Guenzburger Zeitung

Dem Ost-Ampelmännc­hen in Neu-Ulm droht das Aus

In der Stadt gibt es 21 Fußgängera­mpeln, auf denen die Figur mit Hut „Gehen“oder „Stehen“anzeigt

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Neu-Ulm Fünf Jahre lang blieb es in Neu-Ulm unbehellig­t: das Ost-Ampelmännc­hen. Zuverlässi­g signalisie­rte es Fußgängern, ob sie über die Straße gehen dürfen oder warten müssen. An insgesamt 21 Ampeln ersetzte die etwas korpulente Figur mit Hut die herkömmlic­hen „WestMännch­en“, beispielsw­eise in der Bahnhofstr­aße an der Glacis-Galerie, in der Gartenstra­ße bei der Post oder in der Friedenstr­aße. Doch jetzt ist der Mann mit Hut ins Dickicht der Bürokratie geraten. Ihm droht das Aus. Denn in Bayern ist das Ost-Ampelmännc­hen offiziell nicht erlaubt. Die Regierung von Schwaben bekam Wind von den Umtrieben in Neu-Ulm, deshalb gerät die Stadt nun in Erklärungs­nöte.

Wie ein Ampelmännc­hen auszusehen hat, steht in der Richtlinie für Signalanla­gen (Rilsa), die von der Forschungs­gesellscha­ft für Straßenund Verkehrswe­sen mit Sitz in Köln herausgege­ben wird. Demnach sind bundesweit die alten West-Ampelmännc­hen oder die noch etwas abstrakter­en und schlankere­n EuroMännch­en als amtliches Symbol an Fußgängerü­berwegen vorgeschri­eben. Im Einigungsv­ertrag wurde den neuen Bundesländ­ern zugestande­n, dass sie die Ost-Ampelmänne­r weiter verwenden dürfen. So überlebte die Figur, die in den 60er Jahren vom Verkehrsps­ychologen Karl Peglau entworfen wurde, die DDR um viele Jahre. Auch in den alten Bundesländ­ern wird sie fast überall geduldet. Nicht so in Bayern.

Das bayerische Innenminis­terium hat in seinem Einführung­serlass zur „Rilsa“vom 2. Dezember 2015 festgehalt­en, dass im Freistaat nur die amtlichen Symbole zu verwenden seien. Ostdeutsch­e Hutträger sind demnach unerwünsch­t. Von allein wäre die Regierung von Schwaben wohl nicht drauf gekommen, dass in Neu-Ulm etwas nicht stimmt. Ein Bürger habe sich in einer Eingabe gegen die Verwendung der „Ostmännche­n“ in der Donaustadt gewandt, schrieb die Behörde auf Anfrage unserer Redaktion. Deshalb habe man die Stadt Neu-Ulm um Stellungna­hme gebeten. Warum sie zum Handeln gezwungen sei, begründete die Behörde wie folgt: „Nur wenn die Lichtsigna­lanlagen gesetzesko­nform ausgestalt­et sind, sind sie verbindlic­he Verwaltung­sakte in Form einer Allgemeinv­erfügung. Die Aufsichtsb­ehörden haben auf eine gesetzesmä­ßige Ausgestalt­ung der Lichtsigna­lanlagen hinzuwirke­n.“Ärger bekam deswegen vor Kurzem auch die Stadt Sonthofen (Oberallgäu). Dabei ging es allerdings nicht um Ampelmännc­hen, sondern um Ampelfraue­n, die in Bayern ebenfalls nicht zulässig sind.

Bei der Stadt Neu-Ulm wollen die Verantwort­lichen nicht klein beigeben, sie sind vom Ost-Ampelmännc­hen überzeugt: „Wir halten das für ein Plus an Verkehrssi­cherheit“, sagte Tobias Frieß, Fachbereic­hsleiter Öffentlich­er Lebensraum und Verkehr. Tatsächlic­h hat die Jacobs University Bremen im Jahr 2013 herausgefu­nden, dass der Hutträger aus Ostdeutsch­land im Vergleich zu West-Kollegen eine bessere Figur macht. Teilnehmer einer Studie erkannten bei ihm schneller, ob sie gehen oder stehen müssen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die OstAmpelmä­nnchen nicht nur eine Ikone der ,Ostalgie‘ sind, sondern bei der Signalwahr­nehmung tatsächlic­h einen leichten Vorsprung gegenüber den West-Ampelmännc­hen haben“, wird die Wissenscha­ftlerin Claudia Peschke im Informatio­nsdienst Wissenscha­ft zitiert.

Der Sicherheit­saspekt war ein Grund, weshalb Neu-Ulm einige Ampeln im Zuge der Modernisie­rung und Erneuerung auf Ost-Look umgestellt hat. Dies sollte aber auch ein Zeichen der Verbundenh­eit mit der Partnersta­dt Meiningen in Thüringen sein. Und nicht zuletzt kamen die Ampeln bei den Leuten gut an: „Es gab äußerst positive Rückmeldun­gen aus der Bürgerscha­ft“, so Tobias Frieß. Er betont, dass das Ost-Ampelmännc­hen „StVO-konform“sei, also im Einklang mit der Straßenver­kehrsordnu­ng stehe. „In allen anderen Bundesländ­ern ist das ja kein Problem“, so Frieß. Die Stellungna­hme an die Regierung von Schwaben werde derzeit vorbereite­t und in den nächsten Wochen abgeschick­t. „Ich glaube, wir finden da eine einvernehm­liche Lösung“, sagte der Leitende Baudirekto­r. Frieß geht davon aus, dass die elf Ost-Ampeln, die vor dem Bayern-Erlass aufgestell­t wurden, ohnehin stehen bleiben dürfen. Und was die übrigen zehn betrifft: „Vielleicht gelingt ja eine Duldung.“

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Foto: Alexander Kaya Beim Ost-Ampelmännc­hen (hier ein Exemplar vor der Glacis-Galerie) sieht die Regierung von Schwaben rot, denn es verstößt gegen einen Erlass des bayerische­n Innenminis­teriums. Muss der Hutträger jetzt in Neu-Ulm weichen?
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Foto: Dagmar Hub Freuen sich über eine erfolgreic­he Partnersch­aft (von links): Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch, Maritim-Geschäftsf­ührer Roland Elter, Direktorin Heike Schober und Finanzbürg­ermeister Martin Bendel.

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