Wieder hört ein Hausarzt im Landkreis Günzburg auf
Dr. Heinrich Jerg aus Burgau hört auf – ohne Nachfolger. Ein symptomatischer Fall
Dr. Heinrich Jerg war mehr als 25 Jahre in Burgau. Morgen ist der letzte Tag in der Praxis. Ein symptomatischer Fall.
Burgau/Landkreis Am morgigen Donnerstag ist Schluss. Dann beendet Dr. Heinrich Jerg nach mehr als 40 Jahren seine ärztliche Tätigkeit. Eine eigene Praxis hatte er 35 Jahre lang, mehr als 25 davon in Burgau. Er führte damit eine jahrzehntelange Tradition fort, die zwei Vorgänger begonnen hatten. Entsprechend traurig seien die Patienten, dass sie mit dem Ruhestand des Facharztes für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Sportmedizin nun endgültig endet. „Ich werde in wenigen Wochen 70 Jahre alt, da verstehen die meisten schon, dass ich aus Altersgründen aufhöre.“Bloß manche hätten das nicht nachvollziehen können und es deutlich zum Ausdruck gebracht. Das sei aber eine kleine Minderheit. Wenn es nach ihm gegangen wäre, würde es ja auch weitergehen. Bloß konnte er niemanden dafür finden.
Seit mehr als drei Jahren habe er einen Nachfolger gesucht mit Anzeigen in Fachpublikationen, er habe Gespräche geführt und sogar einen spezialisierten Vermittler eingeschaltet. Vier oder fünf Interessenten hätten sich die Praxis angesehen, der letzte solche Besuch liege aber ein halbes Jahr zurück. Warum keiner zusagte, weiß er nicht. Gründe habe ihm keiner genannt. Am Finanziellen wäre es aber sicher nicht gescheitert, ist er überzeugt. Und am Standort Burgau an der Mindelstraße bestimmt auch nicht.
Das Problem sei, dass die Politik sich zu lange nicht darum gekümmert habe, dass der ärztliche Nachwuchs fehlt. Lange seien medizinische Versorgungszentren als Allheilmittel protegiert worden, doch die Versorgung auf dem Land werde so auch nicht gesichert und der große Nachteil sei, dass Patienten nicht immer denselben Ansprechpartner hätten. Das wiederum sei schlecht für das Vertrauensverhältnis. Auch die Zulassungsbeschränkung beim Studium sei nicht dafür förderlich, dass sich jemand für den Beruf des Hausarztes interessiert – der auch nicht die (finanzielle) Anerkennung bekomme, die er verdiene. Dass nun umgesteuert werde, sei gut, aber es dauere im Schnitt elf Jahre, bis sich ein Arzt niederlässt. Und vermehrt studierten Frauen Medizin, die wollten aber oft nur halbe Stellen oder sich anstellen lassen.
Sein Personal werde zumindest weiterbeschäftigt, ist Dr. Jerg froh, denn vorausschauend sei er bereits vor einiger Zeit eine Kooperation mit den Augen-Allianz-Zentren aus Dillingen eingegangen. Die haben zahlreiche Standorte, sodass die Wege aber etwas weiter werden. Die Augenarztsprechstunde, die in seinen Räumen angeboten wurde, wird auch dort weitergeführt und soll ausgebaut werden. Jedoch ist ein Umzug auf das ehemalige Zimmermann-Areal geplant, wenn die neuen Gebäude dort fertig sind.
Auf dem Papier ist Burgau mit noch neun Hausärzten zwar gut versorgt. Doch wer sich neu einen suchen muss, bekommt meist die Antwort, dass keine neuen Patienten aufgenommen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Ärztin länger erkrankt ist und die Kollegen für sie einspringen müssen. Zumindest will sie im neuen Jahr zurückkehren. In den nächsten Jahren werden allerdings überall viele Allgemeinmediziner aus Altersgründen für immer aufhören.
Dr. Jakob Berger, selbst Facharzt in dieser Disziplin und Regionaler Vorstandsbeauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) für Schwaben, sagt, dass man auf Versorgungslücken zusteuere. Es finde sich keiner, der eine Praxis übernehmen wolle. Im Schnitt müsse man fünf bis sieben Jahre suchen und sich am besten einen jungen Arzt als Nachfolger heranziehen. Er predige es Kollegen und Bürgermeistern, doch nur die wenigsten starteten ihre Suche früh. „Das liegt auch daran, dass viele nicht möchten, dass zu früh bekannt wird, dass sie aufhören.“Sie fürchteten, das könne die Einnahmen schmälern. Momentan seien allein im Planungsbereich Leipheim/Günzburg dreieinhalb Stellen unbesetzt. Immerhin gibt es in Burtenbach seit Kurzem eine neue Ärztin (wir berichteten).
Dr. Heinrich Jerg wird es auch künftig nicht langweilig werden. Er fährt gern Motorrad, hat einen alten Traktor und ist gern in den Bergen. Für die Patienten blieb er länger im Dienst – denen er für ihre Treue dankt. Er hofft, dass sie zu Kollegen gehen können.