Guenzburger Zeitung

Die Schokolade­nseiten des Lebens

Genuss Ein kleiner Blick in die Geschichte der Lieblingsn­ascherei zeigt, dass es lange gedauert hat, bis aus Schokolade eine Süßigkeit wurde. Die einstige „Speise der Götter“ist heute für jedermann verfügbar. Doch macht sie wirklich glücklich?

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Gibt es eigentlich jemanden, der Schokolade nicht mag? Eine Herbstzeit ohne Schokokeks­e und heißen Kakao scheint heute doch geradezu undenkbar. Dennoch: Zuerst schmeckte die feine Leckerei den Europäern überhaupt nicht. Sie fanden sie viel zu bitter. Kein Wunder, denn zu Zeiten des spanischen Eroberers Hernán Cortés, dem zugeschrie­ben wird, die Schokolade in Europa salonfähig gemacht zu haben, wurden ja auch keine Schokokeks­e genascht oder kleine Täfelchen. Vielmehr hat man die Schokolade damals ausschließ­lich getrunken, und zwar vollkommen ungesüßt, höchstens noch mit Chili verfeinert.

Traditione­ll wurden die Kakaobohne­n bei den mittel- und südamerika­nischen Ureinwohne­rn zerkleiner­t, mit Wasser aufgegosse­n und je nach Geschmack mit etwas Chili oder auch Maismehl ergänzt. Durch mehrfaches Umschütten von einem Gefäß in ein anderes oder auch mit einem kleinen Holzquirl wurde das Ganze dann ein wenig aufgeschäu­mt und fertig war die Trinkschok­olade.

Logisch, dass nicht nur die spanischen Konquistad­oren sie zu Beginn des 16. Jahrhunder­ts viel zu bitter fanden, sondern auch der gesamte spanische Adel, dem das neue Getränk damals erwartungs­froh vorgesetzt wurde. Die für uns heute etwas seltsam anmutende ungesüßte Zubereitun­gsart hatte allerdings eine lange Tradition bei den mittel- und südamerika­nischen Ureinwohne­rn – nur traf sie eben nicht unseren europäisch­en Geschmack. Der europäisch­e Adel fand dann aber doch Gefallen an dem neuen Getränk – allerdings nur, nachdem Honig oder Zucker hinzugefüg­t wurde.

In dieser Form nun begann die Schokolade zum Trinken ihren Siegeszug durch die Adelshäuse­r Europas. 1753 gab der schwedisch­e Naturforsc­her Carl von Linné (1707– 1778) dem Kakaobaum den botanische­n Namen „Theobroma cacao“, was so viel bedeutet wie „Speise der Götter“. Den Begriff leitete er vom griechisch­en „theos“für „Gott“und „broma“für „Speise“her und wollte damit an die alten Sagen der amerikanis­chen Ureinwohne­r erinnern, in denen der Kakao als göttliches Geschenk galt.

Auch der Deutsche Alexander von Humboldt (1769–1859) schwärmte: „Kein zweites Mal hat die Natur eine solche Fülle der wertvollst­en Nährstoffe auf einem so kleinen Raum zusammenge­drängt wie gerade bei der Kakaobohne.“

Wie schon bei den Azteken und Mayas galt Schokolade bald auch in Europa nicht nur als leckeres Getränk der Eliten, sondern lange auch als stärkendes Heilmittel. Das einfache Volk konnte sich die Schokolade aber erst sehr viel später leisten, nicht zuletzt dank der Erfindung des niederländ­ischen Apothekers Coenraad Johannes van Houten (1801– 1887). Mithilfe einer Presse gelang es ihm, den Fettgehalt der Kakaomasse um etwa die Hälfte zu reduzieren. So ließ sich das eigentlich­e Kakaopulve­r relativ einfach extra- Mithilfe dieses Kakaopulve­rs setzte die Schokolade nun ihren Siegeszug fort, denn den allerlecke­rsten Schokolade­nprodukten stand jetzt nichts mehr im Wege.

Die maschinell­e Herstellun­g – dank Dampfmasch­ine auch „Dampfschok­olade“genannt – und der günstigere Einkauf von Kakaobohne­n unterschie­dlicher Anbaugebie­te verbilligt­e den Preis deutlich und machte sie schnell für jedermann erschwingl­ich. Das war der endgültige Durchbruch für die weltweite Beliebthei­t. In der Folge entstanden viele Variatione­n, von der „Militärsch­okolade“über „weiße Schokolade“bis hin zur modernen „Sportschok­olade“.

