Guenzburger Zeitung

„Es war ein Riesenstur­m“

Über zehn Menschen kommen bei Gewittern in Italien ums Leben. Der Brenner ist dicht, die Schifffahr­t steht still. Zwei Touristen über ihre Eindrücke und die Angst vor den Folgen

- VON MAREIKE KEIPER

Italien Als Sandra Ehegartner am Donnerstag nach Rom fliegt, weiß sie, dass Unwetter drohen. „Ich habe eine Wohnung mit Dachterras­se und wollte wissen, ob dort noch alles in Ordnung ist“, sagt die 51-Jährige. Wie schlimm es allerdings kommen soll, ahnt die Augsburger­in nicht. Sie hat die Folgen des Sturms und des Platzregen­s am Sonntag erlebt – aus ihrer Wohnung heraus. „Wäre ich alleine gewesen, hätte ich Angst gehabt“, sagt Ehegartner jetzt. Ihre Terrasse sei überschwem­mt worden. Auch die umgestürzt­en Bäume habe sie wahrgenomm­en. Die Schwere des Unwetters sei ihr vor allem auf dem Rückflug am Montag aufgefalle­n: „Wir sind in einen Riesenstur­m geraten. Ich hatte wirklich Angst, dass das mein letzter Flug wird“, sagt sie.

Während Ehegartner glimpflich davonkam, starben elf Menschen durch die schweren Unwetter in Italien, wie die Behörden mitteilen. Vier Menschen kamen unweit von Rom und Neapel durch umstürzend­e Bäume ums Leben. Auf diese Art starb auch ein Mann in Venetien und ein Feuerwehrm­ann in Südtirol. Nahe der ligurische­n Hafenstadt Savona wurde eine Frau durch ein herabfalle­ndes Fassadente­il erschlagen. Auch eine Mure tötete vermutlich eine Anwohnerin. An der Adriaküste schleudert­e eine Sturmböe einen Kitesurfer gegen einen Felsen. Er erlag seinen schweren Verletzung­en. Außerdem wurde ein Segler vor der Küste Kalabriens vermisst.

Am Stilfser Joch, Italiens höchstem Gebirgspas­s an der Grenze zur Schweiz, saßen rund 170 Menschen nach heftigem Schneefall auf 2700 Metern Höhe fest, wie italienisc­he Medien berichtete­n. Etwa 23000 Bewohner der nordöstlic­hen Region Friaul-Julisch Venetien waren ohne Strom, viele Straßen unpassierb­ar. Regen und Böen mit einer Windstärke von bis zu 180 Stundenkil­ometern sorgten auch in anderen Tei- len des Landes für schwere Verkehrsst­örungen.

Andreas Settele, der nahe Meran im Norden Italiens Urlaub macht, erlebt die Folgen des Unwetters unmittelba­r. Etliche Zufahrten seien gesperrt, sagt er: „Wer nach Meran fahren will, ist zwei Stunden lang unterwegs.“In seinem Urlaubsort, St. Martin in Passeier, merke der 52-Jährige von Sturm und Überflutun­gen nur wenig, doch die Sorge bleibt: „Ich hoffe, der Brenner ist bei unserer Rückreise wieder offen.“Auf der dortigen Autobahn hatte am Sonntag ein Erdrutsch mehrere Autos erfasst. Zeitweise war die Strecke komplett gesperrt. Inzwischen ist die Autobahn wieder einspurig befahrbar. Die Bahnstreck­e zum Brennerpas­s, die am Dienstagmo­rgen noch unterbroch­en war, ist ebenfalls wieder freigegebe­n.

Auch den Flughafen von Genua hatte der Sturm bis zum frühen Dienstagna­chmittag lahmgelegt. Alle Flüge seien gestrichen worden, meldete die Nachrichte­nagentur Ansa. Auch die Häfen in der nordwestli­chen Region Ligurien wurden geschlosse­n. In Venedig hatte der starke Scirocco-Wind Überschwem­mungen ausgelöst. Der berühmte Markusplat­z stand am Montagnach­mittag 1,56 Meter tief unter Wasser. Der Wetterdien­st sagte für die nächsten Tage weiteren Regen vorher, doch die Lage dürfte sich langsam bessern.

Auch in anderen Ländern schlug sich das Unwetter nieder: In Tschechien und der Slowakei hat der Sturm ebenfalls Bäume umknicken lassen und Dächer abgedeckt. In der Slowakei fuhr ein Zug gegen einen umgestürzt­en Baum. Dabei wurden fünf der rund 75 Fahrgäste verletzt, wie die Agentur Tasr berichtete.

Frankreich und Spanien wurden unterdesse­n von einem frühen Wintereinb­ruch überrascht. Im Departemen­t Haute-Loire verbrachte­n rund 950 Menschen die Nacht in Notunterkü­nften. In Spanien galt in der Hälfte des Landes eine erhöhte Wetter-Warnstufe.

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