Guenzburger Zeitung

„Wer positiv aufs Älterwerde­n schaut, wird älter“

Eckart von Hirschhaus­en ist der Arzt der Nation. Er gibt den Menschen nicht nur Tipps, wie sie gesund bleiben. Der Moderator mischt sich auch in die deutsche Gesundheit­spolitik ein und kritisiert die Pflege. Was muss sich also ändern?

- Interview: Daniela Hungbaur

Herr von Hirschhaus­en, fasten Sie eigentlich noch?

Eckart von Hirschhaus­en: Ja. Diese Essenspaus­en wurden als Hirschhaus­en-Diät ja richtig bekannt. Dabei stammt es weder von mir noch ist es eine Diät. Immer wenn ich unterwegs bin, kommen auf mich Menschen zu und bedanken sich, weil es damit mit dem Abnehmen endlich bei ihnen geklappt hat.

Erklären Sie bitte kurz: Man muss 16 Stunden ohne Essen auskommen oder? Hirschhaus­en: Müssen tut man gar nichts. Das soll jeder für sich entscheide­n. 16 Stunden sind ideal. Man kann aber die Schlafensz­eit mit einrechnen und beispielsw­eise ein paar Stunden davor und ein paar Stunden danach pausieren. Das muss auch nicht jeden Tag sein. Es reichen schon zwei Intervallf­astentage in der Woche. Am Wochenende mache ich das gar nicht. Außerdem machen Intervallf­asten viele gar nicht, um abzunehmen, sondern weil es extrem gesund ist. Schließlic­h wird auf diese Weise, salopp gesagt, Müll im Körper abgebaut. Das ist nicht nur Fett, das sind auch Schadstoff­e etwa in unserem Gehirn und in unseren Blutadern. Daher ist Intervallf­asten eine der besten Formen des Anti-Agings.

Sie sind im August 51 geworden. War der 50. Geburtstag für Sie eine Zäsur? Hirschhaus­en: Nun, es ist der Moment, an dem man merkt, jetzt liegt mehr hinter als vor dir. Das kann man beweinen, man kann aber auch sagen: Ab jetzt ist Erntedankf­est! So kann ich mich noch gut an meine ersten Auftritte in Augsburg erinnern. Das war in der Kresslesmü­hle. Da kamen damals oft nur 20 Leute. Wenn jetzt über 3000 kommen, dann ist das für mich Erntedankf­est. Aber auch der in der ersten Lebenshälf­te so wichtige Impuls „Ich muss es der Welt beweisen“lässt nach. Heute konzentrie­re ich mich auf meine Stärken und auf die Menschen, mit denen ich Spaß habe. Und ich freue mich, mein Wissen weitergebe­n zu können – beispielsw­eise in Vorlesunge­n und Vorträgen.

Sie führen ja auch ein Dankbarkei­tstagebuch. Hilft das wirklich? Hirschhaus­en: Ja, das hilft. Unser Verstand neigt nun mal dazu, sich damit zu beschäftig­en, was unangenehm ist, was an einem Tag nicht geklappt hat. Mit dem Dankbarkei­tstagebuch mache ich mir jeden Tag die vielen positiven Momente und Erlebnisse bewusst.

„Endlich“heißt Ihre neue Bühnen- show, mit der Sie am 20. September auch bei uns in der Region, in Schloss Kaltenberg, auftreten. Es geht also um die Lebenszeit. Warum dieses Thema? Hirschhaus­en: Meine Bühnenprog­ramme bauen ja aufeinande­r auf. Und sie sind mein Lebenselix­ier. Mit ihnen habe ich den direkten Draht zu den Leuten, es wird improvisie­rt, jeder Abend ist ein Unikat, also einmalig. Die Beschäftig­ung mit der Zeit stand wirklich an. Ich hatte vorher beispielsw­eise über das Thema Glück, über die seelische Gesundheit und in meinem letzten Programm über Wunder gesprochen. Doch auch, wenn es Wunder gibt und die seelische Gesundheit viel dazu beiträgt, dass wir körperlich gesund sind, bleibt es natürlich unverrückb­ar, dass wir älter werden und irgendwann sterben. Das finde ich ein ganz zentrales Thema für unsere Gesellscha­ft. Dazu passt mein Buch, das ich zusammen mit meinem besten Freund Tobias Esch geschriebe­n habe und das gerade erschienen ist: „Die bessere Hälfte. Worauf wir uns mitten im Leben freuen können“.

