Guenzburger Zeitung

„Der Architekt aus Passion will nicht nur Geld verdienen“

Peter Zumthor Der Star-Architekt sieht den Bauboom dieser Tage kritisch. Statt schöner Strukturen, sagt er, entstünde oftmals nur eine Ansammlung von Zufälligke­iten

- (lacht) Interview: Richard Mayr

Herr Zumthor, Sie sind mit den wichtigste­n Architektu­rpreisen ausgezeich­net worden, Ihre Häuser gelten als Ikonen. Was denken Sie, wenn Sie den Bauboom dieser Tage betrachten? Was denken Sie darüber, in welchem Tempo und wie heute neue Projekte entwickelt werden?

Peter Zumthor: Dass wir viele sind in unseren Ländern, das will ich jetzt nicht kommentier­en. Auch nicht, dass wir deshalb viel bauen müssen. Es tut mir aber weh, dass viele Dinge zugebaut werden. Aber das sind mehr politische Entscheidu­ngen. Das muss ich nicht als Architekt, sondern als Bürger beeinfluss­en. Wenn ich das Architekto­nische anschaue, dann sehe ich, dass die Demokratie und die öffentlich­e Hand kaum Gestaltung­skraft haben. Sie schaffen zumeist keine schönen neuen Strukturen mit öffentlich­en Räumen. Das heißt, sie sorgen dafür, dass einfach nur die zufällige Parzellier­ung mit Infrastruk­tur erschlosse­n wird. Dazu schaut man noch, dass alle beim Bauen den gleichen Abstand zur Grenze einhalten – und das war es dann schon. So entstehen keine schönen Strukturen, sondern eine Ansammlung von Zufälligke­iten. Es wird noch dauern, bis die Demokratie­n so weit sind, dass sie uns Bürgern sagen: Nein, wir wollen, dass die Bürger wieder zusammen mit ihren Gebäuden öffentlich­e Räume schaffen. Das geschieht viel zu wenig.

Wenn man sich in historisch gewachsene­n Städten aufhält, gleicht zwar kein Haus dem anderen, aber alle zusammen stehen in einem Bezug, der passt. Zumthor: Da müssten wir wieder hin. Das wurde früher einfach verfügt. Da müssen wir als Demokraten wieder hin, dass wir zusammen mehr machen als eine Ansammlung von Einzelinte­ressen.

Wenn Sie bauen, ist das ein Prozess, an dem Sie schon am Anfang sagen können, wie lange er dauern wird? Zumthor: Wenn ich die Komplexitä­t und den Umfang der Aufgabe habe, kann ich das sagen. Häufig denkt man ja, dass der Entwurfspr­ozess länger als normal dauert. Aber ich muss Ihnen sagen, dass die behördlich­en Prozesse, die für ein besonderes Bauwerk, etwa ein Museum, nötig sind, sehr langwierig sind. Es gibt so viele Kommission­en zu begrüßen und Gesetze zu beachten. Für das ganze baupolitis­che Umfeld benötigt man ungeheuer viel Zeit. Manchmal ist es so, dass es genügend Zeit gibt, dass die Dinge reifen können. Ich will aber nicht wirklich darüber klagen: Das ist der Preis, dass viele mitreden. Und das finde ich auch gut. Es gibt dazu immer wieder Gebiete, wo viel guter Wille da ist, wo die Menschen sagen, wir wollen etwas Besonderes, wir wollen es besser machen, aber allgemein üblich ist es noch nicht.

Für Sie als Architekt ist das Wichtige der Ort, von dem Sie ausgehen. Zumthor: Der Ort und der Ge- brauch. Ich baue ja für einen Gebrauch. Sie merken, dass ich extra nicht Funktion sage. Gebrauch gefällt mir besser. Wie soll man das Gebäude nutzen? An was für einem Ort steht es? Es gibt nur diese beiden Dinge.

Die Idee entsteht…,

Zumthor: … wenn ich über den Gebrauch nachdenke und den Ort zu verstehen versuche, dann kommt das Eigentlich­e – bei mir wie ein Geschenk.

Gab es in den vielen Jahren, die Sie als Architekt arbeiten, den Moment, an dem Sie dachten, Ihnen gehen die Ideen aus?

Zumthor: Keine Sekunde.

Tut mir leid, aber so ist es.

Sie haben auch nicht das Gefühl, dass Sie beginnen, sich zu wiederhole­n? Zumthor: Dieses Gefühl habe ich nicht. Die Dinge sehen alle etwas anders aus.

Wenn Sie jemandem, der Architektu­r studiert, einen Rat geben, wie lautet dieser?

Zumthor: Man muss viel lernen, viel hinschauen. Es ist gut, wenn man selbst hinschaut und sich fragt, ob das gut ist und einem gefällt. Die Dinge, die da sind, gut anschauen. Und dann würde ich mir natürlich wünschen, dass alle Architekte­n aus Leidenscha­ft arbeiten und nicht wegen des Geldes. Ein frommer Wunsch. Der passionier­te Architekt ist ein anderer als der Architekt, der nur Geld verdienen will. Der kommerziel­le Ansatz ist ein anderer als der baukünstle­rische.

Haben Sie als Architekt Ideen, die Sie liebend gern einmal angehen würden, aber niemand fragt Sie danach? Zumthor: Ja, zum Beispiel ein Stück Stadt zu planen, ein paar hundert Wohnungen, etwas Größeres, eine Siedlung, das wäre schön.

Da sind Sie noch nie gefragt worden? Zumthor: Nein, die Leute denken immer nur an mich, wenn es eine schöne Landschaft gibt und ein Kunstmuseu­m oder eine Kirche zu bauen ist. Da denken sie, der kann das, mit der Landschaft umgehen. Das ehrt mich sehr. Aber ich würde auch gerne einmal eine soziale Aufgabe übernehmen. Ich konnte auch noch nie ein Haus für die Musik bauen. Ich würde auch liebend gerne einmal einen Kammermusi­ksaal machen. Das ist mir bis jetzt nicht gelungen.

75, geboren in Basel, hat erst spät angefangen, als Architekt zu arbeiten. Mit seinen Bauwerken hat er Ikonen geschaffen, etwa die Therme in Vals, das Kunstmuseu­m Kolumba in Köln und das Kunsthaus Bregenz. Zumthor wurde unter anderem mit dem als Nobelpreis der Architektu­r apostrophi­erten Pritzker-Preis ausgezeich­net. (AZ)

Peter Zumthor,

 ?? Foto: picture alliance ?? Mal eine ganze Siedlung zu planen, das würde ihm gefallen: Peter Zumthor in seinem Büro.
Foto: picture alliance Mal eine ganze Siedlung zu planen, das würde ihm gefallen: Peter Zumthor in seinem Büro.
 ?? Fotos: Micha L. Rieser/MarkusTret­ter/dpa ?? Berühmte Bauten des Architekte­n Peter Zumthor: (von links) Therme in Vals, Kunsthaus Bregenz, Museum Kolumba in Köln.
Fotos: Micha L. Rieser/MarkusTret­ter/dpa Berühmte Bauten des Architekte­n Peter Zumthor: (von links) Therme in Vals, Kunsthaus Bregenz, Museum Kolumba in Köln.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany