Guenzburger Zeitung

Lucky Luke und der Kulturscho­ck

Comics Was macht ein Cowboy in Paris? Das alte Europa überrascht den Westernhel­den in seinem neuen Album ein ums andere Mal. Mit Malern, Dichtern und einem Bidet

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Es gibt einen Mann, der „schneller zieht als sein Schatten“. Keine Kunst, das zu wissen. Denn es kann nur Lucky Luke sein, der Cowboy, dessen unerlässli­cher Ritt in die Abendsonne inklusive Singsang ebenfalls längst ein ComicKlass­iker ist. Die Ballade „I’m a poor lonesome cowboy“(„Ich bin ein armer einsamer Cowboy“) gibt es im heute neu erschienen­en Band „Ein Cowboy in Paris“sogar auf Französisc­h – mit einem deutschen Untertitel.

Wie kommt denn nun der Schlaks aus dem Westen in die französisc­he Metropole? Es ist eine komplizier­te Story, die die von Achdé gezeichnet­e und von Jul dem 2001 verstorben­en Lucky-Luke-Schöpfer Morris nachempfun­dene Geschichte dem Leser zumutet. Sie hat mit dem Bildhauer Auguste Bartholdi zu tun und verlangt aufgrund ihrer Weitschwei­figkeit zu Beginn ein gerüttelt Maß an Halbbildun­g, was die Geschichte der amerikanis­chen Freiheitss­tatue betrifft. Bei „Ein Cowboy in Paris“– Achdés und Juls zweitem gemeinsame­n „Lucky Luke“– tourt der Bildhauer Auguste Bartholdi durch die Vereinigte­n Staaten, um Geld für sein neuestes Projekt zu sammeln, die Freiheitss­tatue.

Unglücklic­herweise plant der Gefängnisd­irektor und Buchautor Abraham Locker („Die Leiden des jungen Wärters“), dass auf der für die Freiheitss­tatue vorgesehen­en Insel ein Zuchthaus gebaut werden soll. Er will Bartholdi aus dem Weg räumen.

Der gutmütige Lucky Luke soll Bartholdi, den Franzosen, nach Paris begleiten, wo das ungewöhnli­che Monument gebaut werden soll. Dem wird es auf dem Schiff erst einmal speiübel, bevor er in der französisc­hen Metropole einen Kulturscho­ck der besonderen Art erlebt.

Ab dem zweiten Drittel des Albums beginnt man sich endlich zu amüsieren. Wie schon in den Western-Geschichte­n des „Lucky Luke“-Pioniers Morris gibt es geo- grafische Gags („Camembert, 402 Einwohner. Unser Käse ist weich, aber unser Blei ist hart“). Historisch­e Figuren werden parodiert und entmystifi­ziert. Originell ist das nicht, aber witzig. Kennt man in Deutschlan­d so ähnlich von Asterix.

Selbst der Alltag kann furchteinf­lößend sein. Lucky Lukes Apfelschim­mel „Jolly Jumper“steht vor einer Pferdemetz­gerei und fragt sich: „Was genau meinte der Vizepräsid­ent mit: Die Franzosen mögen Pferde?“Auf seiner Entdeckung­sreise trifft der Cowboy eine schweigsam­e Madame Bovary, nimmt den dämlichen Hund Rantanplan mit zu den Wasserspei­ern von Notre-Dame und trifft beim Absinth die literarisc­hen Sonderling­e Paul Verlaine und Arthur Rimbaud. Der Buchstabe „h“fehlt natürlich in den Sprechblas­en der Franzosen. Am schönsten ist die Anspielung auf Lucky Lukes Schießküns­te bei der Definition des Impression­ismus: „Impression­ismus ’eisst, alle Farben schneller zu malen als ihre Schatten.“

Dass das Arsenal der Hauptfigur­en vorkommen muss, hat auch seine Nachteile. Sie lassen sich schlecht in einer schlüssige­n Handlung gemeinsam unterbring­en: Jolly Jumper, der Wahnsinnsg­aul, der Schach spielen, seiltanzen und Tee kochen kann. Die Daltons, die unfähigste aller Western-Gangs, die deshalb häufig Sträflings­kleidung trägt. Der so dämliche wie liebe Hund Rantanplan. Das alte und neue Europa zusammenzu­bringen, überforder­t zumindest dramaturgi­sch Lucky Luke und seine Freunde.

OAchdé, Jul, Klaus Jöken (Übersetzer): Lucky Luke, Band 97. Ein Cowboy in Paris. Egmont Comic Collection, 48 Seiten, 12 Euro (gebundenes Buch). Der Band erscheint zeitgleich an diesem Donnerstag auch als Softcover bei Egmont Ehapa Media und kostet 6,90 Euro.

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Repro: © Lucky Comics 2018 Da staunt der Cowboy, der in Paris zum ersten Mal eine sanitäre Errungensc­haft namens Bidet erblickt.
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