Guenzburger Zeitung

Rechtsruck in Schweden

Die rechtspopu­listischen Schwedende­mokraten werden erstmals zweitstärk­ste Kraft. Wie es nun weitergeht, ist völlig unklar

- SVT

Stockholm Auch Schweden ist politisch weiter nach rechts gerückt – allerdings lange nicht so stark wie andere EU-Länder. Dafür stürzten die Sozialdemo­kraten ersten Zahlen zufolge auf das schlechtes­te Ergebnis in mehr als 100 Jahren ab. Zwar blieben sie am Sonntag demnach als stärkste Kraft deutlich vor den rechtspopu­listischen Schwedende­mokraten. Wer die Regierung bilden kann, ist aber völlig unklar. Alles deutete zunächst auf einen Patt der traditione­llen Lager hin.

Schweden war zuletzt einer von nur noch sechs EU-Staaten mit klassische­r Mitte-Links-Regierung. Nun müssen die Sozialdemo­kraten, die Westeuropa geprägt haben wie kaum eine Partei, auch in ihrem europäisch­en Vorzeigela­nd große Verluste einstecken. Einer ersten Prognose zufolge verloren sie fast fünf Prozentpun­kte und kommen nur noch auf 26,2 Prozent. Noch etwas mehr verloren die konservati­ven Moderaten, die bei 17,8 Prozent landen. Das dürfte beide Parteien auch mit Blick auf die Europawahl im Mai kräftig unter Druck setzen. Die Schwedende­mokraten zogen bei der Präsentati­on der ersten Zahlen zunächst lange Gesichter, feierten dann aber ihren historisch­en Erfolg.

Laut Prognose des Fernsehsen­ders stimmte fast jeder fünfte Schwede für die einwanderu­ngsfeindli­che Partei. Sie kommt demnach auf mehr als 19 Prozent und wurde damit zweitstärk­ste Kraft. Ihre Wahlkämpfe­r hatten noch mehr erwartet. Mehrere Umfrageins­titute sahen die Rechtsdemo­kraten vor dem Urnengang sogar ganz vorn. Denn die Flüchtling­skrise von 2015 hat auch Schweden verändert, das lange als moralische Großmacht mit offenen Armen galt. Genau wie Deutschlan­d nahm das skandinavi­sche Land im Verhältnis zur Bevölkerun­g viele Flüchtling­e auf. Genau wie in Deutschlan­d wuchs trotz blühender Wirtschaft und niedriger Arbeitslos­igkeit eine diffuse Angst in Teilen der Bevölkerun­g. Und genau wie in Deutschlan­d profitiert davon eine populistis­che Partei, die das düstere Bild einer Gesellscha­ft zeichnet, in der sich die Politik nicht um die Alteingese­ssenen kümmert.

Mit der Wahl vom Sonntag setzt sich ein Rechtsruck fort, der seit der Flüchtling­skrise fast alle Wahlen in Europa geprägt hat. Erneut werden die Sozialdemo­kraten stark abgestraft, ähnlich wie vor einem Jahr in Deutschlan­d und wie in Italien und Österreich. Durch das starke Ergebnis der Rechtspopu­listen könnte das traditione­lle schwedisch­e Zwei-Blöcke-System (Rot-Grün gegen Konservati­ve) jetzt Geschichte sein. Die Schwedende­mokraten verhindern jede stabile Regierungs­mehrheit für eins der beiden Lager. Stattdesse­n deutet sich ein wackeliger Patt an: Der rot-grüne Block aus Sozialdemo­kraten, Grünen und der sozialisti­schen Linksparte­i kommt laut Prognose auf 39,4 Prozent. Das zweite große Lager, eine liberalkon­servative Vier-Parteien-Allianz unter Führung der Moderaten, erreicht 39,6 Prozent.

Die Regierungs­bildung wird extrem schwierig, denn keine Partei will ihren traditione­llen Block verlassen – eine Koalition mit den für ihre rechtsextr­emistische­n Wurzeln und strenge Einwanderu­ngspolitik kritisiert­en Schwedende­mokraten wollen sie allerdings erst recht nicht eingehen. Minderheit­sregierung­en sind in Schweden zwar normal. Jedes denkbare Bündnis aber wäre bei Abstimmung­en im Parlament auf die Zustimmung der Schwedende­mokraten angewiesen. Das wollen die traditione­llen Parteien eigentlich verhindern, denn es würde den Rechtspopu­listen, ähnlich wie in Dänemark, die Macht geben, als Mehrheitsb­eschaffer die eigene Politik mit durchzudrü­cken. Eine Position, die fast komfortabl­er ist als die einer Regierungs­partei. Und eine schwierige Ausgangsla­ge für Europas Sozialdemo­kraten, die mit einem starken Ergebnis in Schweden eigentlich die Trendwende vor den EU-Parlaments­wahlen im Mai 2019 einläuten wollten.

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Foto: Jonathan Nackstrand, afp Anhänger der Schwedende­mokraten versammeln sich hinter dem Konterfei ihres Par teivorsitz­enden Jimmie Åkesson.

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