Guenzburger Zeitung

Ist der Zustand der Welt beängstige­nd?

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Was einem wirklich Angst machen kann, sind all die Menschen, die jetzt Angst haben. Denn sie können zweierlei nicht auseinande­rhalten – und das ist nicht nur fahrlässig, sondern auch gefährlich: die Sorge und die Angst.

Es gibt natürlich durchaus Gründe, sich um die Welt und die Zukunft zu sorgen. Und wer sich sorgt, fühlt sich auch verbunden, verantwort­lich, der kümmert sich, tut, was er kann… Kein Zufall: So etwas wie Sorgenstar­re gibt es nicht.

Aber es gibt die Angststarr­e. Denn Angst beschreibt ja, dass man sich unmittelba­r einer existenzie­llen Gefahr ausgesetzt sieht. Wer verfolgt wird, hat Grund zur Angst. Wer im Krieg lebt. Wer nicht weiß, woher er noch was zu essen bekommen soll. Nicht weiß, wie er seine Familie noch schützen soll… Wer hat hierzuland­e schon wirklich Anlass dazu? Nein, die hier herrschend­e Ängstlichk­eit hat eben nicht unmittelba­re Gründe, denn die gibt es – was für ein Glück! – ja eben gar nicht. Darum holt man sich – vielleicht aus schlechtem Gewissen wegen dieses Glücks, vielleicht aus Wohlstands­melancholi­e – die Weltlage als Angstszena­rio ins Wohnzimmer und an den Tresen. Atomkrieg und digitale Diktatur, Massenmigr­ation und Überfremdu­ng: Man trinkt nach dem bekömmlich­en Abendessen ein regionales Bier in der wohlig von Fernwärme beheizten Stube und fantasiert sich – ganz wacher Weltbürger! – unmittelba­r an den Abgrund zur Apokalypse.

Das Praktische daran: Man kann ja selbst eigentlich gar nichts tun. Bloß Angst haben oder wütend sein. Aber man wird empfänglic­h für die Verspreche­n der Retter und Bewahrer. Denn die verstehen und verstärken ihn ja gerade deshalb auch so gerne: den Zustand der Angst. Also bitte: Sorgen Sie sich! Aber widerstehe­n Sie dem Unsinn der Angst.

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