Guido hat euch lieb!
Rezension Liebe Leserinnen, Sie werden mich jetzt hassen! Aber ich kann nichts an diesem Guido Maria Kretschmer (unser Foto) finden. Irgendwann war er mal da, im Fernsehen, und seitdem füllt er das Programm mit Shows, in denen Menschen sich mehr schlecht als recht neu einkleiden und sich deswegen von ihm bekritteln lassen müssen. Ein Riesenerfolg. Ich kann es mir nicht erklären. Erst recht nicht, weil sich dieser ShoppingQueen-Kretschmer, ein Modedesigner, selbst eher schlecht kleidet.
Sie haben bis hierher gelesen, kochen vor Wut und setzen bereits in Gedanken einen geharnischten Leserinnenbrief auf? Warten Sie! Im Grunde meines Herzens finde ich ja auch, dass Guido doch eigentlich irgendwie sympathisch ist. Auffallend normal im Vergleich zu den sonstigen Fernseh-Nasen, die irgendwas mit Mode oder Lifestyle oder Promis moderieren. Guido ist einer von uns! Also: eine von euch! Also: Ein wenig verwirrend ist der Titel seines Magazins ja schon.
Das heißt GUIDO – EINE VON EUCH!, ein Frauenmagazin, ist erstmals am 25. Oktober erschienen und wird bestimmt ein Riesenerfolg. Frauen lieben Guido. Und werden GUIDO ebenfalls lieben. So das Kalkül. Das Magazin stammt aus dem Haus Gruner + Jahr, wie bereits andere TestimonialMagazine. Sie heißen JWD (Untertitel: „Joko Winterscheidts Druckerzeugnis“), Dr. von Hirschhausens stern Gesund leben oder BARBARA. Barbara Schönebergers Heft, seit 2015 auf dem Markt, gilt als einer der erfolgreichsten Magazin-Neustarts der vergangenen Jahre. Es war nur eine Frage der Zeit, dass weitere Testimonial-Magazine die Kioske fluten.
Und GUIDO, fragen Sie? Soll sich laut Pressemitteilung „durch die besondere Tonalität von Guido Maria Kretschmer auszeichnen, die respektvoll, herzenswarm und immer ehrlich ist“. Mode und Mutmacher-Geschichten. Brigitte Huber, Chefredakteurin der Brigitte-Gruppe, die BARBARA und GUIDO verantwortet, sagt: „GUIDO ist das Magazin, das die Frauen liebt, wie sie sind.“Hach: Guido hat euch lieb!
Aber es wird noch besser: „Publisher“Iliane Weiß und der Pressemitteilung zufolge ist Guido „der heimliche beste Freund fast jeder Frau“; er lasse „die Frauen strahlen“. Okay, Guido, der als „Editorat-large“im Impressum steht, ist doch kein Normalo wie ich. Sein Magazin allerdings schon. Das ist ein überaus gewöhnliches Frauenmagazin, nur eben eines mit 28 Fotos von Guido (inklusive zweier Kinderbilder, einem mit Eltern, einem mit Ehemann) auf 194 Seiten, wenn ich mich nicht verzählt habe.
Im Editorial verrät Guido, dass er sein Magazin ursprünglich „Liebe“nennen wollte, dass sein Vorname „Mann des Waldes“bedeute und dass er ihn gern möge. Es folgen eine Reihe von Wörtern, die mit G wie Guido anfangen: Glück, Gast, Gewand. Guidos Welt. Je länger ich lese, desto unsympathischer wird er mir.
Nach vielen Seiten, die nichts anderes sind als Papier-gewordene „Shopping-Queen“-Folgen, und nach reichlich Anzeigen folgt auf Seite 80 ein Interview von Guido mit einer Miriam, 47, über – klar – „die Liebe“. Liest sich wie eine Papier-gewordene „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“-Episode. Nach einer Ich-Geschichte einer New Yorker Transgender-Aktivistin dann wieder Guido. Über „die neue Ehrlichkeit“. Sein Text beginnt so: „Alles, was du sagst, sollte wahr sein. Aber nicht alles, was wahr ist, solltest du auch sagen. Weise Worte des französischen Philosophen Voltaire.“Gut, dass Guido auf Seite 114 zu seinen Leisten zurückkehrt und die britische Premierministerin „checkt“: „Brexit auf scharfen Sohlen“. Guido gesteht: Er möge Theresa May „irgendwie“. Sensationeller Satz: „Wenn Theresa May ihre Politik so gut machen würde, wie sie ihre Schuhe auswählt, dann würde es uns allen in Europa besser gehen – und den Engländern noch viel mehr.“Den Rest habe ich mir gespart, fix und fertig von so viel Liebe, Ehrlichkeit und Guido. Ein normaler Mann hält das nicht aus.
Ob Frauen GUIDO wirklich mögen, werden die Verkaufszahlen zeigen. „DIE NEUE GUIDO: AM 29.11.18“.