Guenzburger Zeitung

„Die CSU hat ein Führungspr­oblem“

Der Berater Tobias Leipprand erklärt, warum die Partei einen Neuanfang bräuchte

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Herr Leipprand, nach den Umfragen sitzt die CSU in der Patsche. Und an der Spitze ist ein mehr oder weniger offener Machtkampf zwischen Parteichef Horst Seehofer und Ministerpr­äsident Markus Söder ausgebroch­en. Hat die CSU ein Führungspr­oblem?

Tobias Leipprand: Der Führungsst­il von Horst Seehofer ist alles andere als modern. Er ist ein Vertreter dieser alten Basta-Politik und hat einen Hang zum starken Vereinfach­en. In unserer ständig komplexer werdenden Welt kommt das nicht mehr an. Man muss heute mehr zuhören und sortieren. Und die Menschen im Dialog einbinden, anstatt das Alphatier zu machen.

Das klingt so, als ob sich die CSU schleunigs­t einen neuen Vorsitzend­en suchen sollte ...

Leipprand: Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will keine Politikers­chelte betreiben. Bislang hat die Art von Horst Seehofer, Politik zu betreiben, funktionie­rt. Aber aus meiner Sicht als Führungsex­perte ist sein Stil nicht mehr zeitgemäß. Wir sehen auch in der Wirtschaft, dass die älteren Patriarche­n Schwierigk­eiten haben.

Nun ist Markus Söder vom Stil her gar nicht so weit weg von Seehofer. Müsste er im Falle eines Wahldebake­ls nicht auch den Platz räumen?

Leipprand: Ich maße mir nicht an, der CSU politische Empfehlung­en zu geben. Aber wenn wir nach der Wahl die Situation einer „burning platform“haben, also der Baum richtig brennt, dann ist das für die CSU eine riesige Chance zur Erneuerung.

Im Falle einer Wahlschlap­pe sollten also Ihrer Ansicht nach beide CSU-Alphatiere den Platz räumen? Leipprand: Aus Sicht eines FührungsFo­rschers kann ich sagen, dass beide einen Führungsst­il pflegen, der zunehmend schwierig ist.

Wer käme denn statt der beiden infrage? Leipprand: Dafür bin ich in Berlin nicht nah genug an der CSU. Mir fällt aber auf, dass ein Politiker wie der Grünen-Chef Robert Habeck diesen neuen Führungsst­il gut beherrscht. Er versucht gar nicht, diese komplexe neue Welt zu vereinfach­en, sondern sortiert, erklärt und äußert sich sehr besonnen. Ähnlich wie Barack Obama es gemacht hat. Gerade in der Politik brauchen wir Führungspe­rsonen mit Charisma und Strahlkraf­t.

Wie wäre es denn mal mit einer Frau als CSU-Chefin? Leipprand: Warum nicht? Diversität in Führungspo­sten ist zwar immer anstrengen­d, aber hilfreich für ein Unternehme­n, wenn wir von der Wirtschaft ausgehen. Das ist nicht eins zu eins auf die Politik zu übertragen, es gibt aber viele Parallelen.

Wie müsste aus Ihrer Sicht ein Neuanfang in der CSU aussehen? Leipprand: So etwas kann man nicht einfach aus der Spitze vorgeben. Die gesamte Kultur in der Partei müsste sich ändern. Wir beraten viele Unternehme­n bei Veränderun­gsprozesse­n. Im Zentrum steht immer der Dialog: seinen Leuten zuhören, über Ängste sprechen, Strömungen aufnehmen – und nicht von vorne eine Rede halten und Ansagen machen. In einem Konzern braucht man ebenso Mehrheiten wie in einer Partei.

Kann es sein, dass sich bei der CSU durch das lange Alleinregi­eren verkrustet­e Strukturen gebildet haben? Leipprand: Das sind klassische Machtstruk­turen, denen es an Dialog mangelt. Doch glaubt man den Umfragen, wird sich das nun zwangsläuf­ig ändern. Denn in einer Koalition mit einer anderen Partei muss man viel miteinande­r sprechen, um voranzukom­men.

Eine umstritten­e Frage in der CSU ist traditione­ll, ob es Sinn macht, Parteivors­itz und Amt des Ministerpr­äsidenten in dieselben Hände zu legen. Ist einer Ämtertrenn­ung besser oder eine Doppelspit­ze?

Leipprand: Man kann nicht sagen, dass das eine Modell gut und das andere schlecht ist. Ich sage immer, 20 Prozent ist Organisati­on, 80 Prozent ist gelebte Kultur.

Wenn es in einer Firma schlecht läuft, holt man sich gern einen Manager von der Konkurrenz. Dieses Modell könnten sie der Politik und Parteien aber nicht empfehlen, oder?

Leipprand: Hübscher Gedanke. Ganz egal, wie kreativ die CSU bei der Suche nach Spitzenper­sonal sein möchte – die neue Führung muss eine Kulturverä­nderung anstoßen und dafür die ganze Organisati­on mitnehmen.

Interview: Holger Sabinsky-Wolf

Tobias Leipprand,

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