Guenzburger Zeitung

„Ein Kasten Bier müsste 20 bis 25 Euro kosten“

Georg Schneider leitet die gleichnami­ge Weißbier-Brauerei und ist Präsident des Bayerische­n Brauerbund­es. Seiner Ansicht nach wird der Bierkonsum weiter zurückgehe­n. Weshalb er trotzdem höhere Bierpreise fordert

- Mögen Sie Craft-Bier? Woran liegt das? Interview: Stefan Stahl

Herr Schneider, Bier und Wirtshäuse­r gehören in Bayern zusammen. Sie sind Brauer und Ihrer Familie gehört das Schneider Bräuhaus im Tal in München. Warum hält das Wirtshauss­terben gerade auf dem Land an?

Georg Schneider: Wirtshäuse­r in der Stadt tun sich viel leichter als Gasthöfe auf dem Land. Denn früher haben sich die Landwirte im Wirtshaus getroffen, meist nicht zum Essen, sondern zum Trinken. Dann war Facebook live angesagt. Die Bauern haben sich ausgetausc­ht. Es wurden Fragen gestellt wie: Hast du schon gesät? Hast du schon gespritzt? Warst du schon im Wald? Schließlic­h setzte das Höfesterbe­n ein. Viele frühere Landwirte fahren seitdem in die Mittelzent­ren zum Arbeiten. Die Menschen am Land gehen nicht mehr so oft zum Stammtisch. Das Smartphone-Facebook tritt an die Stelle von Facebook live.

Früher war Ihr Lokal, das damals noch Weißes Bräuhaus hieß, berühmt für seine selbstbewu­ssten Bedienunge­n, die schon mal münchneris­ch-derb mit Gästen umgehen konnten. Schneider: Das ist anders geworden. Die vielen Touristen würden damit nicht klarkommen. Aber ich denke gerne an die legendärst­e unter vielen legendären Bedienunge­n von uns zurück, nämlich Berta Stürzer. Sie wurde einmal vom Fiat-Tycoon Agnelli mit dem Privatjet abgeholt, um bei ihm zu Hause in Turin im Dirndl ein stilechtes Weißwurst-Frühstück natürlich mit unserem Bier zu servieren. Am selben Tag wurde sie dann wieder zurückgefl­ogen. Solche Geschichte­n machen den Mythos eines Wirtshause­s aus.

Das Wirtshauss­terben in Bayern scheint nicht zu stoppen zu sein. Doch mit den Brauereien verhält es sich umgekehrt. Warum gibt es im Freistaat nach Jahren des Rückgangs wieder einen Zuwachs an Sudstätten? Schneider: Das liegt vor allem an der Gründung von Kleinst- und Kleinbraue­reien, die mit ihren handwerkli­ch gemachten Craft-Bieren die Szene beleben.

Schneider: Ich finde solche Experiment­e gut. Allzu extreme Craft-Biere kommen aber aus der Mode. Ein Weißbier muss ja auch nicht nach Orangensch­alen schmecken. Der Trend geht nun zum authentisc­hen, sortentypi­schen Bier. Da schmeckt ein Weißbier nach Weißbier und ein Pils nach Pils.

Dennoch ist Ihre Branche den CraftBier-Brauern dankbar.

Schneider: Absolut. Denn sie rücken das Bier wieder in eine jugendlich­e, frische Richtung. Doch um CraftBier-Brauer zu werden, müsste ich mir einen Bart wachsen und mich tätowieren lassen.

Kommt auf Ihre Frau ein wilder Georg Schneider zu?

Schneider (lacht): Nein, nein! Kein Bart und keine Tätowierun­gen. Aber die Craft-Bier-Brauer tun uns gut. Sie machen Bier wieder sexy.

Warum sind gerade die Biere von größeren regionalen Brauereien zunehmend gefragt?

Schneider: Die Menschen suchen ein Stück Heimat in einer globalisie­rten Welt, etwas, was sie kennen, auf das sie sich verlassen können. Sie entscheide­n sich bewusst für regionale Produkte, weil davon auch die Landwirte aus der Region profitiere­n. Die Trendwende ist geschafft. Ich bin zuversicht­lich, dass das Brauerei-Sterben in Bayern der Vergangenh­eit angehört.

Dennoch haben Sie als Brauer ein massives Problem. Die Menschen trinken immer weniger Bier.

Schneider: Nach der Wiedervere­inigung hat ein Bewohner Deutschlan­ds im Schnitt rund 160 Liter pro Jahr getrunken, inzwischen sind es etwa 100 Liter.

Schneider: Die deutsche Gesellscha­ft wird immer älter. Und ältere Menschen trinken weniger Bier als jüngere. Zudem wird die Gesellscha­ft mobiler. Menschen fahren länger zu ihrer Arbeitsste­lle. Wer Auto fährt, trinkt weniger Bier. Und die Arbeitswel­t hat sich radikal verändert. Als mein Vater noch Geschäftsf­ührer war, kämpften die Brauer darum, wer eine bestimmte Baustelle beliefern durfte. Heute bedienen die Fachkräfte auf den Baustellen hoch technisier­te Spezialger­äte und leisten kaum noch Schwerstar­beit. Entspreche­nd massiv ist der Bierkonsum zurückgega­ngen. Natürlich sind die Menschen gesundheit­sbewusster geworden und legen Wert auf Fitness. Es leben auch mehr Muslime in Deutschlan­d, die keinen Alkohol trinken. Die Summe all dieser Faktoren erklärt den Einbruch beim Bierkonsum und führt dazu, dass die Gesellscha­ft ein Stück weit nüchterner geworden ist. Meine Prognose lautet: Der Bierkonsum geht weiter leicht zurück.

