Rache des kleinen Sängers
Wer Musik mag, der weiß: Es geht nichts über Live-Konzerte. Ab dem Ticketkauf kann man sich freuen, die Lieblingsband bald in echt zu erleben. Außerdem ist die Stimmung auf Konzerten gut. Alle tanzen, singen mit und freuen sich genauso sehr wie man selbst über den Auftritt. So sollte es sein. Die Realität sieht anders aus – jedenfalls mir geht es immer so.
Irgendwie schaffe ich es jedes Mal, auf Konzerten hinter Menschen zu stehen, die mindestens 2,20 Meter groß sind. Und jedes Mal, wenn ich mich so positionierte, dass ich doch etwas sehe, stellt sich auch mein Vordermann wieder um.
Das alles wäre nun nicht so schlimm – schließlich müssen auch große Menschen auf Konzerten irgendwo stehen. Dafür habe ich Verständnis. Aber jene, hinter die ich gerate, haben noch eine andere Eigenheit: Sie bewegen sich nicht. Das Lied kann noch so mitreißend sein, sie bleiben stehen, tanzen nicht, wippen nicht mit dem Fuß, klatschen nicht, schnipsen nicht mal. Sie stehen einfach nur da und widersetzen sich der Menge um sich herum wie Felsen im Meer. Völlig starr harren sie aus. Das Problem: An ihnen prallt nicht nur die Bewegung ab. Auch die gute Stimmung kommt nicht an ihnen vorbei. Hinter ihnen fühlt man sich wie in Trance.
Neulich konnte ich noch eine Steigerung dieser Bewegungslosigkeit erleben: Vor mir stand ein Mann, er rührte sich die ganzen zwei Stunden über nicht. Stattdessen hielt er die gesamte Zeit sein Handy in die Höhe und filmte das Konzert. Klar, dabei muss man ruhig stehen, schließlich soll das Bild nicht verwackeln. Wenn ihn irgendjemand beim Tanzen berührte, warf er böse Blicke um sich. Irgendwann habe ich einen Racheplan entwickelt. Bei einem Lied, das mir besonders gut gefällt, habe ich lautstark in Richtung seines Kameramikrofons gesungen, und zwar nicht gerade schön. Sollte Ihnen also in nächster Zeit jemand anbieten, sich einen zweistündigen privaten Mitschnitt eines Konzerts anzugucken, lehnen Sie lieber ab.