Sie haben reingetreten, als er schon am Boden lag
Wegen gefährlicher Körperverletzung stehen zwei Brüder aus dem Landkreis vor dem Amtsgericht Günzburg. Das Opfer erlitt ein Schädel-Hirntrauma. Ein Urteil gibt es noch nicht
Günzburg Zwei Brüder aus dem nördlichen Landkreis Günzburg sind im Günzburger Amtsgericht angeklagt. Sie sollen im September vergangenen Jahres unweit eines Günzburger Autohofs in der Nähe der Autobahn 8 auf einen Mann eingetreten haben, der am Boden lag. Doch der Geschädigte ist nicht erschienen – er ist im Heimaturlaub in Rumänien.
Die Geschehnisse begannen in der Total-Tankstelle des Autohofs. Dort zockten zwei Freunde an einem Glücksspielautomaten. Die Tankstellenverkäuferin kennt sie, sie seien häufig dort, schildert sie dem Gericht. Dann kam eine Gruppe von fünf Männern – unter ihnen der spätere Geschädigte und ein sichtlich betrunkener Mann. Dieser soll die beiden Männer am Automaten als „Zigeuner“beschimpft haben, obwohl beide Gruppen rumänische Landsleute waren. Aufgrund dieser Beleidigung rief einer der beiden seinen Onkel an.
Die fünf Männer fuhren wieder gemeinsam in einem Auto weg. Doch dann fuhr ein Oberklassewagen vor, in dem sich der angerufene 29-Jährige befand. Dieser versperrte den fünf Männern den Weg.
Der Geschädigte hatte der Polizei erzählt, was sich danach zutrug. Doch die Darstellung der Angeklagten, die sie vor Gericht vortragen, unterscheidet sich von dieser Aussage. Der jüngere Angeklagte sagt, er sei aus seinem Auto ausgestiegen und habe fragen wollen, was die fünf von seinem Neffen in der Tankstelle gewollt hatten. Daraufhin sei der Geschädigte, den er als groß und stämmig beschreibt, von der Rückbank gestiegen und habe ihn angegriffen. Dass er zugeschlagen hat, wie die Staatsanwältin ihm vorwirft, bestreitet er nicht. Er habe sich wehren müssen. Der Geschädigte ging zu Boden. Dann sollen die beiden auf den Geschädigten eingetreten haben. Er erlitt ein SchädelHirn-Trauma, Schürfwunden im Gesicht und verlor zwei Zähne. Auch die Tritte geben sie zu – aber auch die seien aus Notwehr geschehen. Wieso sie auf ihn eingetreten haben, wollte Amtsgerichtsdirektor Walter Henle wissen. „Er wollte wieder aufstehen“, entgegnet der jüngere Angeklagte als Begründung für die Tat.
Der beste Freund des Geschädigten sagt vor Gericht aus. Er war der Fahrer des Wagens, der gestoppt wurde, und beschreibt den Hergang anders. Der jüngere Angeklagte sei zu ihnen gelaufen, habe seine Fahrertür aufgerissen und auf ihn eingetreten und -geschlagen. Daraufhin habe sein Kumpel, der auf der Rückbank saß, das Auto verlassen, um zu schlichten. Dann sei dieser unter anderem von den beiden Angeklagten verprügelt und am Boden getreten worden.
„Wissen Sie, dass es in Rumänien Wölfe gibt?“, fragt der Richter den jüngeren Angeklagten. Der blickt verdutzt und zuckt mit den Schultern, nachdem ihm der Dolmetscher die Frage übersetzt hat. „Wenn Wölfe kämpfen, dann streckt der Unterlegene dem anderen seine Kehle hin, doch der beißt nicht zu. Das erwarte ich von Menschen auch.“
Nicht nur die Abwesenheit des Geschädigten erschwert die Verhandlung. Immer wieder fallen die Angeklagten dem Richter und Zeugen ins Wort, der Dolmetscher wirkt bisweilen überfordert. Die Gelegenheit, einen Zeugen zu befragen, nutzen die Angeklagten, um ihre Sicht der Dinge zu wiederholen. Der Neffe der Angeklagten beschreibt auch, wie sich die Schlägerei an den Autos zugetragen hat – doch dass er selbst nicht am Ort des Geschehens war und seine Darstellung sich nur auf die Erzählungen seines Onkels stützt, erklärt er erst auf Nachfrage des Richters.
Richter Henle sagt, „den Schlag mit der Faust mag man noch als Notwehr betrachten können, die Tritte auf einen am Boden liegenden definitiv nicht“. Obwohl die Angeklagten die Tritte zugeben, schlägt Henle in Absprache mit der Staatsanwältin einen Fortsetzungstermin vor, um die Schwere der Verletzungen des Geschädigten zu klären.
Die Verhandlung wird am Donnerstag, 4. Oktober, um 13 Uhr im Amtsgericht Günzburg fortgeführt.