Dem Ost-Ampelmännchen in Neu-Ulm droht das Aus
In der Stadt gibt es 21 Fußgängerampeln, auf denen die Figur mit Hut „Gehen“oder „Stehen“anzeigt
Neu-Ulm Fünf Jahre lang blieb es in Neu-Ulm unbehelligt: das Ost-Ampelmännchen. Zuverlässig signalisierte es Fußgängern, ob sie über die Straße gehen dürfen oder warten müssen. An insgesamt 21 Ampeln ersetzte die etwas korpulente Figur mit Hut die herkömmlichen „WestMännchen“, beispielsweise in der Bahnhofstraße an der Glacis-Galerie, in der Gartenstraße bei der Post oder in der Friedenstraße. Doch jetzt ist der Mann mit Hut ins Dickicht der Bürokratie geraten. Ihm droht das Aus. Denn in Bayern ist das Ost-Ampelmännchen offiziell nicht erlaubt. Die Regierung von Schwaben bekam Wind von den Umtrieben in Neu-Ulm, deshalb gerät die Stadt nun in Erklärungsnöte.
Wie ein Ampelmännchen auszusehen hat, steht in der Richtlinie für Signalanlagen (Rilsa), die von der Forschungsgesellschaft für Straßenund Verkehrswesen mit Sitz in Köln herausgegeben wird. Demnach sind bundesweit die alten West-Ampelmännchen oder die noch etwas abstrakteren und schlankeren EuroMännchen als amtliches Symbol an Fußgängerüberwegen vorgeschrieben. Im Einigungsvertrag wurde den neuen Bundesländern zugestanden, dass sie die Ost-Ampelmänner weiter verwenden dürfen. So überlebte die Figur, die in den 60er Jahren vom Verkehrspsychologen Karl Peglau entworfen wurde, die DDR um viele Jahre. Auch in den alten Bundesländern wird sie fast überall geduldet. Nicht so in Bayern.
Das bayerische Innenministerium hat in seinem Einführungserlass zur „Rilsa“vom 2. Dezember 2015 festgehalten, dass im Freistaat nur die amtlichen Symbole zu verwenden seien. Ostdeutsche Hutträger sind demnach unerwünscht. Von allein wäre die Regierung von Schwaben wohl nicht drauf gekommen, dass in Neu-Ulm etwas nicht stimmt. Ein Bürger habe sich in einer Eingabe gegen die Verwendung der „Ostmännchen“ in der Donaustadt gewandt, schrieb die Behörde auf Anfrage unserer Redaktion. Deshalb habe man die Stadt Neu-Ulm um Stellungnahme gebeten. Warum sie zum Handeln gezwungen sei, begründete die Behörde wie folgt: „Nur wenn die Lichtsignalanlagen gesetzeskonform ausgestaltet sind, sind sie verbindliche Verwaltungsakte in Form einer Allgemeinverfügung. Die Aufsichtsbehörden haben auf eine gesetzesmäßige Ausgestaltung der Lichtsignalanlagen hinzuwirken.“Ärger bekam deswegen vor Kurzem auch die Stadt Sonthofen (Oberallgäu). Dabei ging es allerdings nicht um Ampelmännchen, sondern um Ampelfrauen, die in Bayern ebenfalls nicht zulässig sind.
Bei der Stadt Neu-Ulm wollen die Verantwortlichen nicht klein beigeben, sie sind vom Ost-Ampelmännchen überzeugt: „Wir halten das für ein Plus an Verkehrssicherheit“, sagte Tobias Frieß, Fachbereichsleiter Öffentlicher Lebensraum und Verkehr. Tatsächlich hat die Jacobs University Bremen im Jahr 2013 herausgefunden, dass der Hutträger aus Ostdeutschland im Vergleich zu West-Kollegen eine bessere Figur macht. Teilnehmer einer Studie erkannten bei ihm schneller, ob sie gehen oder stehen müssen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die OstAmpelmännchen nicht nur eine Ikone der ,Ostalgie‘ sind, sondern bei der Signalwahrnehmung tatsächlich einen leichten Vorsprung gegenüber den West-Ampelmännchen haben“, wird die Wissenschaftlerin Claudia Peschke im Informationsdienst Wissenschaft zitiert.
Der Sicherheitsaspekt war ein Grund, weshalb Neu-Ulm einige Ampeln im Zuge der Modernisierung und Erneuerung auf Ost-Look umgestellt hat. Dies sollte aber auch ein Zeichen der Verbundenheit mit der Partnerstadt Meiningen in Thüringen sein. Und nicht zuletzt kamen die Ampeln bei den Leuten gut an: „Es gab äußerst positive Rückmeldungen aus der Bürgerschaft“, so Tobias Frieß. Er betont, dass das Ost-Ampelmännchen „StVO-konform“sei, also im Einklang mit der Straßenverkehrsordnung stehe. „In allen anderen Bundesländern ist das ja kein Problem“, so Frieß. Die Stellungnahme an die Regierung von Schwaben werde derzeit vorbereitet und in den nächsten Wochen abgeschickt. „Ich glaube, wir finden da eine einvernehmliche Lösung“, sagte der Leitende Baudirektor. Frieß geht davon aus, dass die elf Ost-Ampeln, die vor dem Bayern-Erlass aufgestellt wurden, ohnehin stehen bleiben dürfen. Und was die übrigen zehn betrifft: „Vielleicht gelingt ja eine Duldung.“