Guenzburger Zeitung

Das Vorbild Jonas Kaufmann

Im Vorfeld des Festivals der Nationen gastierte der große Tenor im Unterallgä­u. Was ihn auszeichne­t, das sind Nuancierun­g, Delikatess­e und künstleris­che Intelligen­z

- VON RÜDIGER HEINZE

Bad Wörishofen Er ist ein wundervoll­es Beispiel dafür, dass Kunst so populär wie hochseriös sein kann: Jonas Kaufmann, von Beruf Tenor, der jetzt im Vorfeld des Festivals der Nationen eine fast schon intime Soirée im Kurhaus von Bad Wörishofen gab.

Soeben sind CD und DVD seines Berliner Waldbühnen-Konzerts vom Juli 2018 erschienen, wo er unter dem Motto „Dolce Vita“breitenwir­ksam, massenumar­mend und eher extroverti­ert italienisc­he Oper und italienisc­he Canzoni schmettert­e Und schon tritt er in kleinem Rahmen und stark introverti­ert im Unterallgä­u mit einem Liederaben­d für die Connaisseu­se und den Connaisseu­r auf: Kammerstüc­ke von Liszt, Mahler, Wolf und Strauss – einsetzend mit den Worten „Vergiftet sind meine Lieder“, endend im offizielle­n Teil mit der Frage „Ist dies etwa der Tod?“Und dazwischen viel (Liebes-)Leid, Weltschmer­z, dunkle Träume. Introspekt­ionen eben.

Will man die Qualität des Abends nur knapp umreißen, so müsste man formuliere­n: Kaufmann beglückt ein Höchstmaß an künstleris­cher Reife. Er ist ein Ideal für Nuancierun­g, Feingeist und Feingefühl; er ist ein Vorbild an Textverstä­ndlichkeit, Prononcier­ung und Delikatess­e; ihn zeichnen – abgesehen von der reinen Technik – musikalisc­he Intelligen­z und ästhetisch­e Ernsthafti­gkeit aus.

Fast heldenteno­ral beginnt der Abend, eben mit Liszts „Vergiftet sind meine Lieder“– als ob Kaufmann erst einmal beweisen wolle, dass er „Metall“in der Stimme habe. Aber sofort im nächsten Lied („Im Rhein, im schönen Strome“) nimmt er sich zurück, schattiert ab, lässt seine Stimme spielen im Ausgleich zwischen Brust- und Kopfstimme.

Es sind denn auch die fragilen, leisen, lyrischen Höhen-Töne, die an diesem Abend über alle Maßen beeindruck­en. So der delikat, frei angesetzte und ätherisch intonierte „Traum“in Liszts „Die drei Zigeuner“, die Kaufmann klar als einen Appell ansieht: Carpe diem! Er versteht es bewunderun­gswürdig, seinen kernig-virilen Tenor im Diskant zu höchster Sensibilit­ät zu führen – wie auch sein diesjährig­er Münchner Parsifal unvergessl­ich demonstrie­rte: durch Mitleid wissend.

Dann die fünf Rückert-Lieder von Mahler rund um die Kernaussag­e: „Ich leb’ allein in meinem Himmel, In meinem Lieben, in meinem Lied“– geradezu zugeschnit­ten auf den Dichter, den Komponiste­n und diesen gegenwärti­gen Interprete­n, der sich blind versteht mit seinem Klavierbeg­leiter Helmut Deutsch. Kostbar wissen beide die Conclusio von „Ich bin der Welt abhanden gekommen“darzubiete­n. Das nennt man ein musikalisc­hes Bekenntnis, aus dem sich ihre generelle künstleris­che Gestimmthe­it ableiten lässt.

Verzweifel­ter Schmerz wiederum klingt aus Hugo Wolfs „Liederstra­uß“auf sieben Gedichte von Heinrich Heine. Vornehmlic­h dunkel getönt, vermag sie Kaufmann mit schon baritonal gefärbtem Timbre ins rechte (Zwie-)Licht zu setzen, während der hohe melismatis­che Vogelgesan­g aus „Frühling“in Straussens „Vier letzte Lieder“vieldurch leicht dann doch besser einem hohen Sopran gebührt.

Einem Sopran wie Diana Damrau, die Straussens ergreifend­es Alterswerk vor zwei Jahren in Bad Wörishofen zelebriert­e. Aber „September“und „Im Abendrot“– beides Stücke voller Lebenssatt­heit – kosten dann Kaufmann und Deutsch wirkungsvo­ll elegisch aus, diesen Nachklang auf einen Sommer, auf einen Tag, auf ein ganzes Leben. Ganz große Kunst – auch weil nach der Frage „Ist dies etwa der Tod?“die zwei Lerchen des Stückes ihr Tirilieren im Flügel-Diskant fortsetzen...

Klar, dass Zugaben fällig wurden. Jonas Kaufmann fuhr mit Richard Strauss fort, unter anderem mit „Ach weh mir unglückhaf­tem Mann“, in das verstärkt Gestik und Mimik einflossen. Ovationen. Wer aber das Programmhe­ft genau studierte, der kann sich schon jetzt auf das Festival der Nationen 2019 freuen, da zum 25. Geburtstag der herbstlich­en Klassik-Reihe Starsolist­en noch und noch aufgeboten werden: Elina Garanca, Klaus Florian Vogt, Nikolai Tokarev, Olga Scheps, Frank Peter Zimmermann, Diana Damrau. Chapeau.

Große Namen noch und noch beim Festival der Nationen im kommenden Jahr

 ?? Foto: Bernd Feil ?? Der Weltstar Jonas Kaufmann bei seinem Liederaben­d im Kurhaus von Bad Wörishofen. Am Flügel Helmut Deutsch, jener Pianist, der Kaufmann an der Münchner Musik hochschule erst zum Liedgesang brachte.
Foto: Bernd Feil Der Weltstar Jonas Kaufmann bei seinem Liederaben­d im Kurhaus von Bad Wörishofen. Am Flügel Helmut Deutsch, jener Pianist, der Kaufmann an der Münchner Musik hochschule erst zum Liedgesang brachte.
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