Beide Seiten müssen verzichten
Es sind intensive Wochen, die die Verantwortlichen von Wanzl, einer der wichtigsten Arbeitgeber im Landkreis Günzburg, und Vertreter der Arbeitnehmer vor sich haben. An der Bereitwilligkeit, der anderen Seite zuzuhören, zu verstehen – also ein gewisses Verständnis für die Gegenposition aufzubringen –, hat es bislang nicht gemangelt.
Das ist gut, denn es ist eine Grundvoraussetzung, um zwischen IG Metall und Wanzl zu einem Haustarifvertrag zu kommen. Der Einkaufswagenhersteller war und ist nicht bereit, einen Flächentarifvertrag eins zu eins umzusetzen, der seitens der Arbeitgeber federführend von Vertretern von Großkonzernen wie BMW, Daimler und Siemens verhandelt wird. Diese Unternehmen haben ganz andere Strukturen, wird begründet. Die Besonderheit bei Wanzl sei, dass dort nach wie vor vieles selbst gefertigt werde. Deshalb sei die Personalkostenquote so hoch.
Das macht die Situation vergleichsweise schwierig für ein mittelständisches Familienunternehmen, das die Globalisierung zu nutzen versucht, um selbst rund um die Erde präsent zu sein. Dabei bekommt auch Wanzl die Digitalisierung voll zu spüren und hat sich bereits aufgemacht, in dieser Welt mitzumischen. Die Zeiten, in denen mehr und mehr Einkaufswagen, die Kernmarke des Unternehmens, produziert werden, sind vorbei. Die jährliche Menge von 2,5 Millionen Einkaufswagen, das entspricht der Zahl der Einwohner Brandenburgs, wird Wanzl vermutlich nicht mehr erreichen.
Veränderungsprozesse sind stets mit Kosten verbunden. Es sind Investitionen in die Zukunft. Deshalb ist es ein positives Zeichen, wenn das Unternehmen ankündigt, unter bestimmten Voraussetzungen über 100 Millionen Euro in die beiden Standorte Leipheim und Kirchheim in den kommenden sieben Jahren stecken zu wollen. Das hat mit Arbeitsplatzsicherheit zu tun. Dass die Geschäftsleitung einen Beitrag der Arbeitnehmer einfordert, ist zunächst einmal legitim.
Aber, und dessen sollte sich das Wanzl-Management bewusst sein, es kommt auf die Menge und die Intensität der Zumutungen an, die der Belegschaft aufgetischt werden.
Wanzl – der Name hat einen guten Klang. Und viele Mitarbeiter arbeiten nicht nur bei diesem Unternehmen, sondern repräsentieren es auch. Das Personal ist neben klugen Entscheidungen und strategischen Ausrichtungen der Firmenführung Wanzls wahrer Schatz. Ihn gilt es zu bewahren – auch wenn Kaufmänner kühl kalkulieren und Rendite und Wachstum vielleicht über alles geht.
Wenn der Stolz der Mitarbeiter gänzlich verschwindet, wird die Arbeit bei Wanzl zum Job. VON TILL HOFMANN