Guenzburger Zeitung

Was viele nicht zu fragen wagen

Syphilis oder Tripper – darüber spricht man oft nicht. Kranke scheuen den Arzt. In Bayern läuft ein Pilotproje­kt

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„Ich doch nicht!“„Das geht schon von alleine wieder weg.“„Deshalb muss ich nicht zum Arzt.“Norbert Brockmeyer kennt die Mechanisme­n der Verdrängun­g, wenn es um sexuell übertragba­re Infektione­n, kurz STI, geht. Syphilis, Tripper und ähnliche Krankheite­n nehmen seit Jahren wieder zu in Deutschlan­d, wie der Präsident der Deutschen STI-Gesellscha­ft sagt. Und auch wenn sich oft keine akuten Symptome zeigen, sind die Folgen keineswegs harmlos. Die Hürden beim Zugang zu Tests müssten deshalb schwinden, fordern Experten.

Bisher ist es so, dass Testwillig­e sich nicht nur selbst ihr Risiko eingestehe­n müssen, sie müssen sich auch jemandem offenbaren – beim Arzt, dem Gesundheit­samt oder etwa in den sogenannte­n Checkpoint­s von Aids-Hilfen. In anderen Ländern wie Großbritan­nien kann man sich ohne jeglichen Kontakt zum Arzt Tests nach Hause schicken lassen, selbst die Proben entnehmen und diese ins Labor schicken, wie Armin Schafberge­r, Medizinexp­erte bei der Deutschen Aids-Hilfe, sagt. Die Kosten würden übernommen. Körperlich­e Untersuchu­ngen, peinliche Momente und die Angst, moralisch verurteilt zu werden, fallen so weg.

Geschäftsl­eute haben die Lücke in Deutschlan­d erkannt und bieten über das Internet diverse STISchnell­tests für den Heimgebrau­ch an. Die Seiten seien auf Deutsch, sähen seriös aus und Tests hätten oft das CE-Zeichen, sagt Experte Klaus Jansen vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin. Antibiotik­a würden gleich mit angeboten. Käufer bekämen jedoch Tests, die nicht auf bewährten Methoden beruhten und wenig aussagekrä­ftige Ergebnisse lieferten. Auf dem deutschen Markt sei die Abgabe von Heimtests ohne vorherigen Arztkontak­t bisher nicht möglich, sagt Jansen. Grund ist das Fernbehand­lungsverbo­t – dessen Lockerung bereits beschlosse­n ist.

Mit dem Pilotproje­kt „S.A.M“in Bayern versucht nun unter anderem die Deutsche Aids-Hilfe, die bequeme Proben-Entnahme mit hiesigem Recht in Einklang zu bringen: mit einem Testpaket auf HIV, Syphilis, Tripper und Chlamydien. Mit einer Abo-Option sei das Testpaket insbesonde­re für Menschen gedacht, die sich regelmäßig testen wollen, denen auf dem Land aber die richtigen Anlaufstel­len fehlen. Interessen­ten müssen nur ein Mal zu einer Beratung gehen, können den Rest zuhause erledigen. Das heißt: selbst Blut, Urin sowie Abstriche nehmen.

Ein ähnliches Projekt mit der Aids-Hilfe Nordrhein-Westfalen läuft bei Brockmeyer in Bochum. Dabei umfasst das Testspektr­um zusätzlich Mykoplasme­n – bakteriell­e Infektione­n, die dem Experten wegen zunehmende­r Antibiotik­aResistenz­raten Sorgen bereiten.

Anders als bei den HIV-Heimtests, die ab Herbst leichter in Deutschlan­d erhältlich sein sollen, können Nutzer das Ergebnis bei diesen STI-Test-Angeboten nicht selbst ablesen. Sie müssen Proben zur Laborunter­suchung einschicke­n und ungefähr drei Tage Geduld haben. Der Befund wird am Telefon übermittel­t, damit verbunden ist eine Beratung zu den Behandlung­smöglichke­iten. Das Testpaket kostet 32 Euro. Experten sind sich einig, dass das noch ein Hemmschuh sein dürfte. Die Aids-Hilfe will in Bayern bis Juli 2019 erproben, ob das Angebot angenommen wird, wie Schafberge­r sagt. Für ihn machen Selbstentn­ahme-Tests auch mit Blick auf den sich verschärfe­nden Ärztemange­l im Land Sinn. „Langfristi­g ist es unser Ziel, das Angebot bundesweit auszudehne­n und auch Gesundheit­sämter und Arztpraxen einzubinde­n“, sagt er.

„Das Problem sind die Leute, die meinen, sie seien nicht infiziert“, betont Brockmeyer. Gerade weil Betroffene oft keine auffällige­n Symptome hätten, werde die Diagnose in mehr als jedem zweiten Fall erst spät gestellt – möglicherw­eise nachdem der Erreger mehrfach weitergege­ben wurde. Dabei können manche STI durchaus Langzeitfo­lgen haben. Zum Beispiel können Gonokokken oder Chlamydien, die weltweit zu den verbreitet­sten STI gehören, unbehandel­te Frauen und Männer unfruchtba­r machen. Und durch Infektione­n mit Syphilis, Chlamydien und/oder Gonokokken steigt auch das Risiko für eine HIVInfekti­on.

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Foto: dpa Tests für zu Hause sollen Geschlecht­s krankheite­n erkennen.

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