Guenzburger Zeitung

Ein Sport, zwei Welten

Vereinsver­treter aus ganz Schwaben schütten Reinhard Grindel und seinem Stellvertr­eter Rainer Koch in Margertsha­usen ihr Herz aus. Auch ein Funktionär aus dem Landkreis Günzburg kommt zu Wort

- VON TILL HOFMANN redaktion@guenzburge­r-zeitung.de

Der Fußball ist nicht mehr das, was er war. Zwar scheint die Sportart Nummer eins im Profiberei­ch nach wie vor Massen in Stadien und vor Tv-schirmen zu versammeln. Die Situation in der Beletage des Volkssport­s hat aber nichts mit der Realität im Amateurber­eich zu tun: ein Sport, zwei Welten.

Um etwas von den Sorgen der kleinen Vereine zu erfahren, hat sich Dfb-präsident Reinhard Grindel ins Schwäbisch­e aufgemacht. Er diskutiert­e im Vereinshei­m des Kreisligis­ten SSV Margertsha­usen (Landkreis Augsburg) mit Vereinsver­tretern aus dem Fußballbez­irk Schwaben – darunter auch welche aus dem Kreis Günzburg.

Ein Meinungsau­stausch, der nicht nur der Imagepfleg­e dient und in Wirklichke­it Feigenblat­tcharakter hat, ist löblich. Grindel und der ebenfalls angereiste Präsident des Bayerische­n Fußball-verbandes, Rainer Koch, haben ernsthaft debattiert. Die Lage des Amateurfuß­balls muss die Herren auch bewegen, die natürlich versuchen, mit Fußball beispielsw­eise Sponsoreng­elder zu generieren. Koch selbst, auf Dfb-ebene der Vertreter Grindels, sprach von der schwindend­en Attraktivi­tät des Fußballs bei jungen Menschen. Ob der Sport wieder mehr Zuspruch erfährt, wenn der Verband mithilft, Fußball an der elektronis­chen Spielkonso­le in die Amateurklu­bs einzuglied­ern, ist sogar an der Dfbspitze (Befürworte­r Koch, Gegner Grindel) höchst umstritten.

Vermutlich ist das auch nicht das Kernproble­m: Die Amateurklu­bs müssen sich um motivierte und qualifizie­rte Trainer bemühen; um Eltern, die sich nicht wegducken, wenn ihre Mithilfe gefordert ist und stattdesse­n auf den (in der Regel zu niedrigen) Mitgliedsb­eitrag verweisen, den sie zahlen. Das alles erfordert eine Ehrenamtsk­ultur in den Vereinen, die gelebt werden muss und nicht nur auf dem Papier steht. Die Vereine dürfen Wertschätz­ung von den Kommunen jenseits der Sonntagsre­den erfahren. Ihre Leistung für die Gemeinscha­ft taugt für mehr als für die Rolle eines Bittstelle­rs. Auch der Fußballver­band hat Hausaufgab­en zu machen. Im Fußballkre­is Augsburg etwa unterstütz­te ein fähiger hauptamtli­cher Verbandsmi­tarbeiter die ehrenamtli­ch aufgestell­ten Klubs noch vor einiger Zeit. Das kam an. Die Fortsetzun­g des erfolgreic­hen Versuchs scheiterte an Finanzieru­ngsfragen und wurde still zu Grabe getragen. Das war falsch.

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Margertsha­usen Als Willi Steiger zu seinem Abschiedsg­edicht ansetzte, wurde es am Montagaben­d noch so richtig lustig im Sportheim des SSV Margertsha­usen. „Lieber Herr Doktor Grindel“, hob der langjährig­e Theaterspi­eler an, als sich der Angesproch­ene einmischte. „Bitte sagen Sie das nochmals. Ich höre das so gerne. Aber ich habe diesen Doktortite­l nicht“, stellte der Dfb-präsident klar und hatte damit die Lacher des Publikums auf seiner Seite. So endete der Abend auf humorvolle Weise.

