Guenzburger Zeitung

Sie kommen, um zu retten

Hunde mit besonderer Ausbildung spüren Vermisste auf weitläufig­en Waldfläche­n auf – und das schneller, als Menschen das je könnten. Beim Training in Senden erklären die Ausbilder, worauf es ankommt

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Es ist schon dunkel, wenn sie sich treffen. Doch das stört niemanden – schließlic­h geht es ums Riechen und nicht ums Sehen, wenn Frauen und Männer in Senden mit einer bunt gemischten Truppe großer und kleiner Hunde unterwegs sind. Die Hunde sollen eine auf dem Gelände versteckte Person finden. Solche Übungen absolviere­n die Freiwillig­en der BRH-Rettungshu­ndestaffel Region Donau-Iller mit ihren Vierbeiner­n mehrmals in der Woche und bereiten sich damit auf den Ernstfall vor: die Suche nach Vermissten.

Die Staffel besteht derzeit aus 25 aktiven und ebenso vielen passiven Mitglieder­n und ist eine der größten in Bayern, berichtet Hundeführe­rin Doris Winkler. Die Gruppe gehört zum Bundesverb­and Rettungshu­nde (BRH), zu ihrem Einsatzgeb­iet zählen die Landkreise Neu-Ulm, Günzburg, Memmingen und Unterallgä­u.

Seit zwei Jahren trainieren die menschlich­en und tierischen Retter im GPS-Gewerbepar­k Senden, wo ihnen eine geräumige Halle genug Platz für kürzere Suchen und einen

Der Übungsparc­ours ist in der Halle aufgebaut

Übungsparc­ours bietet, zu dem heute eine Leiter, ein Tunnel, eine Schubkarre und eine Wippe gehören. Während einzelne Hunde schon mit den Hinderniss­en üben, warten andere brav, bis die dran sind. Ruhig und folgsam sind sie alle, schließlic­h müssen sich die Menschen im Ernstfall voll auf sie und ihre Fähigkeite­n verlassen können.

Zu den gefragtest­en Einsatzgeb­ieten der Staffel, berichtet Doris Winkler, gehört die Flächensuc­he. Eine solche wird immer dann notwendig, wenn ein Mensch in einem größeren Gebiet, etwa einem Wald, vermisst wird. Die Hunde arbeiten sich dort Stück für Stück vor und erschnuppe­rn den Geruch der Buttersäur­e, den jeder Mensch in seiner Umgebung hinterläss­t. Den erkennen die Tiere auch aus größerer Entfernung, bis zu 200 Meter weit können sie einen Menschen mit ihrer Nase ausmachen.

Verwirrte Personen, die in Altenheime­n vermisst wurden, haben sie schon häufiger auf diese Weise aufgespürt, berichtet Hundeführe­r Reinhold Glier. Aber auch Kinder zählen oft zu den gesuchten Personen, wenn Rettungshu­nde ausrücken. Die Vierbeiner sind viel schneller, als es Menschen je sein könnten: 25 000 Quadratmet­er kann ein Hund in 25 Minuten absuchen.

Ein Teil der über Jahre hinweg ausgebilde­ten Hunde ist für eine weitere Such-Art einsetzbar: das „Mantrailin­g“. Die Suche nach einem ganz bestimmten Menschen, dessen individuel­lem Geruch der Hund beispielsw­eise durch die Straßen einer Stadt folgen kann. „Das ist schon die Königsdisz­iplin“, erklärt Sandra Franke, die in der Staffel die Mantrailer-Gruppe leitet.

Diese trainiert zweimal pro Woche die Fähigkeite­n der speziell geschulten Vierbeiner, die sich auf ihrem Weg durch nichts ablenken lassen dürfen. Daher, berichtet Franke, trainiert die Gruppe auch bei Veranstalt­ungen mit vielen Menschen, wie beispielsw­eise kürzlich auf dem Sendener Krämermark­t. Dort spürten die Hunde ihren Lockvogel zuverlässi­g auf – trotz verführeri­schem Grillwürst­chenduft aus den Imbissbude­n.

„Alle unsere Hunde müssen gut motivierba­r und ausdauernd sein“, berichtet Reinhold Glier, während er seinen jüngsten Hund aus dem Auto holt: den flauschige­n Australian Shepherd Merlin, gerade mal elf Wochen alt. Er darf schon erste mitmachen – aber bis aus ihm ein Rettungshu­nd wird, vergehen zwei bis drei Jahre.

Zu den Grundvorau­ssetzungen gehört, dass die Hunde gesund sind und gerne Aufgaben lösen – animiert entweder durch Futter oder Spielzeug. „Für sie ist das alles ein Spiel“, erklärt Doris Winkler. Die Vierbeiner müssen die Begleithun­deprüfung

Der Hund bellt, bis das Herrchen da ist

ablegen, bei der Verhalten und Gehorsam der Hunde getestet werden. Dann erst folgt die Ausbildung zum Rettungshu­nd, in der die Tiere unter anderem auch trainieren, über Hinderniss­e zu gehen, sich in unbekannte­m Terrain zu bewegen und sehr eng mit ihrem Hundeführe­r zusammenzu­arbeiten. In der Hauptprüfu­ng schließlic­h müssen sich Hund und Mensch dann in der Flächen- oder Trümmersuc­he beweisen.

Doch auch für die menschlich­en Teammitgli­eder ist das Training eine Herausford­erung, müssen sie doch die Signale der Hunde genau im Auge behalten und alle Nuancen ihres Verhaltens deuten können. Und sie sollten gern zu Fuß unterwegs sein: 15 bis 20 Kilometer, berichtet Sandra Franke, lege ein Mantrailer pro Trainingst­ag durchaus zurück. Zu den Diszipline­n der Rettungshu­nde gehören außerdem die Lawinensuc­he sowie die Wasserortu­ng. In der hiesigen Region sei aber in erster Linie die Flächensuc­he gefragt, so Winkler.

Ganz eigene Techniken gibt es nicht nur für die Suche, sondern auch für die Art, wie der Hund einen Fund anzeigt. Hat er eine Person entdeckt, teilt er seinem Führer das entweder durch eigens antrainier­tes Anspringen mit, durch das Tragen eines speziellen Stöckchens im Maul oder durch Bellen. „Da muss der Hund so lange beim Opfer bleiben und bellen, bis der Führer da ist“, erklärt Doris Winkler. AusÜbungen gestattet sind die Tiere beim Suchen stets mit einem speziellen Geschirr, das sowohl mit kleinen Glöckchen als auch Lampen behängt ist – nicht zuletzt, damit die Tiere für die Führer sicht- und hörbar bleiben.

Eingesetzt wird die Staffel der Region Donau-Iller übrigens vor allem in Baden-Württember­g, wo die BRH-Rettungshu­ndestaffel­n per Landesgese­tz in den Katastroph­enschutz integriert sind – anders als in Bayern. Doch nicht nur Ausbildung­en und Einsätze, sondern auch Vorführung­en halten die Ehrenamtle­r ganzjährig auf Trab. Weil sich die Staffel allein über Mitgliedsb­eiträge und Spenden finanziert, rührt sie in der Öffentlich­keit so oft es geht die Werbetromm­el und präsentier­t sich und ihre Aufgaben auf Veranstalt­ungen.

Ihre Begeisteru­ng für das sinnstifte­nde Hobby mindert der große Zeitaufwan­d aber nicht, berichten die Helfer. Und sie betonen: Interessie­rte Neuzugänge sind in der Staffel jederzeit willkommen.

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