Reiten auf der Baustelle
Kein Strom, die Toiletten funktionieren nicht, die Pfleger schlafen in Zelten. Doch Dressurreiterin Isabell Werth nimmt den Veranstalter trotzdem in Schutz
Tryon Dalera hat gute Nerven. Die Stute lässt sich von den Baggern und Planierraupen nicht erschrecken. „Viele Pferde haben vor den Riesen-Baggern Angst“, sagte die deutsche Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl. Ihre Stute sei hingegen „sehr gelassen“. Der Lärm auf dem Gelände der Reit-WM in den USA störe das Pferd nicht. „Gut, dass mein Papa bei uns zu Hause so viel baut“, witzelte die Reiterin aus dem bayerischen Tuntenhausen. Die WM in Tryon/ North Carolina hat begonnen – die Bauarbeiten gehen weiter.
An jeder Ecke wird noch gebohrt, geschraubt oder gebaggert. Tag und Nacht wird gearbeitet, teils unter Flutlicht. „Offensichtlich sind sie zu spät dran, sie hängen dem Zeitplan hinterher“, sagte Dennis Peiler, der Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). „Hier ist eine 24-Stunden-Baustelle“, berichtete Isabell Werth. Die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt ist seit mehr als einer Woche vor Ort und fügte an: „Man muss aber fair sein. Der Veranstalter ist eingesprungen und bemüht sich.“
Tryon hatte die WM erst Ende 2016 nach der kurzfristigen Absage aus dem kanadischen Bromont übernommen. Mit großen Versprechungen war der OrganisationsChef Mark Bellisimo damals angetreten. Sein bereits großes Reitgelände in North Carolina wollte der Immobilien-Milliardär in Rekordzeit für die Weltmeisterschaften in acht Pferdesport-Disziplinen ausbauen. Drei große Hotels kündigte Bellisimo unter anderem an. Nur Fundamente sind davon zu sehen. Am Hauptgebäude am großen Stadion wird während der WM weiter gebaut. Am Morgen der Eröffnungsfeier gab es noch keinen Strom. Die Toiletten sind noch immer nicht funktionsfähig.
Betroffen von den Problemen auf dem WM-Gelände sind vor allem die Pfleger der Pferde. Nur wenige Unterkünfte sind fertig. Stattdessen wurden kurzfristig Container aufgestellt. Auch Zelte mit mehr als zwanzig Betten sind als Ersatz aufgebaut worden. „Die Zeltunterkünfte sind nicht zu akzeptieren“, kritisierte Werth.
Gestern setzte sich das Chaos in Tryon mit einer peinlichen Panne fort. Das Distanzrennen zum WMAuftakt musste unterbrochen werden, weil einige Reiter falsch geleitet worden waren. Es wurde neu gestartet und dabei von 160 auf 120 Kilometer verkürzt.