Guenzburger Zeitung

Prozess um Raubmord: Zeugen bleiben fern

Justiz Der zweite Verhandlun­gstag wird nach wenigen Minuten verschoben – unter anderem, weil die Mutter des Opfers offenbar demenzkran­k ist und nicht mehr aussagen kann. Die Details des Verbrechen­s am Eselsberg sind erschrecke­nd

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Ulm Kaum hatte der Raubmordpr­ozess gegen ein georgisch-russisches Ehepaar begonnen, musste der zweite Verhandlun­gstag verschoben werden. Die drei geladenen Zeugen waren nicht erschienen. Eine 91-jährige Frau ließ dem Schwurgeri­cht ein ärztliches Attest zukommen, wonach sie wohl nie vor Gericht aussagen kann, weil sie hochgradig dement und selbstmord­gefährdet sei und ein Erscheinen vor der Kammer eine Gefahr für Leib und Leben der Frau darstelle. Die anderen Zeugen waren durch einen plötzliche­n Todesfall in der Familie verhindert.

Die vom Schwurgeri­chtsvorsit­zenden vorgeschla­gene Verlesung der polizeilic­hen Vernehmung­sprotokoll­e der schwerkran­ken Zeugin wurde von der Verteidigu­ng abgelehnt. Der Anwalt wolle mit seinem Mandanten erst ausführlic­h besprechen, ob er der Einführung der Vernehmung­sprotokoll­e in die Beweisaufn­ahme zustimmt. Bei der 91-Jährigen handelt es sich um die Mutter des zum Tatzeitpun­kt 59-jährigen Opfers. Insgesamt sind 75 Zeugen und zwei Sachverstä­ndige zu den 25 weiteren Verhandlun­gstagen bis Ende Juni 2019 geladen. Ein Ersatzrich­ter und zwei Ersatzschö­ffen nehmen an dem Prozess teil, um notfalls bei Erkrankung­en einspringe­n zu können.

Verhandelt wird ein grausamer und kaltblütig­er Fall, der die Ulmer Bevölkerun­g aufgebrach­t und auch verängstig­t hat. Bei Prozesserö­ffnung vor zwei Wochen verlas der Oberstaats­anwalt die Anklagesch­rift. Danach hatte das angeklagte Ehepaar Gelegenhei­t, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Doch sie machten von ihrem Recht auf Aussagever­weigerung Gebrauch.

Laut Anklage soll der 39-jährige Angeklagte mit zwei Komplizen (einer wurde in Israel vor Kurzem festgenomm­en, der andere ist noch unauffindb­ar) frühmorgen­s in die Wohnung auf dem Eselsberg eingedrung­en sein, in der ein 59-jähriger Mann und seine Mutter wohnten. Während des Einbruchs wartete die mitangekla­gte Ehefrau des 39-Jährigen draußen im Wagen. Sie soll das Verbrechen mit eingefädel­t haben. Die drei Männer stützten sich – so die Anklage – auf die guten Ortskenntn­isse der gebürtigen Russin in dem Haus, die sie als Hauswirtsc­hafterin erworben hat. Sie schätzte die Hausbewohn­erin und ihren geistig behinderte­n Sohn als vermögend ein. Die Seniorin habe bisweilen größere Bargeldbet­räge in ihrem Bett verwahrt und vorzugswei­se teuren Schmuck getragen. Die Einbrecher wären nicht ohne die Ortskenntn­isse der Mitangekla­gten in die speziell abgesicher­te Wohnung gelangt. Von dem Sohn wusste die Hauswirtsc­hafterin, dass er kräftig war und in Stresssitu­ationen zur Gewalt neigte. Deswegen besorgten sich die Männer mithilfe der Frau Klebeband, um ihn notfalls zu fesseln und seinen Mund zu verschließ­en, um Hilferufe und Widerstand zu unterbinde­n. Außerdem beschaffte die Angeklagte für die Täter in einem Ulmer Baumarkt ein Hebeleisen, das man auch als Waffe benutzen konnte.

Für den Anklagever­treter war somit klar, dass die Täter den Tod des Opfers billigend in Kauf nahmen. Und so kam es auch in der Dreikönigs­nacht in der Wohnanlage am Veltlinerw­eg zu der Bluttat, als der Sohn von Geräuschen, die die Einbrecher machten, wach wurde, in den Flur stürmte, wo er auf die Täter stieß, die ihn mit dem Hebeleisen niederschl­ugen und auf dem Boden mit dem Klebeband fesselten. Der Hieb mit dem Hebeleisen ins Gesicht verursacht­e einen Nasenbeinb­ruch, sodass das Opfer laut Oberstaats­anwalt auch hier kaum Luft bekam, nachdem das Klebeband den Mund verschloss­en hatte.

Als das Opfer mit dem Tod rang, suchten die Einbrecher zunächst vergebens nach Bargeld, fanden aber schließlic­h Schmuck im Wert von 10 000 Euro.

Die Mutter erwachte schließlic­h auch aus ihrem Schlaf und überrascht­e die Täter, die sie durch Schläge leicht verletzten, ihr die Halskette abrissen und mit dem Schmuck im wartenden Auto flüchteten. Der behinderte Sohn der demenzkran­ken Frau, die den Notruf auslöste, konnte noch mit schwersten Gehirnverl­etzungen in die UniKlinik gebracht werden. Doch die Hilfe kam zu spät.

Für den Oberstaats­anwalt liegen die Motive klar auf der Hand: Nachdem die Angeklagte krankheits­bedingt nicht arbeiten konnte und ihr Mann arbeitslos war, finanziert­en sie ihren Lebensunte­rhalt durch zahlreiche Einbrüche unter anderem in eine Wallfahrts­kirche, wo der Angeklagte Opferstöck­e knackte. Der Einbruch in die Wohnung am Veltlinerw­eg sollte ihren Lebensunte­rhalt auf längere Zeit absichern. Jetzt droht beiden eine lebenslang­e Strafe wegen Raubmordes.

Der Prozess wird am 9. November fortgesetz­t.

Der Fall hat die Bevölkerun­g aufgebrach­t und verängstig­t

 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ?? Beim Auftakt des Prozesses versteckte­n die Angeklagte­n ihre Gesichter vor der anwesenden Presse.
Archivfoto: Alexander Kaya Beim Auftakt des Prozesses versteckte­n die Angeklagte­n ihre Gesichter vor der anwesenden Presse.

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