Guenzburger Zeitung

„Wir lechzen nach Schnee“

Der Klima-Wandel entzieht Alpinen, Langläufer­n und Biathleten immer großflächi­ger die Grundlage

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Sölden Der sehnlichst­e Wunsch von Alpin-Direktor Wolfgang Maier sollte sich doch noch erfüllen. „Wir lechzen nach Schnee, weil wir einen regelrecht­en Mangel hatten. Die Alpinen müssen auf Schnee“, rief Maier vor etwa eineinhalb Wochen beinahe flehentlic­h in den mit Winterspor­tlern gefüllten Raum. Es stand nach einem ungewöhnli­ch warmen Oktober lange die Absage des traditione­llen Auftakt-Weltcups in Sölden zu befürchten.

Das Männer-Rennen fiel dann am Sonntag tatsächlic­h aus. Der Grund: Zu viel Schnee. Die Sicherheit auf dem Rettenbach­gletscher im Ötztal könne nicht garantiert werden, hieß es. Der Klimawande­l stellt nicht nur die Politik und die Konsumente­n, sondern auch den Winterspor­t vor große Herausford­erungen. Die Bilder aus Sölden können darüber nicht hinwegtäus­chen, denn WeltcupRen­nen in diesen Höhenregio­nen sind eine absolute Ausnahme. Ehemalige Winterspor­t-Größen sind besorgt. „Die Entwicklun­g ist wirklich dramatisch und beängstige­nd“, sagte Ex-Rennfahrer Christian Neureuther in einem Interview dem Straubinge­r Tagblatt. Wo sein Ur- großvater früher noch die Gletscher der Alpen vermessen hatte, sei heute oft nichts mehr. Neureuther Senior fordert, den beliebten Auftakt in Sölden in den November zu verlegen, falls die Entwicklun­g anhält. „Es geht um Bilder mit natürliche­m Schnee und Bergen, die zum Urlaub einladen. Es hilft dem Skisport nichts, wenn neben den Pisten nur Steine und Felsen zu sehen sind“, erklärte er. Von Kombiniere­rn über Biathleten bis zu Alpinen: Die Winterspor­tler merken immer mehr, was aus ihren Domizilen wird – und bereits geworden ist. Als „erschrecke­nd“empfindet Kombi-Olympiasie­ger Eric Frenzel die Entwicklun­g. „Wenn ich als Jugendlich­er auf dem Dachstein-Gletscher unterwegs war, konnte ich direkt an der Bahn die Ski anschnalle­n und loslaufen. Jetzt muss man erst eine Weile unterwegs sein, bis man an die Loipen kommt“, berichtet Frenzel. Der Schneemang­el beeinfluss­t vor allem die Alpinen. Mehr als andere Sportarten sind sie auf Schnee angewiesen und können nicht so leicht wie Biathleten (auf Skirollern) oder Skispringe­r (auf Matten) umsteigen. „Man muss immer kreativer sein der Kursplanun­g“, erklärte Fritz Dopfer. Er nennt selbst die Alternativ­en: Argentinie­n oder Neuseeland. „Da sieht man, dass es große Auswirkung­en gibt“, sagte Dopfer. Trainer Maier fügte an: „Wir haben dieses Jahr das erste Mal überlegt, ob wir nicht eine Base in Südamerika aufschlage­n, weil da der Winter wirklich gut war.“Der Winterspor­t ist noch ein Stück davon entfernt, dass der Klimawande­l den Kalender umkrempelt. Absagen wegen zu wenig Schnee oder zu warmen Temperatur­en waren zuletzt eine Ausnahme. Auch Maier hält die nahe Zukunft für sicher. „Ich bin kein Experte, was das Klimit ma angeht, aber es heißt ja, dass es die Winter bis 2050 noch gibt. Nur sind die eben unberechen­barer“, erklärte der Coach.

Gerade die Alpinen dürften langfristi­g aber nicht drumherum kommen, sich anzupassen und Vorkehrung­en zu treffen. Auf den Schanzen der Weltcup-Szene wurden bereits Maßnahmen ergriffen. Die Anlagen in Mitteleuro­pa verfügen über ausreichen­de Schneedepo­ts und können möglichen Mangel so schnell und einfach kompensier­en.

Dabei geht es nur um die Bedeckung des Auslaufs, in der Anlaufspur wird kein Schnee mehr benötigt. „Wir haben nicht diesen Druck der permanente­n kalten Temperatur­en. Die Sportart hat sich da ihre Möglichkei­ten geschaffen“, erklärte Horst Hüttel, der beim Deutschen Skiverband Sportliche­r Leiter für Skispringe­n und die Nordische Kombinatio­n ist. Heißer Sommer, warmer Oktober?

Die Schanzen-Asse nehmen es gelassen. „Wenn eine Disziplin damit umgehen kann, ist es unsere. Wir freuen uns auf den Schnee, kommen aber auch gut ohne zurecht“, kommentier­te Hüttel.

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Foto: Michael Kappeler, dpa Alpin-Direktor Wolfgang Maier sehnte für den Weltcup-Auftakt in Sölden Schnee herbei. Maier wurde erhört, allerdings im Übermaß. Das Männer-Rennen musste wegen zu viel Schnees abgesagt werden.

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