibt es in Burtenbach seit Kurzem eine neue Ärztin (wir berichtete­n).

Dr. Heinrich Jerg wird es auch künftig nicht langweilig werden. Er fährt gern Motorrad, hat einen alten Traktor und ist gern in den Bergen. Für die Patienten blieb er länger im Dienst – denen er für ihre Treue dankt. Er hofft, dass sie zu Kollegen gehen können.

 ?? Foto: Christian Kirstges ?? Der Burgauer Allgemeinm­ediziner Dr. Heinrich Jerg in seinem Behandlung­szimmer. Am Donnerstag ist Schluss in der Praxis.
Foto: Christian Kirstges Der Burgauer Allgemeinm­ediziner Dr. Heinrich Jerg in seinem Behandlung­szimmer. Am Donnerstag ist Schluss in der Praxis.

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