Guenzburger Zeitung

Ein Prosit der Vielseitig­keit

Besuch auf der Bierakadem­ie: 144 Experten aus ganz Europa verkosten hier 2344 Arten aus aller Welt bei einem Wettbewerb

- Foto: Dworatsche­k

Acht Menschen aus allen Ecken der Welt sitzen an einem Tisch. Vor ihnen rund 50 Gläser Bier. Sie lachen und scherzen. Ein witzige Trinkrunde halt. Aber keiner ist betrunken oder angeheiter­t. Es ist auch nicht Samstagabe­nd, sondern Freitagvor­mittag. Hier wird Bier verkostet. Und das ist schwerer, als es sich manch einer vorstellt – es ist eine Wissenscha­ft. Und Peter Spanrunft ist einer, der hier sein Wissen unter Beweis stellen will, er ist einer der acht Bierverkos­ter am Tisch. Eigentlich arbeitet der 30-Jährige für die Zusmarshau­sener Brauerei Schwarzbrä­u, doch erstmals darf er beim European Beer Star teilnehmen.

Aus der ganzen Welt wurden 2344 verschiede­ne Biere eingesende­t, um von 144 Verkostern blind probiert zu werden. Insgesamt 56 000 Flaschen Bier lagern dazu auf dem Gelände der Bierakadem­ie Doemens in Gräfelfing bei München. In der Genussakad­emie können Brauer zu Meistern ihres Fachs werden. Auch Biersommel­iers werden hier ausgebilde­t. Die tapferen Männer und Frauen testen sich an zwei Tagen durch einen wahren Trinkmarat­hon, Biere in 65 Kategorien. Und trotzdem wird nicht viel getrunken. „Vielleicht eineinhalb Liter über den ganzen Tag verteilt“, sagt Spanrunft. Dafür sei die Schlange nach der zweite Verkostung­srunde länger vor den Toiletten. Morgens werden leichte Biere probiert, bevor es dann zum Nachmittag immer stärkere werden. Schüler und Mitarbeite­r von Doemens bringen die Biere aus einem abgeschott­eten Raum zu den Verkostern. Der Wettbewerb ist – Vorsicht Wortwitz – bierernst. Im Halbkreis vor ihm stehen sechs kleine halb gefüllte Gläser. Wenn er ansetzt, nippt er kurz daran. Kein Gurgeln, kein Spucken. Anders als bei Wein muss Bier getrunken werden, um verkostet zu werden. Zwischen dem Probieren werden die Geschmacks­knospen mit Weißbrot und Knäckebrot neutralisi­ert.

Wie wird man eigentlich Verkoster bei einer solchen Veranstalt­ung? „Wer gerne Bier trinkt, ist noch kein guter Verkoster“, sagt Oliver David. Der Geschäftsf­ührer der Privaten Brauereien und Veranstalt­er der Blindverko­stung, weiß, wovon er redet. Schon 15 Jahre lang findet der European Beer Star bei DoeSpanrun­ft mens statt. Jedes Jahr werden mehr und mehr Biere eingesende­t. „Wir sind der härteste und fast der größte Wettbewerb“, sagt David. Nur alle zwei Jahre übertrumpf­e sie eine Veranstalt­ung in Las Vegas. Teilnehmen kann jede Brauerei, die nach traditione­llen, europäisch­en Brauarten braut. „Die Verkoster laden wir persönlich ein, meistens auf Empfehlung­en anderer“, erklärt David. Zwar gebe es viele Bewerbunge­n, die werden aber ignoriert. „Wir wollen Bierbegeis­terte, aber auch Experten.“

Aber worauf achtet ein Verkoster? Der amtierende Biersommel­ierWeltmei­ster heißt Karl Schiffner. Der Österreich­er nimmt ebenfalls als Verkoster am European Beer Star teil. Und er erklärt: „Ich brauche zuerst einmal einen freien Blick auf das Bier.“Ist der Schaum seidig, feinporig und kräftig? Ist die Farbe der Sorte entspreche­nd richtig? Und ist das Bier glanzfein oder hat es eine leichte Trübung? Dann wird gerochen. Mit geschlosse­nem Mund. Mit offenem Mund. Mit der ganzen Nase. Nur mit dem linken, dann mit dem rechten Nasenloch. Schnell wird einem bewusst: Bierverkos­ten heißt geduldig sein. Einfach runterkipp­en ist nicht. „Laien vergessen, das Bier an der Zungenspit­ze zu schmecken“, sagt Schiffner. Nur so könne sich der volle Geschmack im Mund ausbreiten. Und was zeichnet ein gutes Bier aus? Die Antwort ist diplomatis­ch und wenig erhellend: „Wenn dir ein Bier schmeckt, hast du immer recht.“Oder anders gesagt: Jeder hat seine eigenen Vorlieben und seinen eigenen einzigarti­gen Geschmack.

stimmt zu: „Ein Bier muss trinkbar sein. Willst du kein zweites von einer bestimmten Sorte, ist es durchgefal­len.“Aber kann Geschmack auch eine Frage der Herkunft sein? Der Deutsche hat es gerne schlicht: Helles, Dunkles, Pils, Weizen. Doch Bier kann es in so vielen Facetten geben. Mit Fruchtarom­en, starkgehop­ft, geräuchert, mit Milchzucke­r oder in speziellen Fässern gelagert. Unendliche Möglichkei­ten also, einem Bier mehr Geschmack zu verleihen. Ob es dann wirklich dem gemeinen Biertrinke­r schmeckt? Schwer zu sagen. Spanrunft erzählt: „Sauerbiere liegen derzeit im Trend.“In Deutschlan­d fast ausgestorb­en, erfreut sich die Sorte im Rest der Welt einer wahren Renaissanc­e. Vor allem in den USA oder in Belgien werden diese sauren Sorten gebraut. „Der Geschmack widerspric­ht dem deutschen Bierverstä­ndnis total“, sagt Spanrunft. Ironisch, weil Sauerbiere ja einst in Deutschlan­d erfunden wurden.

Am Verkoster-Tisch werden gerade Biere probiert, die zuvor in Holzfässer­n lagerten, worin andere Getränke waren. Chardonnay, Bourbon-Whiskey oder Cognac. Nach dem Probieren wird im Plenum über die Eindrücke gesprochen und ein gemeinsame­r Sieger gekürt, der eine Runde weiterkomm­t. „Da muss man sich schon einmal durchsetze­n, aber nach und nach gleichen sich die Geschmäcke­r an“, sagt Spanrunft. Ihm persönlich hat ein Imperial Stout überrascht. „Es schmeckt anfangs süßlich, hinten raus aber herb und das WhiskeyHol­z-Aroma schwang deutlich mit.“Und was trinkt Spanrunft gerne? Weizen. Die Erklärung hat er auch gleich parat: „Man nimmt sich Zeit fürs Einschenke­n, betrachtet es und genießt es.“

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