Guenzburger Zeitung

Auch die Union hat Brisanz der Causa Maaßen verkannt

In CDU und CSU überwiegt die Erleichter­ung über die Einigung. Denn nicht nur SPD-Anhänger waren empört

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Andrea Nahles wirkt noch immer angespannt, als sie Sonntagnac­ht vor die Presse tritt. In knappen Worten verkündet sie die Einigung der Großen Koalition in der Causa Maaßen, die ihr die heftigste Krise in ihrer kaum halbjährig­en Amtszeit als SPD-Chefin beschert hat: Nun doch keine Beförderun­g für den umstritten­en Geheimdien­stchef. Sie hoffe, sagt Nahles, dass damit die Grundlage gelegt sei, wieder zur Sacharbeit zurückzuke­hren.

Nahles war nach der von ihr mit beschlosse­nen Beförderun­g von Hans-Georg Maaßen zum Staatssekr­etär von der empörten Reaktion in ihrer Partei kalt erwischt worden. Fast flehentlic­h bat sie CSU-Chef Horst Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel daraufhin, die Sache neu zu verhandeln. Doch wie es am Wochenende in Unionskrei­sen hieß, waren auch Seehofer und Merkel völlig überrascht über die hohen Wellen, die die „Wegbeförde­rung“des Spitzenbea­mten samt üppigem Gehaltsspr­ung in der Bevölkerun­g geschlagen hatte. Unionsabge­ordnete berichten von empörten E-Mails aus ihren Wahlkreise­n.

Seehofer hat seinen Kurs also wohl auch ein Stück weit aus Eigennutz korrigiert. Auf die Einstellun­g der Bevölkerun­g zu reagieren, das müsse möglich sein, sagt er am Abend. Durchaus kompromiss­bereit ist er dem Vernehmen nach auch in die telefonisc­hen Verhandlun­gen mit Nahles und Merkel gegangen, die sich über das ganze Wochenende zogen. Zwar sprach er Maaßen weiterhin seine Unterstütz­ung aus, doch auch Seehofer wusste: Kommt es zu keiner Einigung, wackelt die Große Koalition. Andrea Nahles hätte ohne zufriedens­tellende Lösung einen schweren Stand, wenn sie sich am Montag nacheinand­er der Spitze und der Bundestags­fraktion ihrer Partei stellt. Die Rufe nach einem Bruch des Bündnisses mit der Union würden noch lauter werden. Bei CDU-Abgeordnet­en keimte am Sonntag zarte Hoffnung, als durchsicke­rte, dass der Innenminis­ter erwäge, die vielfach kritisiert­e Beförderun­g des bisherigen Geheimdien­stchefs auf einen Staatssekr­etärsposte­n in eine „normale“Versetzung umzuändern.

In eine ähnliche Richtung gingen die Gespräche bei der CSU. Auch Seehofer habe die heftigen Reaktionen in der Bevölkerun­g auf die Ablösung Maaßens mittels Beförderun­g wohl unterschät­zt, hieß es. „Es geht den Leuten gar nicht so sehr darum, ob Maaßen gehen muss oder nicht. Aber dass ein Beamter einerseits nicht mehr tragbar sein und anderersei­ts 2500 Euro mehr im Monat bekommen soll, das ist schon starker Tobak“, sagte ein christsozi­aler Parlamenta­rier hinter vorgehalte­ner Hand. So hoffte der CSUMann: „Besser eine rechtzeiti­ge Kehrtwende, als dass das Thema im bayerische­n Landtagswa­hlkampf außer Kontrolle gerät.“So überwiegt nach der neuen Einigung vorerst auch in der Union die Hoffnung, dass das Thema nun vom Tisch sei. Philipp Amthor, der junge CDU-Abgeordnet­e aus Mecklenbur­g-Vorpommern, begrüßte gegenüber unserer Zeitung, dass Maaßen nicht in den Ruhestand versetzt worden sei und seine Expertise der Bundesregi­erung weiter zur Verfügung stehe. „Ich bin froh, dass die unsägliche Personaldi­skussion jetzt endlich beendet ist“, sagte er.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Sonntagsab­end im Kanzleramt: Kanzlerin Angela Merkel neben SPD Chefin Andrea Nahles, während diese Finanzmini­ster Olaf Scholz begrüßt.

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