„Wer nichts getan hat, wird nicht überwacht“
Der aus Krumbach stammende bayerische GdP-Vize, Peter Pytlik, spricht über die drängendsten Sorgen der Polizei, über die Vorteile des neuen Polizeiaufgabengesetzes in Bayern und das Sicherheitsgefühl der bayerischen Bürger
Herr Pytlik, die innere Sicherheit ist eines der zentralen Themen im Landtagswahlkampf. Wie steht es Ihrer Ansicht nach um die Sicherheit der bayerischen Bürger?
Peter Pytlik: Bayern ist nachweislich das sicherste Bundesland mit der höchsten Aufklärungsquote bei Straftaten. Und das schon seit vielen Jahren. Man muss anerkennen, dass hier die Politik das Personalproblem bei der Polizei erkannt hat, und zwar schon seit dem Jahr 2016 und jetzt gegensteuert. Beginnend im vergangenen Jahr werden bis 2023 in Bayern 3500 zusätzliche Stellen bei der Polizei geschaffen. Kein anderes Bundesland hat diese Personalaufstockung so betrieben, wie Bayern – nicht zuletzt auf Betreiben der GdP. Die Weichen sind gestellt, jetzt muss man schauen, wie das über das Jahr 2023 hinaus weiterverfolgt wird.
Bayern steht in Sicherheitsfragen gut da. Die objektive Sicherheitslage und das subjektive Sicherheitsgefühl vieler Bürger sind dabei aber nicht immer deckungsgleich.
Pytlik: Das Sicherheitsgefühl der Bürger ist ein entscheidender Punkt. Es nützt nichts, schöne Kriminalstatistiken zu präsentieren. Was bringt das jemandem, dessen Haus von Einbrechern heimgesucht worden ist. Das Sicherheitsgefühl hat sehr viel mit Polizeipräsenz zu tun. Die Sicherheitswacht ist dabei sicherlich eine Ergänzung, kann die Polizei aber nicht ersetzen. Private Bürgerwehren brauchen wir überhaupt nicht.
Als stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Bayern wissen Sie am ehesten, wo die Beamten derzeit der Schuh am ärgsten drückt. Pytlik: Am ärgsten drückt definitiv das Personalproblem. Die Polizei ist bei Ereignissen wie etwa in Chemnitz nicht fachlich überfordert, sondern immer personell. Deutschlandweit fehlen an einsatzreichen Wochenenden 30 Hundertschaften.
Im Zuständigkeitsbereich des Präsidiums
Schwaben Süd/West fehlen aktuell etwa 200 Polizisten – nicht Stellen, Köpfe – die die Arbeit machen. Das Personalproblem können wir durch die zusätzlichen Neueinstellungen sukzessive lindern. 2019 wird es schon leicht besser werden. Es wird sich aber sicherlich bis in die 20er Jahre hineinziehen, bis wir wieder auf einem zufriedenstellenden Niveau sind. Die 72 000 Überstunden, die die Kollegen im Bereich des Präsidiums angehäuft haben, werden trotzdem nicht so schnell abgebaut werden können.
Wir haben so viele Polizeibeamte wie noch nie zuvor, gleichzeitig müssen sie aber auch so viele Aufgaben wie nie zuvor bewältigen. Gibt es nicht auch Möglichkeiten, die Polizeibeamten zu entlasten?
Pytlik: Die gibt es. Ich frage schon seit Jahren, ob Polizeibeamte unbedingt einen Schwertransport begleiten müssen. Aber auch bei den Schreibarbeiten gäbe es Möglichkeiten der Entlastung. Das ist allerdings eine politische Frage. Klar ist, wenn wir mehr Polizeibeamte einstellen, brauchen wir zusätzlich auch mehr Tarifbeschäftigte.
Sie gelten als Befürworter der umstrittenen Novellierung des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG). Kritiker stört an der Neuerung vor allem, dass die Schwelle für polizeiliches Eingreifen in einen vor-präventiven Bereich verlegt wird, der mit dem Begriff der „drohenden Gefahr“umschrieben ist. Sie fürchten, dass Bürger damit ohne hinlängliche Verdachtsmomente, etwa allein aufgrund von Äußerlichkeiten, zum Ziel polizeilicher Kontrollen oder Repressionen werden könnten. Wie rechtfertigen Sie diesen Eingriff in die Bürgerrechte des Einzelnen? Pytlik: Da steht doch gar nicht so viel Neues in diesem Gesetz drin. Es ist doch jetzt schon so, dass ein Polizist, wenn er aufgrund bestimmter Um- einen Verdacht schöpft, jemanden kontrollieren kann. Nach wie vor braucht die Polizei aber bei 99 Prozent der Eingriffe die Zustimmung eines Richters. Oft wird uns vorgeworfen, die Polizei greift zu spät ein. Das neue Gesetz ist vor allem eine Anpassung an neue Kriminalitätsund Terrorfelder. In der Debatte über das Gesetz wurden durch gefährliches Halbwissen oder auch durch gezielte Falschdarstellungen von einzelnen Parteien und auch Medien viele Dinge verbreitet, die so nicht stimmen. Ich finde die ganze Diskussion um das neue PAG nicht seriös und teilweise der bevorstehenden Landtagswahl geschuldet. Der normale Bürger wird von diesem Gesetz gar nichts merken.
Kehrt die Annahme, dass wer sich nichts zu Schulden hat kommen lassen, auch nichts zu befürchten habe, nicht die Unschuldsvermutung, einen zentralen Bestandteil unserer Rechtsauffassung, ins Gegenteil? Nach dem Prinzip, wer etwas zu verbergen hat, ist grundsätzlich verdächtig.
Pytlik: Niemand wird überwacht, der nichts getan hat. Zum einen haben wir gar nicht die Leute dafür, zum anderen macht das ja überhaupt gar keinen Sinn. Um als Polizei überhaupt tätig zu werden, brauch ich ja immer erst einmal einen Anfangsverdacht. Sobald es in den höchstpersönlichen Lebensbereich geht, etwa bei der Telefonüberwaaber chung oder anderer Kommunikationsmittel, muss immer ein Richter über die Maßnahme entscheiden. Das gilt auch für die sogenannte „Unendlichkeitshaft“. Wie lange jemand in Haft bleibt, darüber entscheidet immer noch ein Richter, nicht die Polizei. Wichtig wäre, die Schärfe aus den gesellschaftlichen Debatten herauszunehmen und den Weg zur bürgerlichen Mitte wieder zu beschreiten.
Wo bietet das Gesetz Verbesserungen für die Arbeit der Polizei?
Pytlik: Insbesondere im Bereich der Schwerkriminalität und bei Terror kann die Polizei Bedrohungen früher erkennen und früher tätig werden. Wir können ja bei der Bekämpfung der Kriminalität nicht irgendwo stehen bleiben, sondern müssen mit der Zeit mitgehen. Gerade im Bereich der Überwachung von Kommunikationsmitteln bietet das Gesetz mehr Möglichkeiten als früher. Immer muss die Polizei aber einen Richter mit stichhaltigen Verdachtsmomenten überzeugen.
Mit großem Getöse wurde in Bayern eine neue Grenzpolizei eingeführt. Wie sinnvoll ist dieser Schritt?
Pytlik: Die Einführung der Grenzpolizei ist umstritten, auch innerhalb der Polizei. Für uns hat sich aber eigentlich nicht viel geändert. Die Fahndungseinheiten an der Grenze zu verstärken, ist grundsätzstände lich richtig. Die Begrifflichkeit „Grenzpolizei“ist aus unserer Sicht unglücklich. Jeder meint jetzt, die stehen an der Grenze neben dem Schlagbaum, aber so ist es ja nicht. Auch die Reiterstaffeln, die für jede größere Stadt über 100 000 Einwohner vorgesehen sind, kann man schon einführen, wenn man das Personal dafür hat. Das haben wir aber nicht.
Ein Thema, mit dem die Polizeibeamten aber auch Rettungssanitäter und Feuerwehrkräfte zunehmend zu kämpfen haben, sind gewalttätige Übergriffe. Wie soll darauf reagiert werden?
Pytlik: Wir haben jahrelang für einen zusätzlichen Strafrechtsparagrafen gekämpft, der Gewalt gegen Polizisten härter bestraft. Den haben wir jetzt bekommen. Der Weg, diejenigen massiv zu bestrafen, die Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute angreifen, muss konsequent zu Ende gegangen werden, indem die Gerichte den Strafrahmen ausschöpfen. Die konsequente Bestrafung ist das eine, aber natürlich nicht alles. Hier handelt es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem. Polizisten und Rettungskräfte haben Familien, Eltern, Kinder. Man muss sich vergegenwärtigen, welche psychischen Belastungen solche Übergriffe auch auf die Familien haben, wenn jemand schwer verletzt wird.
Interview: Stefan Reinbold