Guenzburger Zeitung

Die Spaltung des Landes ist Trumps giftiges Geschäftsm­odell

Der US-Präsident wurde bei den Zwischenwa­hlen für seine Politik belohnt. Das verheißt nichts Gutes für die kommenden Jahre

- VON KARL DOEMENS redaktion@augsburger-allgemeine.de

Er ist angeschlag­en. Aber keineswegs am Boden. Am Morgen nach den schicksalh­aften Kongresswa­hlen hat Donald Trump nach ungewöhnli­ch langer Schweigeph­ase sein Smartphone wiedergefu­nden und propagiert seither seine Version der Geschichte: Einen gewaltigen Triumph habe er trotz aller Intrigen der linken Medien errungen. Einen Magier nenne man ihn nun, twittert der Narzisst im Weißen Haus berauscht. Das ist natürlich maßlos übertriebe­n. Aber völlig falsch ist es auch nicht.

Mit der Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus haben die Demokraten einen Pflock eingeschla­gen. Sie haben das faktische Ein-ParteienSy­stem in den USA beendet und werden den zunehmend autoritär und absolutist­isch agierenden Präsidente­n endlich jener parlamenta­rischen Kontrolle unterziehe­n, die seine republikan­ischen Speichelle­cker verweigern. Und sie haben der Welt mit einer Vielzahl junger, weiblicher, nicht-weißer oder schwuler Kandidaten gezeigt, dass Amerika viel bunter ist, als es der apokalypti­sche Angstmache­r im Weißen Haus vermuten lässt.

Das ist ein historisch­es Verdienst. Ein Grund zur Euphorie ist es aber nicht. Zur Mitte der Amtszeit jedes Präsidente­n ist ein Pendelauss­chlag in die andere Richtung normal. Dass er trotz Trumps unerhörter Amtsführun­g, der pausenlose­n Diffamieru­ng des politische­n Gegners, der offenen Hetze gegen Minderheit­en und seiner tausenden Lügen nicht kraftvolle­r ausfiel, wirkt enttäusche­nd. Natürlich hilft Trump die robuste Konjunktur mit einem rekordverd­ächtigen Tiefstand der Arbeitslos­igkeit. Und sicher haben die Republikan­er den Zuschnitt der Wahlkreise in den vergangene­n Jahren zu ihren Gunsten manipulier­t. Aber wahr ist auch, dass der harte Kern seiner Anhänger trotz aller Eskapaden und Affären unbeirrt hinter ihm steht.

Die beispiello­se Polarisier­ung im Wahlkampf hat viele Nichtwähle­r in den Großstädte­n an die Urnen getrieben und einer beachtlich­en Reihe von demokratis­chen PolitNeuli­ngen einen Sitz im Repräsenta­ntenhaus verschafft. Doch im republikan­ischen Herzland haben Trumps hasserfüll­te Parolen umgekehrt die von Verlustäng­sten getriebene weiße Anhängersc­haft des Präsidente­n stark mobilisier­t.

Entspreche­nd zwiespälti­g ist der Ausblick auf die kommenden zwei Jahre bis zur nächsten Präsidents­chaftswahl. Die Demokraten werden dem Präsidente­n heftigen politische­n Gegenwind bescheren. Sie werden weder seine Mauer noch die Demontage von Obamacare oder weitere schuldenfi­nanzierte Steuergesc­henke genehmigen. Der Vorsitz in allen Parlaments­ausschüsse­n gibt ihnen die Hebel, um Trump unter Druck zu setzen. Den Juristen im Weißen Haus stehen Überstunde­n bevor.

Doch eine Chance haben die Demokraten bei den Präsidents­chaftswahl­en 2020 nur, wenn sie eigene Politikfäh­igkeit beweisen, einen erkennbare­n Kurs fahren und mit charismati­schen Köpfen für einen Wechsel werben. Hingegen könnte sich ein Vorstoß zur Amtsentheb­ung Trumps angesichts der gestärkten republikan­ischen Mehrheit im Senat als Bumerang erweisen. Und an politische­r Orientieru­ng fehlt es der Partei ebenso wie an attraktive­m Personal.

Diese Schwächen wird Trump gnadenlos nutzen. Er wird die Demokraten noch maßloser als bisher als Verräter und Blockierer diffamiere­n. An einer Aussöhnung mit der Opposition hat er kein Interesse. Die Spaltung des Landes ist sein giftiges Geschäftsm­odell, für das ihn seine Anhänger belohnt haben. Das sind bedrückend­e Aussichten für das zerrissene Land: Offenbar muss es tatsächlic­h noch schlimmer kommen, bevor es möglicherw­eise besser werden kann.

Den Juristen im Weißen Haus drohen Überstunde­n

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