„Donald Trump darf sich als Sieger fühlen“ „Damit ist Trump als Kandidat für 2020 gesetzt. Das wäre ihm bei einem überwältigendem Erfolg der Demokraten nicht gelungen.“
Interview Der USA-Experte Thomas Jäger hatte als einer von wenigen 2016 den Wahlsieg des Präsidenten vorhergesagt. Der Kölner Professor erklärt den Ausgang der Kongresswahl und die Ursachen hinter dem Phänomen Trump
Thomas Jäger
Herr Professor Jäger, der Ausgang der wichtigen Kongresswahlen in Amerika wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich: Im Parlament des Repräsentantenhauses haben die oppositionellen Demokraten zugelegt, im Senat dagegen die Republikaner von Präsident Donald Trump. Was bedeutet dieses Ergebnis für Trump? Thomas Jäger: Donald Trump darf sich als Sieger fühlen. Der Wahlausgang bedeutet, dass Trump seine Position in der republikanischen Partei und seine Ausgangsposition für die Präsidentschaftswahl 2020 deutlich gestärkt hat. Es wurde ja vorher vermutet, dass dies für Trump eine Denkzettelwahl werden könnte. Dazu ist es nicht gekommen. Die Republikaner haben zwar die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren, aber ihre Mehrheit im Senat verteidigt und sogar ausgebaut. Viele seiner Kandidaten, für die er stark Wahlkampf gemacht hat, konnte Trump durchbringen. Damit ist Trump innerhalb seiner Partei als Kandidat für 2020 gesetzt. Das wäre bei einem überwältigendem Erfolg der Demokraten ganz anders gewesen, wenn die sogenannte blaue Welle über die USA geschwappt wäre und Trumps Kandidaten krachend verloren hätten. Wie bedeutend ist der Erfolg für die Demokraten, dass sie im Repräsentantenhaus die Mehrheit erobern konnten? Sie können ja dort in Zukunft Trump das Leben schwer machen. Einerseits in der Gesetzgebung. Andererseits ist bereits die Rede davon, dass sie nun die Macht haben, Trumps unter Verschluss gehaltene Steuererklärungen zu prüfen… Jäger: Die Demokraten dürfen sich ein bisschen als Sieger fühlen. Das ist ein Erfolg, aber man darf ihn nicht zu großschreiben. Denn was wurde alles gesagt: Trump sei der Präsident mit den schlechtesten Umfragewerten und der Präsident, der am stärksten seine Gegner mobilisiere. Eigentlich eine wunderbare Voraussetzung, ihn zu schlagen. Das ist nicht passiert. Aber richtig ist, die Demokraten haben nun große parlamentarische Macht. Das Repräsentantenhaus ist für die Gesetze und insbesondere für den Haushalt zuständig. Hier wird entschieden, welche Politik finanziert wird. Die Demokraten stellen künftig alle wichtigen Ausschussvorsitzenden. Und zum ersten Mal seit Trump im Amt ist, wird der Präsident einer parlamentarischen Kontrolle unterzogen. Die Demokraten werden die Ausschüsse als etwas nutzen, was wir als Untersuchungsausschüsse bezeichnen würden. Sie werden Trump piesacken. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Trump nun seinen Stil ändert, weil er nun Kompromisse machen muss? Jäger: Das ist jetzt die große Frage. Er hat sich in den ersten zwei Jahren auf einen Konfrontationskurs festgelegt und ist damit ganz gut gefahren. Die Republikaner werden versuchen, bei Abstimmungen einige konservative Demokraten zu sich herüberzuziehen, um das Ergebnis zu drehen. Denn eine Reihe von Demokraten kommt aus konservativen und ländlichen Gegenden und muss eine andere Politik machen als ihre aus den großen Metropolen. Man muss sehen, ob Trump Kompromisse macht. Wir haben aber an seiner Nordkorea-Politik gesehen, dass er dazu fähig ist. Die Demokraten haben ihre Wahlziele insbesondere in Florida und Texas nicht erreicht und sogar wichtige Senatorenposten verloren. Warum konnten sie beim Senat weniger punkten? Jäger: Die Mehrheit im Senat zu brechen, war für die Demokraten ungleich schwieriger als im Repräsentantenhaus. Es standen nur neun Senatoren der Republikaner, aber 26 von den Demokraten zur Wahl. Das hat die Ausgangslage ungleich gemacht. Und Trump hat in den Staaten, in denen die Demokraten jetzt verloren haben, massiv Wahlkampf gemacht. Das ist ein Erfolg für Trump. Die Demokraten hatten kein Mittel, das sie ihm entgegensetzen konnten. Ist diese Wahl wieder ein Ausdruck einer tiefen Spaltung Amerikas? Es fällt auf, dass sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern gerade die moderateren Kandidaten, die eher eine Politik der Mitte vertreten, besonders große Probleme hatten. Jäger: Ja, diese Wahl ist ein Beleg dafür, auch deshalb, weil Trump genau das befördert hat. Er hat im Wahlkampf eine aggressive Tonlage gegenüber den Demokraten angeschlagen und sie als eine Partei des Mobs und der Kriminalität beschimpft, die Verbrecher ins Land holen will. Das hat die Gräben weiter vertieft. Wird dieser Stil Donald Trumps die politische Auseinandersetzung dauerhaft verändern? Jäger: Diese starke Polarisierung hat sich schon vorher angedeutet. Der Versuch, die Wählerschaft stark zu spalten, hat im Prinzip schon seit George W. Bush begonnen, und sich auch bei Barack Obama fortgesetzt, auch wenn das uns Europäern bei ihm weniger aufgefallen ist. Einerseits geht die scharfe Form der kulKollegen turellen Auseinandersetzung zwischen Liberalen und Konservativen in den USA weit zurück bis in die sechziger Jahre. Durch den technischen Fortschritt in der Wahlkampfführung kann man aber nun viel genauer die eigenen Anhängergruppen adressieren und aus der Polarisierung mehr Kapital schlagen. Man muss leider feststellen: Donald Trumps Taktik hat sich ausgezahlt. Inzwischen macht das Modell Trump international immer mehr Schule, wie man in Brasilien oder am Aufschwung der Populisten in Europa gesehen hat. Was steckt hinter diesem Phänomen? Jäger:
Da gibt es gemeinsame Ursachen. In all diesen Gesellschaften geht die Schere zwischen Arm und Reich auseinander und die wirtschaftliche Kluft wird größer. Dazu kommt eine kulturelle Auseinandersetzung zwischen denen, die den Globalisierungsprozess als Zugewinn an Lebenschancen begreifen und denjenigen, die die Globalisierung ängstigt. Für wie hoch halten Sie die Chancen, dass Donald Trump auch nach 2020 Präsident sein wird? Jäger: Seine Chancen sind durch dieses Ergebnis jedenfalls nicht schlechter geworden. Die Vereinigten Staaten sind in einer ausgezeichneten wirtschaftlichen Verfassung. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Das sind eigentlich genau die Bedingungen, unter denen US-Präsidenten gewöhnlich wiedergewählt werden. Trump hat sich nicht in kriegerische Maßnahmen verwickeln lassen und sich aus internationalen Konflikten militärisch weitgehend herausgehalten. Wenn das so bleibt, sind die Aussichten Trumps trotz seinen Zustimmungsraten von nur knapp über 40 Prozent gut. Aber es gibt auch viele Unsicherheiten. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung der USA unter den von Trump befeuerten Handelskonflikten stark leiden würde, könnte das alles auf den Kopf stellen. Interview: Michael Pohl