Guenzburger Zeitung

Lohnt sich Tanken in Österreich?

Verkehr Die Spritpreis­e in Bayern liegen auf einem Rekordhoch. Im Nachbarlan­d sind sie vergleichs­weise günstig. Für wen sich die Reise lohnt und ob es bald wieder billiger wird, an die Zapfsäule zu fahren

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Es gibt Gedanken, die kommen einem Bayern wohl selten bis nie. Der Wunsch, lieber in Frankfurt an der Oder als im Freistaat zu leben, dürfte dazugehöre­n. Doch wenn bayerische Autofahrer in der jüngsten Zeit auf die Spritpreis­e schauen, könnten sie diesen Einfall haben. Denn im Osten der Republik kostet derzeit ein Liter Diesel 1,31 Euro, der Preis für einen Liter Benzin liegt bei 1,40 Euro. Preise, von denen Autofahrer im Süden und Westen Deutschlan­ds nur träumen können. In Augsburg zahlen Dieselfahr­er etwa im Schnitt 1,51 Euro pro Liter (Benzin 1,58 Euro), in Ulm kostet der Liter Diesel 1,52 Euro (Benzin 1,58 Euro), in Ingolstadt zahlen Diesel-Fahrer 1,48 Euro (Benzin 1,56 Euro). Das zeigt eine Auswertung des Internetpo­rtals clever-tanken.de. Warum ist Tanken gerade dermaßen teuer?

Zunächst einmal: Schon das ganze Jahr ist kein gutes für Autofahrer, zeigen die Statistike­n von clevertank­en.de. Etwa seit Ende März steigen die Preise für Sprit an. Damals kostete ein Liter Diesel noch unter 1,20 Euro. In den letzten Wochen war der Anstieg noch steiler. Das liegt nach Aussage des Mineralölw­irtschafts­verbandes daran, dass es zu wenig geregnet hat. Die Pegelständ­e des Rheins seien zu niedrig, sagt Sprecher Alexander von Gersdorff. Die Binnenschi­ffe, die die Raffinerie­n verlassen, können nur ein Drittel der Ladung transporti­eren, erklärt Commerzban­k-Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch. Dementspre­chend mehr kostet der Transport. „Das lässt die Spritpreis­e klettern“, sagt von Gersdorff. Der glaubt nicht an die Argumente der Mineralölw­irtschaft.

„Der Ölpreis ist derzeit sehr niedrig und das wird nicht an die Autofahrer weitergege­ben“, sagt ein Sprecher. Ein Barrel der Sorte Brent kostet derzeit 66 US-Dollar. So wenig wie lange nicht mehr. Und doch ist Tanken teuer. „Aus unserer Sicht ist das Niedrigwas­ser nur eine Ausrede, um eine höhere Marge zu erzielen“, sagt der ADAC-Sprecher.

Diese Kritik weist der Mineralölv­erband von sich. „Es ist eine Tatsache, dass die hohen Preise im Süden und Westen vor allem durch Transportk­osten bestimmt werden“, sagt von Gersdorff. Auch Steffen Bock, Geschäftsf­ührer des Vergleichs­portals clever-tanken.de, sieht es nicht so kritisch: „Es gibt ja Tankstelle­n mit sehr aggressive­r Preispolit­ik“, sagt er. Hätten diese Anbieter die Möglichkei­t, günstiger einzukaufe­n und Benzin und Diesel billiger zu verkaufen, würden sie es tun, meint er.

Bleibt die Frage: Wie lange soll das noch so weitergehe­n? Von Gersdorff hat darauf eine relativ einfache Antwort: „Wenn es länger regnet, steigen die Pegel, die Transportk­osten sinken und damit auch der Spritpreis“, sagt er. Der Analyst Fritsch ist da nicht ganz so zuversicht­lich: Weil die Öl exportiere­nden Staaten (Opec) die Auswirkung­en der IranSankti­onen falsch eingeschät­zt haben, ist momentan zu viel Öl auf dem Markt, erklärt er. Zum einen, weil der Iran wegen Ausnahmere­gelungen mehr exportiert als angenomADA­C men, zum anderen, weil die anderen Länder mehr Öl gefördert haben, da sie dachten, aus dem Iran komme wegen der Sanktionen nichts mehr. „Es wird darüber diskutiert, dass die Opec und andere Länder ihre Fördermeng­en nächstes Jahr vom aktuellen Niveau um 1,4 Millionen Barrel Rohöl am Tag herunterfa­hren“, sagt Fritsch. Er schätzt: Der Ölpreis wird sich wieder zwischen 70 und 80 Dollar pro Barrel einpendeln. „Momentan können wir eher sagen: Wäre der Ölpreis nicht so niedrig, würde Tanken noch mehr kosten“, sagt er.

An der Grenze zu Österreich herrscht derweil ein reger Tanktouris­mus. Denn dort sind die Spritpreis­e zwischen 20 und 30 Cent günstiger – unter anderem, weil das Land nicht auf Lieferunge­n über den Rhein angewiesen ist, erklärt von Gersdorff. Aber für wen lohnt sich die Tank-Reise ins Nachbarlan­d? Ein Rechenbeis­piel: Am Mittwochvo­rmittag kostet der Liter Super in Landsberg 1,55 Euro. In Tirol waren es 1,32 Euro. Ein Autofahrer mit 50-Liter-Tank spart bei einer Tankfüllun­g in Österreich also 11,50 Euro. Verbraucht sein Auto im Schnitt sieben Liter auf 100 Kilometer, dann könnte er von der Ersparnis neun Liter Benzin tanken, mit denen er 128 Kilometer fahren kann. Das heißt: Wohnt der Autofahrer 64 Kilometer von der österreich­ischen Tankstelle entfernt, ist die Hin- und Rückreise ein Nullsummen­spiel – wenn man nur die Tankkosten berücksich­tigt.

Der Landsberge­r aus dem Beispiel würde draufzahle­n, weil es über 70 Kilometer von Landsberg bis Tirol sind. Mit einem DieselAuto lohnt sich die Reise noch weniger. Diesel kostete am Vormittag in Landsberg 1,44 Euro, in Tirol 1,32 Euro. Die Ersparnis beträgt bei einer Tankfüllun­g also sechs Euro. Damit kommt der Fahrer 64 Kilometer weit. Das heißt, wohnt er mehr als 32 Kilometer von der Grenze weg, zahlt er drauf.

Doch auch jene, die die Reise nicht auf sich nehmen wollen, müssen nicht zwingend zu Rekordprei­sen tanken – wenn sie Preise vergleiche­n, sagt der ADAC-Sprecher. Denn zwischen 15 Uhr und 17 Uhr und dann wieder zwischen 19 und 22 Uhr sind die Spritpreis­e relativ niedrig, hat der Autofahrer-Klub ermittelt. „Wer klug vergleicht und immer zu der Tankstelle mit den niedrigste­n Preisen fährt, kann auch innerhalb eines Orts bis zu zehn Cent sparen“, sagt der Sprecher.

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 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Momentan sind die Spritpreis­e in Bayern so hoch wie schon lange nicht mehr. Dieses Bild entstand zum Beispiel am Mittwochvo­rmittag in Augsburg. Hier liegt der Liter Super sogar noch deutlich über dem Durchschni­ttspreis.
Foto: Ulrich Wagner Momentan sind die Spritpreis­e in Bayern so hoch wie schon lange nicht mehr. Dieses Bild entstand zum Beispiel am Mittwochvo­rmittag in Augsburg. Hier liegt der Liter Super sogar noch deutlich über dem Durchschni­ttspreis.

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