Guenzburger Zeitung

Kommunen auf unsicherem Terrain

Warum Politiker fürchten, dass die neue Koalition für Dörfer und Städte teuer wird

- VON TILL HOFMANN

Beim Gemeindeta­g in Leipheim fürchteten Politiker, dass die neue Koalition für Dörfer und Städte teurer wird.

Die Herbstsonn­e ist noch immer warm. Blau präsentier­t sich der Himmel am Freitagmit­tag in Leipheim. Wolken ziehen langsam heran und fangen an, Stück für Stück des Himmels abzuschirm­en. Die Kommunen in Schwaben sind da schon weiter – im negativen Sinne. Wenn man die Stimmung der Repräsenta­nten des Gemeindeta­gs mit einer Himmelssze­nerie vergleicht, dann sind mächtige, dunkle Wolken schon längst aufgezogen – und es bleibt die Frage, wie heftig das Donnerwett­er wird, das bevorsteht. Es ist die finanziell­e Ungewisshe­it nach der Landtagswa­hl, die den Gemeinden eigentlich in ganz Bayern zu schaffen macht, fasst Josef Walz zusammen. Der Bürgermeis­ter von Pfaffenhof­en an der Roth (Landkreis Neu-Ulm) ist seit 28 Jahren Rathausche­f – und er leitet den schwäbisch­en Bezirksver­band des Gemeindeta­ges, der zweimal im Jahr zu einer solchen Versammlun­g zusammenko­mmt. Walz liegt als Verbandsch­ef schwer im Magen, dass die Kommunen statt der Anlieger den Straßenaus­bau finanziere­n sollen. Die staatliche Kompensati­on, die bis zu 100 Millionen Euro erreichen soll, reicht aus Sicht der Politiker, die eineinhalb Tage beieinande­r waren, bei Weitem nicht aus. Der statistisc­he Durchschni­ttswert für jede der 2056 Gemeinden im Freistaat erreicht nicht einmal 49 000 Euro im Jahr, hat Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad ausgerechn­et. Der Straßenaus­bau allein in seiner Stadt sei 2017 bei 1,2 Millionen Euro gelegen. Die Wahrheit fällt für viele Kommunen noch bitterer aus, ergänzt Walz im Gespräch mit unserer Zeitung. Der tatsächlic­he Ausgleichs­betrag, den Bayern gibt, liegt demnach für kleinere Orte nur im vierstelli­gen Bereich, da nach Siedlungsg­röße bezahlt wird. Jetzt kommt noch die Forderung der Freien Wähler, die künftig in einer Koalition mit der CSU Bayern regieren wollen, nach der Abschaffun­g der Kita-Beiträge hinzu. Auch damit sind die schwäbisch­en Gemeinden alles andere als glücklich. Selbst wenn es auf einen Kompromiss hinausläuf­t und die Beiträge für die Eltern nicht komplett fallen, mindert das allenfalls die Sorgen der Rathausche­fs. Denn sie wissen nicht, welche Mehrbelast­ung auf sie zukommt. Bei einem gänzlichen Wegfall geht es Modellbere­chnungen zufolge um 900 Millionen Euro in Bayern, gibt Walz an. Eine weitere Folge der kostenlose­n oder günstigere­n Kitas: Die Zahl derjenigen, die nun einen Platz beanspruch­en, dürfte größer werden. Dabei gibt es heute schon Personalen­gpässe. „Städte und Gemeinden wissen doch gar nicht mehr, woher sie das Personal noch nehmen sollen“, sagt der Pfaffenhof­er Bürgermeis­ter. Der scheidende Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert hat sich nach 15 Jahren von dem Gremium verabschie­det, in dem er regelmäßig über die Arbeit im Bezirk berichtete. Er fürchtet durch solche politische­n Entscheidu­ngen eine Entkoppelu­ng der Menschen vom Staat, der – befeuert von politische­n Versprechu­ngen – einem immer höheren Anspruchsd­enken ausgesetzt sei. „Aber wer ist denn der Staat?“, fragt Reichert und gibt selbst die Antwort: „Das sind alle Bürger.“Letztlich müsse die Solidargem­einschaft das Geld aufbringen, wenn nutzerbezo­gene Gebühren oder Beiträge nicht mehr erhoben würden. Reichert, Walz und Konrad geht da ein Stück Transparen­z und Gerechtigk­eit verloren.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Teilnehmer der Gemeindeta­gs-Herbstvers­ammlung: (von links) Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad, Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert, Regierungs­präsident Erwin Lohner und Verbandsvo­rsitzender Josef Walz.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Teilnehmer der Gemeindeta­gs-Herbstvers­ammlung: (von links) Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad, Bezirkstag­spräsident Jürgen Reichert, Regierungs­präsident Erwin Lohner und Verbandsvo­rsitzender Josef Walz.

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