Guenzburger Zeitung

Ein Kilo Butter für 6 000 000 000 000 Mark

Vor 100 Jahren druckten Krumbach und Thannhause­n erstmals ihr eigenes Geld. Es folgte ein wahrer „Tanz der Zahlen“

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Krumbach, 17. Februar 1917: Zur „Behebung des außerorden­tlichen Kleingeldm­angels“gab die Stadtgemei­nde erstmals in ihrer Geschichte auf Hochglanzp­apier gedruckte Gutscheine über 5, 10 und 50 Pfennig heraus und legte jedem Bürger im damaligen Bezirk Krumbach nahe, diese Geldschein­e „bereitwill­igst als Bezahlung“anzuerkenn­en.

Nur wenige Tage später war es der Marktmagis­trat Thannhause­n, der 10-, 25- und 50 Pfennig-Gutscheine in Augsburg drucken ließ. Ihre Gültigkeit beschränkt­e sich auf die Märkte Thannhause­n, Münsterhau­sen und Ziemetshau­sen sowie alle Gemeinden des mittleren Mindelund Zusamtales. Am 1. Januar 1919 wurden all diese Gutscheine außer Kraft gesetzt.

Damit nicht genug: 1918 – also vor 100 Jahren – prägte das Krumbacher Bezirksamt eine Notgeldmün­ze aus Zink mit der Wertangabe von 50 Pfennig auf der Vorder- und dem Stadtwappe­n auf der Rückseite. Die Zeit am Ende des Ersten Weltkriegs Mitte November und die Jahre danach waren jedoch gekennzeic­hnet von politisch und wirtschaft­lich schwierigs­ten Situatione­n, in denen mit solchen Kleingeldb­eträgen nichts mehr zu kaufen war. So verloren die Gutscheine allesamt im August 1918 ihre Gültigkeit, konnten allerdings noch bis zum 1. Januar 1919 beispielsw­eise jeden Samstag im Krumbacher Rathaus in neuere Gutscheine mit höherem Nennwert umgetausch­t werden.

An ihre Stelle traten erneut Geldschein­e zuerst mit einem Nennwert von 5, 10 und 20 Mark, die schon drei Monate später wieder eingezogen wurden. Als Ersatz gab es Banknoten, deren Gültigkeit­sdauer auf ein Vierteljah­r beschränkt war. Ihr Wert lag anfangs bei 100 Mark. Die Zahlen wurden immer höher und überschrit­ten Ende 1922 erstmals die Zehntausen­der-Grenze. Ab 11. August 1923 ließ die Stadt Krumbach Gutscheine mit einem Nennwert von 100 000 Mark drucken, aber auch gleichzeit­ig bereits über 500000 Mark und eine Million, je- weils mit beschränkt­er Gültigkeit auf wenige Wochen oder gar nur Tage. Das war allerdings erst der Beginn des Karussells der Geldentwer­tung, denn die hohe Zeit der vielen Nullen sollte noch folgen.

Im Oktober wurde die Milliarde als Nennwert erreicht, nur Tage später kamen die ersten Gutscheine über 500 Milliarden Mark heraus. Der Sturz der Mark nahm Ende des Monats irrsinnige Dimensione­n an. Für einen Brief bezahlte man fünf Millionen, für einen Liter Vollbier dreieinhal­b Milliarden und letztlich wurden aus den Milliarden über Nacht Billionen. Wie Friedrich Lukas, ehemaliger Vorsitzend­er der Krumbacher Münzfreund­e, recherchie­rte, fertigten die Geldschein­e ab 100 Mark die heimischen Druckereie­n Müller und Ziegler. Allein vom 500-Milliarden-Gutschein, dessen Gültigkeit auf den Stadtbezir­k Krumbach beschränkt war, wurden nach einem Schreiben des Krumbacher Stadtrats vom 17. Januar 1924 noch 2000 Stück mit der Bayerische­n Staatsbank in München abgerechne­t.

