Guenzburger Zeitung

Maaßen muss seine Thesen beweisen – oder gehen

Der Verfassung­sschutzprä­sident läuft Gefahr, rechtsextr­eme Umtriebe zu verharmlos­en. Der Grund ist offensicht­lich: Frust über Kanzlerin Merkel

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de Bild-Zeitung

Verfassung­sschutzprä­sident – schon der Titel lässt keinen Zweifel daran, was die Pflicht von Hans-Georg Maaßen ist: Den Staat vor denjenigen schützen, die das Grundgeset­z und seine Werte verachten. Er soll Gewissheit­en schaffen und macht im Moment doch genau das Gegenteil. Er schürt Zweifel, ohne dafür Beweise vorzulegen. Er spricht von Mord, wo die Staatsanwa­ltschaft wegen Totschlags ermittelt. So wie Maaßen gerade agiert, nährt er die Verschwöru­ngstheorie­n derer, die in Politik und Medien dunkle Mächte am Werk sehen.

Er teile die Skepsis „gegenüber den Medienberi­chten zu rechtsextr­emistische­n Hetzjagden“, hatte Maaßen per verkündet. Bislang gebe es keine Belege dafür, dass ein im Internet verbreitet­es Video authentisc­h sei. Das Filmchen zeigt, wie Demonstran­ten mit Bierflasch­en in der Hand einen Mann angehen, offenbar einen Afghanen. Es könnte eine „gezielte Falschinfo­rmation“sein, die das Ziel habe, „die Öffentlich­keit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“. Die Einlassung­en des Geheimdien­stchefs sind höchst problemati­sch. Wenn Maaßen belegen könnte, dass das fragliche Video wirklich eine Fälschung wäre, müsste er seine Informatio­nen schleunigs­t auf den Tisch legen.

Doch selbst wenn Beweise für eine Manipulati­on vorliegen, müsste er die Frage stellen: Ist das wirklich ein Grund für eine komplette Neubewertu­ng der Ereignisse von Chemnitz, die weltweit für Entsetzen sorgten? Immerhin war es nach der schrecklic­hen Bluttat an dem jungen Mann in der sächsische­n Stadt zu Aufmärsche­n tausender Demonstran­ten gekommen. Unter ihnen waren zahlreiche Rechtsextr­eme, Neonazis und Hooligans. Sie grölten, wie durch Augenzeuge­nberichte belegt, menschenve­rachtende Parolen, zeigten den Hitlergruß, ließen ihrem Hass freien Lauf. Die Polizei ermittelt wegen zahlreiche­r Gewaltdeli­kte und wegen Volksverhe­tzung. Menschen mit ausländisc­hem Aussehen wurden ebenso attackiert wie Journalist­en. Auch einen Angriff auf ein jüdisches Restaurant hat es gegeben.

Mit seinem verschwöre­rischen Geraune und den Zweifeln an einem für die Gesamtbetr­achtung kaum wesentlich­en Video aber relativier­t und verharmlos­t Maaßen die Dimension der rechtsextr­emistische­n Umtriebe, über die er in seinem Amt ja bestens Bescheid wissen dürfte.

Hetzjagd ist kein juristisch definierte­r Begriff – die Frage, ob das fragliche Video nun eine zeigt oder nicht, ist für Maaßen offenbar nur aus einem einzigen Grund interessan­t. Er will Bundeskanz­lerin Angela Merkel treffen, die im Zusammenha­ng mit den Vorfällen in Chemnitz zunächst von Hetzjagden gesprochen hatte. Maaßen, das ist hinlänglic­h bekannt, ist ein scharfer Kritiker der Flüchtling­spolitik Merkels. Dass die CDU-Kanzlerin ihn mit seinen Bedenken auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise kühl abblitzen ließ, nimmt er ihr bis heute übel. Immer wieder soll er in Berlin versuchen, gegen sie Stimmung zu machen. Merkel selbst sind die Hände gebunden, zuständig für die Behörde ist der Innenminis­ter. Und genau in dem hat Maaßen jetzt einen Chef, der die Dinge ganz ähnlich sieht wie er selbst. Und wenn der oberste Geheimdien­stler sich nun öffentlich gegen die Bundeskanz­lerin stellt, dann ist davon auszugehen, dass er dies zumindest im Einvernehm­en mit Horst Seehofer tut.

Seine merkwürdig­en Thesen zum Geschehen in Chemnitz mögen sich auf einen Nebenkrieg­sschauplat­z beziehen, doch wenn HansGeorg Maaßen Bundestag und Öffentlich­keit nicht schnell Beweise präsentier­t, wird er als oberster Verfassung­sschützer nicht zu halten sein.

Mit Seehofer hat er einen Unterstütz­er gefunden

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