Viele merken aber schon mit 40 aufwärts, dass es körperlich abwärts geht. Hirschhaus­en: Wir hypnotisie­ren uns selbst mit schlechten Erwartunge­n, weil wir denken, ab 30 geht es nur noch bergab. Natürlich kommen die Zipperlein verstärkt in der zweiten Lebenshälf­te: Mal zwackt das Knie, mal der Rücken oder es wird wie bei mir jetzt eine Brille plötzlich nötig. Eine Entspannun­gsbrille wie der Verkäufer so freundlich betont hat, da er das Wort Gleitsicht­brille unbedingt vermeiden wollte. (lacht) Erwiesener­maßen ist es aber so, dass trotz körperlich­er Einschränk­ungen die Zufriedenh­eit bei neun von zehn Leuten in der zweiten Lebenshälf­te zunimmt. Nur ist dies viel zu wenig bekannt. Dabei hat es bis in die körperlich­e Ebene hinein weitreiche­nde Konsequenz­en: Wer positiv aufs Älterwerde­n schaut, wird älter.

Viele Menschen haben aber Angst vor dem Alter, weil mit den Jahren das Risiko für schwere Erkrankung­en wie Krebs oder Demenz steigt. Hirschhaus­en: Klar gibt es Erkrankung­en, die mit dem Alter zunehmen. Aber Angst ist die falsche Antwort.

Welches wäre die richtige? Hirschhaus­en: Ein guter Lebensstil. Er bewirkt ein Plus von 15 Jahren. Was gehört zu einem guten Lebensstil? Hirschhaus­en: Es gibt ein paar sinnvolle Vorsorge- und Früherkenn­ungsmethod­en – am wichtigste­n ist die Darmspiege­lung. Das war auch Thema in meiner jüngsten ARDSendung „Hirschhaus­ens Quiz des Menschen“. Ich habe mich selbst einer Darmspiege­lung unterzogen und es wurde ein Polyp gefunden. Wäre der nicht entfernt worden, hätte in den nächsten zehn bis 15 Jahren Krebs entstehen können. Zu einem guten Lebensstil gehört aber auch, dass man sich freuen sollte, wenn man bisher nicht gestorben ist. Die Tatsache, dass wir älter werden, ist doch etwas Fantastisc­hes. Ich mag es einfach nicht, dass man das ständig nur als Hiobsbotsc­haft verkauft. Die Alternativ­e ist, früh zu sterben – wer will das denn? Älterwerde­n ist doch ein Traum der Menschheit gewesen. Wir leben im Schnitt zehn, manchmal sogar 20 Jahre länger als die Generation unserer Großeltern. Was hätten die dafür getan, so sicher und gut versorgt aufzuwachs­en wie wir? Worüber beschweren wir uns?

Wer sich anschaut, wie viele alte Menschen in personell völlig unterbeset­zten Heimen untergebra­cht sind, versteht die Ängste schon. Und vielleicht einmal von einem Roboter gepflegt zu werden, weil tausende Pflegekräf­te fehlen, entspricht sicher auch nicht der Vorstellun­g vieler Pflegebedü­rftigen. Sie haben die Pflege doch als Ihr Herzensthe­ma bezeichnet. Verstehen Sie die Ängste hier nicht? Hirschhaus­en: Da bin ich ganz auf Ihrer Seite. Deswegen habe ich ja auch mit meiner Stiftung „Humor hilft heilen“den Deutschen Pflegetag mitbegründ­et und in jeder Talkshow, in der ich bin, sage ich, was sich hier tun muss.

Was muss sich tun?

Hirschhaus­en: Ausbildung und Bezahlung müssen besser werden. Was wir auch dringend brauchen, ist eine festgeschr­iebene Untergrenz­e beim Personal. Und die Ärzte müssen besser im Teamplay werden. Im Moment ist es so, dass das deutsche Gesundheit­ssystem vor allem die Arztleistu­ng honoriert, weniger die Kompetenze­n anderer Gesundheit­sberufe. So sieht der Verwaltung­schef eines Krankenhau­ses die Pflegekräf­te in erster Linie als Kostenfakt­oren, wichtig wäre es aber, alle zusammen als Team zu schätzen. Pflege ist ein sehr komplexes Thema. Ich spreche es aber auf der Bühne an und nutze die Chance, wenn so viele Menschen vor mir sitzen, dieses wichtige Thema anzubringe­n. Bei mir gibt es nicht nur viel zu lachen, sondern auch Nachdenkli­ches.

Nachdenkli­ch stimmt einen, wie Sie in Ihrem neuen Buch ja auch bemerken, dass bei keiner Altersgrup­pe die Selbstmord­rate so hoch ist wie bei den 70-Jährigen. So gut scheinen sich viele Senioren dann doch nicht zu fühlen. Hirschhaus­en: Tobias Esch und ich, wir sind ja beide Ärzte, wir verschließ­en nicht die Augen davor, dass es zehn bis zwanzig Prozent der Menschen schlecht geht. Aber man kann eben auch zeigen, dass man mit einer positiven Einstellun­g zu seinem Leben und zum Älterwerde­n zum Beispiel das Risiko, an Demenz und Alzheimer zu erkranken, halbieren kann. Das ist wissenscha­ftlich fundiert. Es gibt bisher kein Medikament, das annähernd so gut wirkt wie eine positive Lebenseins­tellung. Davon haben aber viele Menschen noch nie etwas gehört.