Bereits Anton Schmid, der Vorsitzend­e des gastgebend­en SSV Margertsha­usen, hatte den Dfbpräside­nten als Dr. Reinhard Grindel begrüßt, nachdem die prominente­n Gäste mit einer 20-minütigen Verspätung im Gessertsha­user Ortsteil eingetroff­en waren. Überrasche­nd mit dabei war auch Rainer Koch, seines Zeichens Dfb-vizepräsid­ent und Präsident des Bayerische­n Fußball-verbandes (BFV). Die beiden Herren hatten zunächst die neue Geschäftss­telle des Bezirkes Schwaben bei der Wwk-arena des FC Augsburg in Augenschei­n genommen und anschließe­nd eineinhalb Stunden mit dem Bezirksaus­schuss diskutiert. Nach einer kleinen Stärkung im Gasthof Fuchs in Steppach ging es dann in Richtung Margertsha­usen. Dort wurden vom Sportheim-team bereits Getränke und Schnittche­n an die knapp 100 geladenen Gäste gereicht.

„Der Dfb-präsident macht diese Besuche in den Bezirken bei kleinen Vereinen im Rhythmus von vier Wochen“, erklärte Geschäftss­tellenleit­er Manfred Ringer. Auf den Schwaben sei er gestoßen, nachdem er das ihm zugesandte Fußball-jahresjour­nal studiert hatte. „Das Fundament des DFB sind seine 25000 Vereine“, stellte Grindel klar. Mit einer Qualifizie­rungsoffen­sive wolle man dafür sorgen, dass die Sechs- bis 14-Jährigen durch gut ausgebilde­te Trainer in den Vereinen gehalten werden.

„Ist Ihnen bewusst, wie schwierig es ist, Eltern zur Mitarbeit im Verein zu bewegen?“, fragte Jürgen Rößle vom TSV Steppach. „Viele geben ihre Kinder ab und gehen selbst in diesen zwei Stunden ins Fitnesscen­ter.“Edwin Thanner vom SV Kleinbeure­n, der sich mehr Anerkennun­g für das Ehrenamt wünschte, pflichtete dem bei. Er erzählte davon, wie er die Liste seines 400 Mitglieder starken Sportverei­ns durchgegan­gen sei, um beispielsw­eise Jugendtrai­ner zu gewinnen. Ohne Erfolg. „Jeder hat eine andere Ausrede.“Die Vorschläge der Fußbezirk ballfunkti­onäre hörten sich zwar gut an, seien für seinen Klub aber nicht umsetzbar. „Die Wirklichke­it sieht anders aus.“

Für Rainer Koch müssen sich die Rahmenbedi­ngungen ändern, wenn ein Verein auch in Zukunft existent sein soll. Dabei könne er sich auch eine Integratio­n von E-sport vorstellen: „Man muss am Puls der Zeit bleiben.“Grindel konterte: „Als Dfb-präsident werde ich alles dafür tun, dass eine Stunde im Verein auf dem Rasen und nicht an der Konsole verbracht wird.“Der Großteil dessen, was als E-sports bezeichnet wird, seien „Killerspie­le“. Grindel: „Mit den Werten des Fußballs hat das Abschießen von Menschen nichts zu tun.“Zwei Stunden stellten sich die prominente­n Gäste auch unangenehm­en Themen. Zum Dank durfte der Dfbpräside­nt einen gebackenen Wmpokal mit auf den Weg nach Hause nehmen.

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Foto: Oliver Reiser Wenn es schon bei der Weltmeiste­rschaft in Russland nicht geklappt hat, so erhielt Dfb-präsident Reinhard Grindel (links) wenigstens einen gebackenen Wm-pokal. Anton Schmid, der Vorsitzend­e des SSV Margertsha­usen, überreicht­e das Gastgesche­nk.

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