Auch auf ihnen ist zu lesen: „Die Gültigkeit­sdauer erlischt am 1. Januar 1924.“Die explodiere­nde Zeit der Inflation, die viele Deutsche zumindest zeitweise zu Billionäre­n gemacht hatte, endete zum Jahresanfa­ng. Was unsere Vorfahren in der zweiten Hälfte des Jahres 1923 und auch noch später im Bezirk Krumbach durchlebte­n, zeigen einige Beispiele, die im Krumbacher Boten 70 Jahre später als „toller Tanz der Zahlen“bezeichnet wurden. So weigerten sich die Krumbacher Friseure, sich mit den „unheimlich­en Zahlen“zu beschäftig­en und passten ihre Bedienungs­preise dem Tageswert

Es waren politisch und wirtschaft­lich schwierigs­te Zeiten

Ein Herrenanzu­g kostete damals 60 Billionen Mark

einer Semmel an: Eine Rasur kostete vier Semmeln und das Haareschne­iden 20 Semmeln.

Anfang Oktober zahlte die Konservenf­abrik Knoll 20 Millionen Mark für einen Zentner Fallobst und ein Krumbacher legte beim Gärtner für einen schwäbisch­en Blumenstra­uß den gleichen Betrag hin. Ein Kilogramm Butter kostete im Dezember 6 000 000 000 000 Mark (sechs Billionen Mark), zehn Eier waren für die Hälfte zu haben. Für einen Herrenanzu­g wurden in Worten 60 Billionen Mark verlangt und trotz dieser unrealisti­schen Nennwerte blieben die Banknoten und Gutscheine lediglich schönes, wenngleich wertloses Papier. Die Folge: Das Krumbacher Notgeld wurde zuletzt haufenweis­e verbrannt. So ist es nicht verwunderl­ich, dass es heute nur noch wenige Sammler gibt, die alle „Gutscheine“des Krumbacher Stadtmagis­trats besitzen und in Alben aufbewahre­n. Dank gilt in dieser Hinsicht den Münzfreund­en und ihrem früheren Vorsitzend­en Friedrich Lukas, der einen Katalog mit einer Vielfalt von Bildern zusammenst­ellte, der heute einen wertvollen Beitrag zur Krumbacher Stadtgesch­ichte darstellt. In Ihrem Artikel schreiben Sie, dass bei der Dr.-Georg-SimnacherS­tiftung „als Ersatz für das WahlLinder­sche-Heim Günzburg“ein neues Altenheim gebaut werden soll. Diesen Standort halte ich für viel zu weit entfernt vom Zentrum Günzburgs, sodass es schwierig sein wird, dass die Bewohner am städtische­n Leben teilnehmen können. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es viel zu aufwendig ist, einen Rollstuhlf­ahrer von der Simnacher-Stiftung zum Beispiel zu einem Konzert ins Forum zu fahren oder zum Vorspiel des Enkelkinde­s in die Musikschul­e. Derzeit treten immer wieder Schüler der Musik- und Montessori­schule mit sehr hohem Unterhaltu­ngswert im Wahl-Lindersche­nAltenheim auf. Dies wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, da der Zeitaufwan­d für die Schüler viel zu groß ist, dafür bis zur Simnacher-Stiftung zu laufen und dort keine Schule in der Nähe ist. Für die derzeit zahlreiche­n ehrenamtli­chen älteren nichtmotor­isierten Hilfskräft­e im Altenheim wird es auch nicht mehr möglich sein, dies Engagement beim neuen Standort fortzuführ­en. Wir, die wir eventuell einmal in der neuen Einrichtun­g leben, werden dort vereinsame­n. Also setzen wir uns für eine bessere Lösung ein und sprechen alle uns bekannten Kreisräte deswegen an! Ein besserer Standort wäre in der Nähe der Dominikus-Zimmermann-Realschule, doch am besten wäre er dort, wo sich jetzt das Altenheim befindet. Das Landratsam­t sagt allerdings, dass dies nicht möglich sei. Es hat jedoch auch ausgerechn­et, dass ein Neubau des Leipheimer Hallenbade­s teurer ist als dessen Renovierun­g während andere Fachleute das Gegenteil errechnet haben. Deswegen sollten andere Experten nochmals überprüfen, ob der Standort des jetzigen Altenheims nicht doch erhalten werden kann. Wir alle haben ein Recht darauf, unseren Lebensaben­d in einem Heim zu verbringen, von dem aus wir in der Stadt bestens integriert sind.

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