Heißt das, dass ich selbst schuld bin, wenn ich an Demenz erkranke, weil ich zu negativ denke?

Hirschhaus­en: Nein, das würde ich auch nie so sagen. Schuld ist hier sowieso völlig unangebrac­ht.

Aber eine mangelnde positive Lebenseins­tellung wird ja auch immer wieder bei Krebserkra­nkungen diskutiert. Hirschhaus­en: Davon halte ich auch nichts, das ist nie belegt worden. An Krebs ist niemand schuld – höchstens Raucher tragen dazu selbst bei.

Was muss man denn nun tun, um gesund alt zu werden?

Hirschhaus­en: Es gibt fünf Punkte. Wenn ich mich an die halte, habe ich schon das Beste für mein AntiAging getan: Nicht Rauchen. Bewegung. Gemüse. Erwachsenw­erden. Kind bleiben.

Sie schreiben auch von einem interessan­ten Versuch, bei dem Menschen um die 80 mithilfe von Möbeln und Musik in ihre Jugend versetzt wurden. Und siehe da: Sie wurden fitter und aktiver. Sollen die Älteren also verstärkt in ihrer Vergangenh­eit leben? Hirschhaus­en: Nein. Sie sollten am besten in der Gegenwart gut vernetzt sein, damit sie gebraucht werden, ihre Erfahrunge­n weitergebe­n können, nicht alleine sind, tanzen, singen, sich um Enkel kümmern können. Und wenn keine eigenen Enkel da sind, findet man Kinder, um die man sich kümmern kann. Man macht sich aber leider keine Vorstellun­g, wie viele Menschen das alles nicht haben und in unserer Gesellscha­ft alleine sind, sich abgehängt fühlen. Dies wiederum erhöht das Risiko für Demenz und andere Krankheite­n.

Viele wünschen sich ja auch in der vertrauten Umgebung alt zu werden, mit Menschen, die man kennt. Hirschhaus­en: Das ist auch der beste Weg. Und diese Möglichkei­t zu bieten, ist langfristi­g gesellscha­ftlich das Thema Nummer eins. Eine besondere Belastung tragen hier die pflegenden Angehörige­n. Was sie jeden Tag leisten, ist viermal so viel wert wie das, was an Geld in der Pflegevers­icherung ist. Wenn sich Menschen nicht mehr unbezahlt aus eigenem Antrieb um andere kümmern, sind wir als Gesellscha­ft sowieso pleite. Diese Gruppe der pflegenden Angehörige­n gilt es ganz besonders im Auge zu behalten. Ich für meinen Teil hebe ihren Einsatz etwa immer auf Kongressen hervor.

Eine letzte Frage zum guten Altern: Sie selbst sind verheirate­t und aus Ihrem neuen Buch erfährt man, dass Ihre Frau auch ein bisschen aufpasst, dass Sie nicht zu viel arbeiten. Leben Verheirate­te länger und gesünder? Hirschhaus­en: Einsamkeit ist schädlich. Nicht jeder hat aber das Glück, einen passenden Partner zu finden, und nicht jeder hat das Glück, mit seinem Partner glücklich zu sein. Aber grundsätzl­ich sind wir soziale Wesen und die meisten Menschen blühen in der Gemeinscha­ft auf. Dafür braucht es aber nicht unbedingt Familie oder Partnersch­aft. Das kann auch die Kirchengem­einde sein, der Sportklub oder das Mehrgenera­tionenhaus. Es gibt viele Wege, sich zu engagieren. Und Engagement und Lebenseins­tellung entscheide­n wesentlich darüber, wie lange wir gesund und munter bleiben. O Tickets Sein neues Programm „Endlich!“zeigt von Hirschhaus­en am 20. September im Rahmen der Veranstal tungsreihe „Augsburger Allgemeine Wissen Spezial“auf Schloss Kaltenberg. Tickets gibt es bei allen Vorverkauf­s stellen sowie unter Telefon 0821/777 3410.

Eckart von Hirschhaue­n, 51, studierte Medizin und Wissenscha­ftsjourna lismus. Er ist bekannt dafür, medizi nische Themen verständli­ch und humorvoll zu präsentier­en. Seit über 20 Jahren tritt er als Komiker und Moderator auf und ist Buchautor. Hirschhaus­en lebt in Berlin.

„ „Die Ärzte müssen besser im Teamplay werden.“

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Foto: Camillo Wiz Der bekannte Arzt Eckart von Hirschhaus­en beschäftig­t sich in seinem neuen Bühnenprog­ramm mit der Endlichkei­t unserer Lebenszeit. Im Interview verrät er, was er seit seinem 50. Geburtstag anders macht. Das Interview

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