Guenzburger Zeitung

Wie kann man den Feldhamste­r retten?

Natur Die possierlic­hen Tierchen sind in Bayern vom Aussterben bedroht. Nur im Norden des Freistaate­s gibt es sie noch. Was ihnen so zu schaffen macht

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Wenn man Ralf Schreiber so zuhört, dann vergeht einem ein wenig der Appetit aufs Mittagesse­n. Hamster aus dem Kochtopf? Im Ernst? Früher sei das gar nicht so ungewöhnli­ch gewesen, sagt der Biologe aus Neu-Ulm, der sich seit Jahrzehnte­n mit dem Feldhamste­r beschäftig­t. In der ehemaligen DDR sei die Hamsterjag­d ein richtiger Wirtschaft­szweig gewesen, die Felle der possierlic­hen Tierchen wurden verkauft und als Innenfutte­r für Mäntel verwendet. Und einige Nager landeten eben im Topf.

Nun ist all das lange her und wäre so heute überhaupt nicht mehr denkbar. Denn der Feldhamste­r, etwa so groß wie ein Meerschwei­nchen und zwischen 400 und 500 Gramm schwer, ist seit Ende der 80er Jahre streng geschützt. Damit will man erreichen, dass der Bestand nicht noch weiter zurückgeht – die Tiere sind vom Aussterben bedroht. Nachdem sie lange gejagt wurden, kann sich der Hamster kaum mehr erholen – vor allem deshalb, weil er in unserem modernen, schnellen Leben einfach keinen Platz mehr zu haben scheint.

„Der Lebensraum des Hamsters hat sich massiv verändert, vor allem durch die intensive Nutzung der Landwirtsc­haft“, sagt Biologe Schreiber. „Ihm bleibt nicht genug Nahrung und nicht genügend Zeit, sich auf den Winter vorzuberei­ten.“Hinzu kommen die vielen Straßen, Gewerbegeb­iete, Supermärkt­e, Logistikha­llen, die tagtäglich im Freistaat entstehen und die den Lebensraum des Hamsters immer kleiner machen. In Bayern gibt es die Tiere heute nurmehr im Norden. „Der Hamster ist ein Franke“, sagt Schreiber. In Schwaben ist das Tier schon seit den 70er Jahren verschwund­en.

Schreibers Beschäftig­ung mit dem Hamster beginnt mit einer Au- tobahn. Der A71. Von Schweinfur­t nach Erfurt. Als die Mitte der 90er Jahre gebaut wurde, ging es um die Frage, ob das für den Hamster ein Problem werden könnte. Schreiber war damals Gutachter. Gebaut wur- de die A71 natürlich – doch für den Hamster gab es Ausgleichs­flächen und Wege, auf denen er jenseits der Schnellver­kehrsstraß­e unterwegs sein konnte. Seit jenem Projekt hat Schreiber die Faszinatio­n für den Nager nicht mehr losgelasse­n. Seine Begeisteru­ng für das Tier führt ihn sogar kreuz und quer durch Europa. Zuletzt nach Straßburg zu einer Tagung von internatio­nalen Feldhamste­r-Experten. „Wir haben dort gemeinsam überlegt, wie wir dem Hamster helfen können. Aber eine Patentlösu­ng, nach der wir alle suchen, gibt es nicht. Die Population geht überall zurück. Nicht nur in Bayern, sondern zum Beispiel auch in Russland.“In einigen Staaten wird der Nager jetzt wieder nachgezüch­tet, auch in einigen deutschen Bundesländ­ern. In Bayern aber nicht. „Das Umweltmini­sterium hat immer gesagt, dass es ihm noch gut geht“, sagt Schreiber. „Aber bei einer Tagung vor kurzem in Würzburg hat das Ministeriu­m dann eingeräumt, dass man etwas tun muss.“

Die Frage ist nur: Was? Man müsse dafür sorgen, dass die Landwirtsc­haft

Der Feldhamste­r ist streng geschützt

Es wird viel zu früh abgeerntet

nicht mehr so intensiv betrieben wird, meint Experte Schreiber. Das dringendst­e Problem sei, dass die Bauern ihre Felder viel zu früh abernteten – dem Hamster fehlt so das Futter für den Winter. Nun ist es aber so, dass der Vertragsna­turschutz eine freiwillig­e Sache ist. Landwirte, die ihre Flächen nach den Zielen des Naturschut­zes bewirtscha­ften, erhalten für den Aufwand und den entgangene­n Ertrag Geld. Allerdings zu wenig, findet Schreiber. „So ist das nicht möglich. Der Anreiz ist zu niedrig.“Schreiber hält es für dringend nötig, dass in Bayern unbedingt die Bauern miteinbezo­gen werden. Zudem müsse es zusätzlich­e Betreuer vor Ort geben, denn die unteren Naturschut­zbehörden seien personell ohnehin schon überlastet.

Wenn man dem Naturexper­ten so zuhört, dann scheint es beileibe nicht einfach zu werden, den Feldhamste­r in Bayern zu retten. Dieses kleine, possierlic­he Tierchen, dem immer mehr Lebensraum abhanden kommt.

 ?? Foto: Uwe Anspach, dpa ?? Feldhamste­r sind nur noch selten in Bayern zu finden. Die Tiere sind vom Aussterben bedroht.
Foto: Uwe Anspach, dpa Feldhamste­r sind nur noch selten in Bayern zu finden. Die Tiere sind vom Aussterben bedroht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany