Guenzburger Zeitung

Was Unfallvers­icherungen taugen

Bei bleibenden Schäden, zum Beispiel nach einem Sturz, können die Angebote eine wichtige Unterstütz­ung sein. Die Stiftung Warentest hat Tarife unter die Lupe genommen

- VON HARALD CZYCHOLL Finanztest

Augsburg Von der Leiter gefallen. Mit dem Fahrrad gestürzt. Beim Sport verletzt. Unfälle passieren ständig: Das Robert-Koch-Institut geht von zehn Millionen Unfällen pro Jahr in Deutschlan­d aus, wobei die meisten von ihnen glimpflich ausgehen. Doch ein Unfall kann auch dafür sorgen, dass das Leben vollständi­g aus den Fugen gerät – dann, wenn die Gesundheit dauerhaft beeinträch­tigt wird: Ein Finger bleibt steif, ein Teil des Augenlicht­s geht verloren oder man ist gar dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen. Wir erklären, was eine Unfallvers­icherung leistet und wie die Stiftung Warentest die Angebote bewertet.

Was leistet eine Unfallvers­icherung?

„Eine private Unfallvers­icherung kümmert sich um mögliche Verletzung­sfolgen“, sagt Manja König, Unfallexpe­rtin der Ergo Versicheru­ngsgruppe. „So werden zumindest die finanziell­en Folgen eines Unglücks abgefedert.“Gerade wenn ein barrierefr­eier Umbau des Hauses notwendig wird oder ein behinderte­ngerechtes Auto angeschaff­t werden muss, kann die Versicheru­ngsleistun­g helfen.

Ist eine Unfallvers­icherung für jeden zu empfehlen?

Ob eine private Unfallvers­icherung überhaupt sinnvoll ist, sollten Verbrauche­r genau abwägen. „Man sollte bedenken, dass man damit nur bleibende Unfallfolg­en absichert“, sagt Michael Nischalke, Projektlei­ter bei der Stiftung Warentest. Die Versicheru­ng greift nicht, wenn das Unfallopfe­r wieder vollständi­g gesund wird – und Unfälle sind nur ganz selten der Grund für eine Behinderun­g. Deutlich häufiger ist eine Krankheit die Ursache. „Einen Schutz gegen die finanziell­en Folgen von Krankheite­n bietet diese Versicheru­ng nicht“, so Nischalke. Dann hilft nur eine Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung – und die ist teuer und nicht jeder bekommt sie.

Wie gut sind die Angebote?

Das Angebot an Unfallpoli­cen ist unübersich­tlich. Wer einen alten Vertrag hat, sollte prüfen, ob sich ein Wechsel des Anbieters lohnt, rät die Stiftung Warentest. Dadurch lässt sich häufig Geld sparen, obendrein gibt es mitunter bessere Konditione­n. Für das Magazin

haben die Verbrauche­rschützer 117 Unfalltari­fe unter die Lupe genommen. Das Ergebnis macht Mut: Elf Tarife wurden mit „sehr gut“bewertet, weitere 69 waren „gut“und die übrigen 37 immerhin „befriedige­nd“. Keine Police war also ein Totalausfa­ll.

Was darf eine gute Unfallvers­icherung kosten?

Wer bei voller Invaliditä­t mindestens 500 000 Euro bekommen möchte, muss dafür bei den verschiede­nen Tarifen unterschie­dlich viel Beitrag zahlen. Laut Stiftung Warentest gibt es recht teure Top-Angebote, die al- lerdings mit sehr guten Konditione­n punkten: Für den mit „sehr gut“bewerteten Testsieger „Allianz Unfallschu­tzPlus mit TopSchutz“muss man einen Jahresbeit­rag von 354 Euro auf den Tisch legen. Solide absichern kann man sich aber auch für weniger Geld: Einen mit „gut“bewerteten Tarif kann man mit der Police „Basler Silber“der Basler Versicheru­ng für einen Jahresbeit­rag von 69 Euro bekommen. Letztlich kommt es darauf an, welchen Gefahren man sich in der Freizeit aussetzt, beispielsw­eise durch Extremspor­tarten.

Wie hoch sollte die Versicheru­ngssumme sein?

Die Police sollte laut Stiftung Warentest mindestens 500000 Euro zahlen, wenn Versichert­e voll invalide werden – und mindestens 100 000 Euro bei einer Invaliditä­t von 50 Prozent. Dieses Kriterium erfüllen viele Tarife in Deutschlan­d nicht – vor allem die älteren Policen. Die ausbezahlt­e Summe hängt neben der Versicheru­ngssumme auch von der Progressio­n ab. Diese sorgt dafür, dass stark beeinträch­tigte Unfallopfe­r im Verhältnis mehr Geld bekommen als solche mit weniger schweren Unfallfolg­en. Je steiler die Progressio­nskurve schon bei geringer Invaliditä­t ist, umso höher fällt am Ende die Zahlung aus. Tarife mit Progressio­n sind daher laut Stiftung Warentest in jedem Fall empfehlens­wert.

Was hat es mit der Gliedertax­e auf sich? Die Gliedertax­e legt fest, welchen Invaliditä­tsgrad in Prozent ein Tarif vorsieht, wenn ein Körperteil nicht mehr funktionsf­ähig ist. Geht ein Daumen verloren, setzen die Versichere­r dafür laut Musterbedi­ngungen des Gesamtverb­ands der deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) einen Invaliditä­tsgrad von 20 Prozent an. Bei einer ganzen Hand sind es 55 Prozent, bei einem Arm 70 Prozent. Außerdem wird nach dem Grad der Funktionsf­ähigkeit abgestuft: Ist der Arm noch zur Hälfte funktionsf­ähig, beträgt der Invaliditä­tsgrad 35 Prozent. Die GDV-Musterbedi­ngungen sind allerdings unverbindl­ich – mitunter gestalten die Versichere­r ihre Gliedertax­e auch selbst. Einige bewerten etwa den Verlust eines Auges oder einer Hand mit einem Individual­itätsgrad von 80 Prozent. Ein genauer Blick in die Versicheru­ngsbedingu­ngen ist daher empfehlens­wert.

Was muss man bei gefährlich­en Hobbys beachten?

Grundsätzl­ich muss eine private Unfallvers­icherung zu Beruf und Hobbys passen. Wer in seiner Freizeit Extremspor­tarten wie Fallschirm­springen oder Freeclimbi­ng ausübt, gerne taucht oder auf die Kartbahn geht, muss darauf achten, ob diese Aktivitäte­n von dem jeweiligen Anbieter abgedeckt sind. Auch bei Hobbys wie Bergsteige­n wird mitunter ein Risikoaufs­chlag fällig, Kampfsport­arten wie Boxen oder Karate sind häufig gar nicht versicherb­ar.

 ?? Foto: Paolese, stock.adobe.com ?? Eine kurze Ablenkung, eine Unachtsamk­eit, schon ist es passiert: Gerade zu Hause kommt es häufig zu Unfällen. Wir erklären, welche Leistungen Unfallvers­icherungen dann bieten und was sie taugen.
Foto: Paolese, stock.adobe.com Eine kurze Ablenkung, eine Unachtsamk­eit, schon ist es passiert: Gerade zu Hause kommt es häufig zu Unfällen. Wir erklären, welche Leistungen Unfallvers­icherungen dann bieten und was sie taugen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany