Gute Ernte?
Was im Landkreis alles angebaut wird. Wie es im Supersommerjahr 2018 für die Bauern gelaufen ist. Und welches Ziel Stephan Bissinger, der Kreisobmann des Bauernverbandes, weiter hartnäckig verfolgt
Ichenhausen Zu der Aussage lässt er sich dann doch noch hinreißen: „Es ist eine leicht unterdurchschnittliche Ernte. Aber über alles hinweg können wir mit dem Jahr zufrieden sein“, zieht Stephan Bissinger, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) eine erste Gesamtbilanz. Noch werden die letzten Kartoffeln aus den Äckern maschinell im Akkord gezogen. Bissinger ist da schon einen Schritt weiter, hat die Ernte dieser Ackerfrucht vor knapp einer Woche beendet. Allein auf seinem Hof lagern derzeit 800 Tonnen Kartoffeln, die er im Prinzip schon verkauft hat. Weitere Lagerstätten sind auch gefüllt. Jetzt kommen die Zuckerrüben an die Reihe. Bis Mitte November sollten die Rüben, die der Zuckergewinnung dienen, gerodet sein, sonst könnte der Frost das verhindern.
Bissinger weiß freilich auch, dass ein pauschales Urteil über „die Ernte“in der Landwirtschaft kaum möglich ist, zu unterschiedlich sind die Bedingungen für die verschiedenen Nahrungsmittel, die angebaut werden. Die Obstbauern sind ein gutes Beispiel dafür: Während im vergangenen Jahr ein später Aprilfrost die Apfelernte fast vollständig zunichtemachte, hängen heuer so viele prächtige Äpfel an den Ästen, das nicht wenige unter der Last des Gewichts abgebrochen sind.
Wie die Ernte letztlich ausfällt, ist nicht nur eine Frage der Sonnenscheindauer und der Niederschlagsmenge. Auch die Frage des Standortes, so der Kreisobmann, sei nicht zu vernachlässigen. Wenn eine geringe Niederschlagsmenge auf einen leichten, also beispielsweise kiesigen Boden trifft, sind das schlechte Bedingungen, weil der Untergrund – anders als bei einem lehmigen Boden – das Wasser durchlässt und nicht speichern kann.
Noch bis 30. September läuft die bundesweite Aktion „Wir machen die Ernte – für Deinen Genuss“: Unter diesem Motto stehen die Aktionen des Bauernverbandes in über 30 deutschen Städten. Bäuerinnen und Bauern laden Verbraucher dazu ein, auf den Geschmack von regionalen Lebensmitteln zu kommen.
Im Kreis Günzburg ist eine solche Aktion in diesem Monat allerdings nicht vorgesehen gewesen. Sind die Verbraucher in größeren Städten doch viel weiter von der Landwirtschaft entfernt als die Menschen, die in einer ländlich geprägten Region leben? Bissinger verneint – und will da keinen großen Unterschied sehen. „Auch bei uns wissen viele Leute nicht genau, woher unsere Nahrung kommt und wie sie erzeugt wird. Der Bezug zur Landwirtschaft ist verloren gegangen.“
Deshalb hält er die Initiative des Deutschen Bauernverbandes und seiner Landesverbände für „absolut sinnvoll“. Im Landkreis habe er bereits in der ersten Junihälfte das Angebot gemacht, unmittelbar zu erfahren, was im Boden wächst und welche Bedeutung Weizen, Mais und Co. haben. Die Erfahrung damals war durchaus wörtlich zu nehmen. Die Felder rund um Ichenhausen wurden per Fahrrad erkundet. Diese „Tour de Flur“war allerdings eher ein Flop – jedenfalls, was die Resonanz anbelangt. Nicht einmal zwei Dutzend Personen nahmen daran teil – und einige davon waren Bekannte des Bauern.
Auch so etwas muss wachsen, weiß der Landwirt. „Ich lasse mich von der Resonanz dieses Mal jedenfalls nicht entmutigen.“Bereits bei seinem Antritt als Obmann zu Beginn des vergangenen Jahres hat Bissinger eines seiner Leitziele formuliert: Er will Bauern und Verbraucher zusammenbringen. „Dafür müssen vor allem auch die Landwirte aktiv werden“, sagt er.
Wie das gehen kann, zeigt der Verein „Unsere Bayerischen Bauern“, den es seit zwei Jahren gibt und der nach eigener Darstellung als „kompetenter Förderer und Fürsprecher“der Landwirte im Freistaat auftritt. Die koordinierte Imagekampagne läuft vor allem über die sozialen Medien, wo in Videos Landwirte Fragen zu kritischen Themen beantworten und auf Vorurteile reagieren; wo eine Bloggerin hinter die Bauernhof-Kulissen schaut; und wo mithilfe von LiveCams den Rindern bei der Bürstenmassage oder – für Geduldigere – den Tomaten beim Reifen zugeschaut werden kann.
Fast 1200 Bauernhöfe gibt es im Landkreis Günzburg. Die Landwirte, betont Kreisbäuerin Marianne Stelzle, blicken schon wieder voraus in das kommende Jahr. So wurden unmittelbar nach der Getreideernte die Zwischenfrüchte, aber auch der Winterraps wie die Wintergerste ausgesät. Wer über das Land fährt, wird jetzt wieder gelb, lila oder weiß blühende Flächen sehen. Hier blühen Senfe oder auch Phacelia, die als Zwischenfrucht für ein gutes Bodengefüge sorgen und nebenbei auch als Nahrungsquelle für Honigund Wildbienen wie auch für eine Vielzahl anderer Insekten dienen.
Gerade jetzt, wo in den Gärten fast nichts mehr blüht, helfen die Bauern den Insekten, genügend Vorräte für den Winter horten zu können, stellt die Kreisbäuerin fest, die mit ihrem Mann in Reisensburg einen Bauernhof bewirtschaftet.
Nicht nur auf den Wiesen, Feldern und Gewächshäusern im Kreis wachsen Nahrungsmittel. Auch in den Ställen werden Eier, Milch und Fleisch erzeugt, sagt BBV-Geschäftsführer Matthias Letzing. „Es ist einfach toll zu sehen, was es bei uns alles gibt, ohne den Globus einmal umrundet haben zu müssen.“