Wer bezahlt die G9 Reform?
Reihenweise Gymnasien müssen ausgebaut werden, um einen weiteren Jahrgang aufzunehmen. Und es braucht mindestens 1000 neue Lehrer. Doch die Finanzierung ist noch offen
Augsburg Das neunstufige Gymnasium in Bayern ist zurück – das gilt ganz offiziell, seit Bayerns Gymnasiallehrer nach den Ferien ihre Klassenzimmer aufgesperrt haben. Reihenweise Schulen werden zusätzliche Räume brauchen, wenn ein Jahrgang mehr die Schulflure bevölkert. Die steigenden Schülerzahlen sind vor allem in Städten ein Problem: Eine wachsende Metropole wie München braucht voraussichtlich sogar zusätzliche, neue Schulen.
Im Frühjahr hatten Experten des Kultusministeriums die Baukosten auf bayernweit einmalig 500 Millionen Euro geschätzt, um die Schulgebäude für den Zusatz-Jahrgang fit zu machen. Bayerns Städte und Landkreise rechneten mit mindestens 600 Millionen Euro.
Wer soll das bezahlen? Diese Frage ist nach Recherchen unserer Redaktion auch eineinhalb Jahre nach dem Beschluss der Schulreform im April 2017 nicht geklärt. Die Kommunen, eigentlich für Baumaßnahmen an den Schulgebäuden zuständig, weigern sich, ihr Geld zu geben. Schließlich haben sie die Reform nicht beschlossen. Sie argumentieren mit dem sogenannten Konnexitätsprinzip: „Wer anschafft, muss bezahlen“, sagt Bernd Buckenhofer, Geschäftsführer des Bayerischen Städtetags – egal, ob es um die Bau- geht, das Gehalt zusätzlich notwendiger Lehrer oder darum, wer die tägliche Busfahrt der Schüler zum Unterricht zahlt.
Bayerns Kultusminister Bernd Sibler (CSU) versuchte am Montag zu beschwichtigen: „Wir verstehen natürlich, dass die Kommunen möglichst schnell Planungssicherheit haben wollen.“Doch ein gewissenhaftes Vorgehen sei „absolut notwendig“, schließlich müsse die Einigung über viele Jahre hinweg bestehen. Außerdem sei den Kommunen bereits zugesichert worden, dass die Kosten für die Baumaßnahmen, die für das G9 notwendig werden, übernommen werden. Aber ist dann nicht alles klar?
Ganz und gar nicht. Denn was die sogenannten G9-bedingten Kosten umfassen, dazu gibt es im Städtetag und im Kultusministerium recht unterschiedliche Ansichten. Wie viel kostet ein Quadratmeter Neubau? Viel mehr als vom Kultusministerium kalkuliert, bemängelte der Spitzenverband, kurz nachdem die Reform beschlossen worden war. Würden die Schülerzahlen auch ohne die Schulreform steigen? Definitiv, argumentiert man im Kultusministerium. Denn: Die Städte wachsen, die Geburtenraten steigen, auch ohne G9 gäbe es also in Zukunft mehr Schüler. Wie viele nun kommen, weil ihnen das neunstufige Gymnasium so gut gefällt und wie viele durch den demografischen Wandel – das auszurechnen, bringt die Statistiker auf beiden Seiten des Tisches an ihre Grenzen.
Ein Streitpunkt sind auch die Personalkosten. An den staatlichen Schulen im Freistaat werden bis zum Schuljahr 2025/2026 – wenn es zum ersten Mal wieder eine 13. Klasse gibt – 1000 neue Lehrer eingestellt. Ihr Gehalt übernimmt der Freistaat: etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Die Städte fordern nun, dass der Staat auch die Löhne der Extra-Kräfte an städtischen Schulen komplett zahlt – und nicht nur zur Hälfte, wie es derzeit ist.
Die Interessenswahrer der Städte haben inzwischen Post aus dem Ministerium bekommen: Darin ist beschrieben, wie das Schulministerium sich die finanzielle Aufteilung vorstellt. Städtetags-Geschäftsführer Buckenhofer erklärt bereits jetzt: Der Entwurf des Kultusministeriums sei „leider unzureichend“. Sollte der Freistaat das Konnexitätsprinzip nicht einhalten, „dann steht den betroffenen Städten als letztes Mittel notfalls der Klageweg offen“. Die Unsicherheit, sagt er, „geht voll zulasten der Kommunen“. Ohne finanzielle Zusagen gebe es keine Plakosten nungssicherheit – so wie etwa am neuen Meringer Gymnasium im Kreis Aichach-Friedberg: Dort bewegte sich auf der Baustelle monatelang nichts, als noch nicht klar war, ob die Schulreform kommt. Jetzt wurden die Baupläne um drei Klassenzimmer erweitert. Der Landkreis Aichach-Friedberg übernahm vorläufig die Zusatzkosten. Landrat Klaus Metzger (CSU) forderte das Ministerium bereits zweimal auf, die Mehrausgaben – einige hunderttausend Euro – zu übernehmen. Eine Zusage hat er nicht.
Die Statistiker geraten an ihre Grenzen