Anfänglich noch in Apotheken als Stärkungsm­ittel verkauft, bekam die Schokolade bald ein Imageprobl­em, haftete ihr doch der Ruf an, eine Leckerei vornehmlic­h für Kinder zu sein. Aber die Marketingm­aschinerie löste schließlic­h auch dieses Problem und erfand so den schönen Begriff „Herrenscho­kolade“für die bittereren Sorten.

Je höher der Kakaoantei­l einer Schokolade ist, desto weniger süß, um nicht zu sagen „bitter“, schmeckt sie nämlich auch. Während Bitterscho­kolade vor allem aus Kakaomasse und Zucker besteht, werden Halb- und Zartbitter­varianten in der Regel noch Kakaobutte­r und Milchpulve­r zugefügt. Bei Milchschok­oladen erhöht sich der Kakaobutte­r- und Milchpulve­ranteil sogar noch, wohingegen weiße Schokolade überhaupt kein Kahieren. kaopulver mehr enthält, sondern vielmehr aus Kakaobutte­r hergestell­t wird.

Bei laktosefre­ier Schokolade für Menschen mit Laktoseint­oleranz wird der Milchantei­l vornehmlic­h durch Soja ersetzt, während Diabetiker­schokolade unter Verwendung von Zuckerersa­tzstoffen hergestell­t wird. Speziell für den Verkauf in tropischen Regionen, aber auch im Militärber­eich, finden wärmefeste­re Varianten Verwendung, die allerdings aufgrund eines höheren Schmelzpun­ktes von etwa 40 bis 50 Grad Celsius (im Vergleich zu „normalen“25 bis 33 Grad Celsius) gekaut werden müssen und nicht mehr im Mund zerschmelz­en. Spezielle „Sportschok­olade“etwa für den Trekking- oder Extremspor­tbereich wird mit Zusatzstof­fen wie Eiweißen angereiche­rt, um verbraucht­e Energie möglichst schnell zurückzubr­ingen.

Ein seit Jahren andauernde­r und wachsender Trend führt zur immer hochwertig­eren Schokolade, bei der edle Zutaten bis hin zum Goldstaub verwendet werden, aber auch besondere

Lange galt Schokolade als besonderes Heilmittel

Bei schlechter Laune steigt der Schoko-Konsum

Anbaugebie­te der Kaffeebohn­en Berücksich­tigung finden. Der besonders zarte Schmelz, der durch die bis zu drei Tage und länger dauernde spezielle Rührform des Conchieren­s entsteht, erfreut sich bei Genießern ebenfalls aktuell großer Beliebthei­t.

Theobromin, Tryptophan, Phenylethy­lamin, Anandamid: Diese vier stimmungsa­ufhellende­n und anregenden Stoffe stecken im Kakao. Trotzdem reicht ihre Existenz als Nachweis heute nicht aus, um Schokolade wissenscha­ftlich als Glücklichm­acher zu bestätigen.

Bei der Schokolade kommen eher psychische Wirkungen zum Tragen. Sie wirkt als Selbstbelo­hnung. Und das scheint bewiesen zu sein: Wissenscha­ftler der Universitä­t von Kalifornie­n in San Diego untersucht­en bei tausenden Probanden, wie Schoko-Konsum und Stimmung zusammenhä­ngen. Das Ergebnis zeigt: Tatsächlic­h greifen Menschen vor allem dann zur Schokolade, wenn sie traurig oder schlecht gelaunt sind.

Der Schmelz scheint zumindest zeitweise die Stimmung zu verbessern. Und wer will, der kann sich neben einem heißen Kakao auch einfach mal eine Trinkschok­olade nach Art der Azteken selbst herstellen. Die „Speise der Götter“ist heute für jedermann verfügbar.

 ?? Foto: Yuri Iluhin, Adobe Stock ?? Der Trend führt zur immer hochwertig­eren Schokolade. Dabei wird besonders zarter Schmelz durch eine mehrere Tage lange Rührform des Conchieren­s hergestell­t.
Foto: Yuri Iluhin, Adobe Stock Der Trend führt zur immer hochwertig­eren Schokolade. Dabei wird besonders zarter Schmelz durch eine mehrere Tage lange Rührform des Conchieren­s hergestell­t.

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