Prozess um Raubmord: Zeugen bleiben fern
Justiz Der zweite Verhandlungstag wird nach wenigen Minuten verschoben – unter anderem, weil die Mutter des Opfers offenbar demenzkrank ist und nicht mehr aussagen kann. Die Details des Verbrechens am Eselsberg sind erschreckend
Ulm Kaum hatte der Raubmordprozess gegen ein georgisch-russisches Ehepaar begonnen, musste der zweite Verhandlungstag verschoben werden. Die drei geladenen Zeugen waren nicht erschienen. Eine 91-jährige Frau ließ dem Schwurgericht ein ärztliches Attest zukommen, wonach sie wohl nie vor Gericht aussagen kann, weil sie hochgradig dement und selbstmordgefährdet sei und ein Erscheinen vor der Kammer eine Gefahr für Leib und Leben der Frau darstelle. Die anderen Zeugen waren durch einen plötzlichen Todesfall in der Familie verhindert.
Die vom Schwurgerichtsvorsitzenden vorgeschlagene Verlesung der polizeilichen Vernehmungsprotokolle der schwerkranken Zeugin wurde von der Verteidigung abgelehnt. Der Anwalt wolle mit seinem Mandanten erst ausführlich besprechen, ob er der Einführung der Vernehmungsprotokolle in die Beweisaufnahme zustimmt. Bei der 91-Jährigen handelt es sich um die Mutter des zum Tatzeitpunkt 59-jährigen Opfers. Insgesamt sind 75 Zeugen und zwei Sachverständige zu den 25 weiteren Verhandlungstagen bis Ende Juni 2019 geladen. Ein Ersatzrichter und zwei Ersatzschöffen nehmen an dem Prozess teil, um notfalls bei Erkrankungen einspringen zu können.
Verhandelt wird ein grausamer und kaltblütiger Fall, der die Ulmer Bevölkerung aufgebracht und auch verängstigt hat. Bei Prozesseröffnung vor zwei Wochen verlas der Oberstaatsanwalt die Anklageschrift. Danach hatte das angeklagte Ehepaar Gelegenheit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Doch sie machten von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch.
Laut Anklage soll der 39-jährige Angeklagte mit zwei Komplizen (einer wurde in Israel vor Kurzem festgenommen, der andere ist noch unauffindbar) frühmorgens in die Wohnung auf dem Eselsberg eingedrungen sein, in der ein 59-jähriger Mann und seine Mutter wohnten. Während des Einbruchs wartete die mitangeklagte Ehefrau des 39-Jährigen draußen im Wagen. Sie soll das Verbrechen mit eingefädelt haben. Die drei Männer stützten sich – so die Anklage – auf die guten Ortskenntnisse der gebürtigen Russin in dem Haus, die sie als Hauswirtschafterin erworben hat. Sie schätzte die Hausbewohnerin und ihren geistig behinderten Sohn als vermögend ein. Die Seniorin habe bisweilen größere Bargeldbeträge in ihrem Bett verwahrt und vorzugsweise teuren Schmuck getragen. Die Einbrecher wären nicht ohne die Ortskenntnisse der Mitangeklagten in die speziell abgesicherte Wohnung gelangt. Von dem Sohn wusste die Hauswirtschafterin, dass er kräftig war und in Stresssituationen zur Gewalt neigte. Deswegen besorgten sich die Männer mithilfe der Frau Klebeband, um ihn notfalls zu fesseln und seinen Mund zu verschließen, um Hilferufe und Widerstand zu unterbinden. Außerdem beschaffte die Angeklagte für die Täter in einem Ulmer Baumarkt ein Hebeleisen, das man auch als Waffe benutzen konnte.
Für den Anklagevertreter war somit klar, dass die Täter den Tod des Opfers billigend in Kauf nahmen. Und so kam es auch in der Dreikönigsnacht in der Wohnanlage am Veltlinerweg zu der Bluttat, als der Sohn von Geräuschen, die die Einbrecher machten, wach wurde, in den Flur stürmte, wo er auf die Täter stieß, die ihn mit dem Hebeleisen niederschlugen und auf dem Boden mit dem Klebeband fesselten. Der Hieb mit dem Hebeleisen ins Gesicht verursachte einen Nasenbeinbruch, sodass das Opfer laut Oberstaatsanwalt auch hier kaum Luft bekam, nachdem das Klebeband den Mund verschlossen hatte.
Als das Opfer mit dem Tod rang, suchten die Einbrecher zunächst vergebens nach Bargeld, fanden aber schließlich Schmuck im Wert von 10 000 Euro.
Die Mutter erwachte schließlich auch aus ihrem Schlaf und überraschte die Täter, die sie durch Schläge leicht verletzten, ihr die Halskette abrissen und mit dem Schmuck im wartenden Auto flüchteten. Der behinderte Sohn der demenzkranken Frau, die den Notruf auslöste, konnte noch mit schwersten Gehirnverletzungen in die UniKlinik gebracht werden. Doch die Hilfe kam zu spät.
Für den Oberstaatsanwalt liegen die Motive klar auf der Hand: Nachdem die Angeklagte krankheitsbedingt nicht arbeiten konnte und ihr Mann arbeitslos war, finanzierten sie ihren Lebensunterhalt durch zahlreiche Einbrüche unter anderem in eine Wallfahrtskirche, wo der Angeklagte Opferstöcke knackte. Der Einbruch in die Wohnung am Veltlinerweg sollte ihren Lebensunterhalt auf längere Zeit absichern. Jetzt droht beiden eine lebenslange Strafe wegen Raubmordes.
Der Prozess wird am 9. November fortgesetzt.
Der Fall hat die Bevölkerung aufgebracht und verängstigt