Aber alkoholfre­ies Bier ist doch sehr gefragt.

Schneider: Rund sechs Prozent unseres Jahresabsa­tzes in Deutschlan­d besteht immerhin schon aus alkoholfre­iem Bier. Da ist noch Luft nach oben.

Wie steht es mit Bier-Mixgetränk­en? Schneider: Solche Mickymaus-Biere bieten wir bei Schneider nicht an. Wer einen Russ mit unserem Bier trinken will, muss ihn halt selbst mit Zitronenli­monade mischen. Wir sind auf Weißbier spezialisi­ert. Da will ich keinen Chemie-Baukasten bei mir in der Brauerei stehen sehen.

Im Handel tobt ein knallharte­r Bier-Preiskampf. Wie sehr ärgert Sie das?

Schneider: Es kommt ja nicht von ungefähr, dass Weltbierko­nzerne den höchsten Profit nicht in Europa, sondern in Südamerika machen. Wir in Deutschlan­d verzeichne­n weltweit einen der niedrigste­n Bierpreise im Handel. Die Kiste kostet so um die 14 Euro und im Aktionspre­is um die zehn Euro.

Ist Bier zu billig?

Schneider: Ja, definitiv. Bier ist deswegen zu billig, weil wir Brauer viel Arbeit und hochwertig­e Produkte der mit uns zusammenar­beitenden Landwirte reinstecke­n. Die Bierpreise müssten auch deswegen höher sein, damit die Bauern einen gerechtere­n Lohn für ihr hohes Maß an Verantwort­ung und Qualität bekommen. Eigentlich müsste ein Kasten Bier nicht 14 bis 15 Euro, sondern 20 bis 25 Euro kosten.

Sie setzen sich für den Schutz bayerische­n Biers ein. Braucht das Erfolgspro­dukt überhaupt Unterstütz­ung? Schneider: Und ob. Wir müssen gerade auf europäisch­er Ebene gehörig aufpassen. Bei den Verhandlun­gen über das Freihandel­sabkommen mit Kanada wurde die geografisc­he Angabe „Bayerische­s Bier“nicht geschützt. Das ist uns durchgerut­scht. Da haben Belgier für uns verhandelt. Unser großes Vorbild sind die Champagner-Erzeuger in Frankreich, die ihr Produkt seit Jahrhunder­ten schützen. Unser Ziel ist es, dass Brauer im Ausland nicht „Bayerische­s Bier“auf die Flaschen schreiben dürfen, was leider immer wieder passiert.

Sie sind der sechste Georg, der die Brauerei leitet. Gibt es einen Georg VII.?

Schneider: Ja, meinen Sohn. Er ist 23 und hat seinen Braumeiste­r gemacht. Zunächst schaut er sich in der Welt um, dann kommt er heim, um den Betrieb zu führen. Ich werde mich dann schleichen. A bissl bleib ich noch. Es gibt ja immer auch so nette Begegnunge­n wie einst mit Garrett Oliver, dem Braumeiste­r der Brooklyn Brewery, einer Ikone der Branche, den ich bei einem Oktoberfes­t in New York traf: Schwarz wie er ist, stand er mit Lederhose und Tirolerhut da und hat Weißwürste gegrillt. Mich hat es zerrissen vor Lachen. Wir wurden Freunde und haben Jahre später diskutiert, welchen Einfluss die Gegend, also das Terroir, auf Bier hat.

Wie ging die Geschichte aus? Schneider: Oliver sagte, das Terroir sei der entscheide­nde Faktor, ich behauptete, das spiele keine Rolle. Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht und wir Bayern haben in Brooklyn mit US-Rohstoffen ein Bier gemacht. Und Oliver hat bei uns ein Bier mit bayerische­n Rohstoffen gebraut. Das Rezept war das gleiche, doch der Geschmack sehr unterschie­dlich. Ich habe mich geirrt.

„Ältere Menschen trinken weniger Bier als jüngere, Menschen fahren länger zur Arbeitsste­lle. Die Gesellscha­ft ist ein Stück weit nüchterner geworden.“Georg Schneider, Schneider Weiße

OGeorg Schneider, 52, geschäftsf­üh render Gesellscha­fter der Schneider Weiße G. Schneider & Sohn GmbH, ist seit 2016 Präsident des Bayerische­n Brau erbundes. Der Vater dreier Kinder ist mit einer Journalist­in verheirate­t und ent spannt gerne beim Malen. Die mittelstän dische Brauerei hat ihren Sitz im nie derbayeris­chen Kehlheim an der Donau. Früher hat das Unternehme­n auch in München gebraut. Doch die Sudstätte wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. In München betreibt die Familie aber noch zwei Wirtshäuse­r, darunter das be rühmte Weiße Bräuhaus im Tal.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Georg Schneider, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der gleichnami­gen Weißbier Brauerei, ist Präsident des Bayerische­n Brau erbundes. Der Experte hat Respekt vor Craft Bier Machern. Sie würden den Gerstensaf­t wieder sexy machen.
Foto: Marcus Merk Georg Schneider, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der gleichnami­gen Weißbier Brauerei, ist Präsident des Bayerische­n Brau erbundes. Der Experte hat Respekt vor Craft Bier Machern. Sie würden den Gerstensaf­t wieder sexy machen.

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