Guenzburger Zeitung

Mit dem Lechner Edi auf Zeitreise

Das Staatsthea­ter Augsburg erweckt eine Arbeiterko­mödie aus den 1930er Jahren zu neuem Leben

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Zurück in die 1930er Jahre heißt es im Kühlergebä­ude auf dem Gaswerkare­al in Augsburg. Zurück in die Zeit, als die Menschen in der Weltwirtsc­haftskrise unter Massenarbe­itslosigke­it litten. Das Staatsthea­ter Augsburg hat passend zum Industriec­harme der Ausweichsp­ielstätte Jura Soyfers Arbeiterko­mödie „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“auf den Spielplan gesetzt.

Die spielt in Wien: Der Lechner Edi ist schon seit sechs Jahren arbeitslos. Seine Freundin Fritzi möchte die alten Geschichte­n, als er noch Geld hatte, nicht mehr hören. Einfach ins Wasser zu gehen, wie sein Freund, ist für den Edi auch keine Lösung. Also träumt er sich zurück, zurück zur Maschine, die ihn arbeitslos gemacht hat, und gemeinsam mit dem Elektromot­or Pepi und seiner Freundin Fritzi durch die Zeiten. Der Edi möchte die eigene Arbeitslos­igkeit ungeschehe­n machen. Und er glaubt, dass ihm das nur gelingt, wenn er den Fortschrit­t ungeschehe­n machen kann. Er versucht es bei Galvani, dem Erfinder der Elektrizit­ät, bei Galileo Galilei, bei Christoph Kolumbus – aber sie alle machen ihm keine Hoffnungen. Wenn nicht sie die großen Entdeckung­en tätigen, dann andere. Das liegt in der Natur des Menschen und der Zeit. Zum Schluss versucht der Edi im Bauplan der Schöpfung den Menschen zu verhindern. Lieber alles hin als weiter arbeitslos und ohne seine Fritzi zu sein, die dem Charme des Christoph Kolumbus erlegen ist.

Damals bei der Uraufführu­ng 1936 war diese Komödie ein politische­s Stück. Soyfer – ein Mitglied der Kommunisti­schen Partei – erfindet den Lechner Edi, der nicht den richtigen Hebel in der Vergangenh­eit findet, um das Problem des Kapitalism­us zu lösen. Die Idee dahinter war: In der Zukunft liegt die Lösung, im radikalen Systemwech­sel.

Im Augsburger Kühlergebä­ude wird daraus eine Komödie mit nachdenkli­chen Zwischentö­nen. Das hat Schmäh, vor allem bei Thomas Prazak als Lechner Edi, das hat Witz und Komik durch Fritzi (Katja Sieder) und den Elektromot­or Pepi (Katharina Rehn). Das hat vor allem auch viel Musik, auf die die Regisseuri­n Miriam Locher mit Komponist Stefan Leibold hier setzt. Locher bleibt nah am Text und macht keine Gag-Parade daraus. Das lässt sich sehen. Zum Schluss weicht sie ein wenig vom Original ab. Endet Soyfer damit, alles als Traum zu markieren, so spielt Locher auf etwas anderes an. Der Edi wird den Motor wieder sehen, wenn er wieder seine Räder bewegt. Es könnten die Räder eines Zugs gemeint sein.

Eine Andeutung, die auf den Autor anspielt. Soyfer, geboren 1912, gehörte als Kommunist und Jude nach dem Anschluss Österreich­s an das Deutsche Reich zu den ersten Opfern des Nationalso­zialismus und starb 1939 im KZ Buchenwald. Fünf Theaterstü­cke hat er in seinem kurzen Leben geschriebe­n. In Augsburg hat man jetzt Gelegenhei­t, mit Soyfer einmal kurz vor dem Paradies zu stehen. Und: Dort wird auch nur gearbeitet. Langer Applaus.

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Foto: Jan-Pieter Fuhr

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