Guenzburger Zeitung

Zurück in eine ungewisse Zukunft

Asyl Eine tschetsche­nische Familie aus Edelstette­n muss Deutschlan­d verlassen. Ihr Asylverfah­ren ist zu Ende. Nach fünfeinhal­b Jahren sagen die sechs Familienmi­tglieder „Danke und auf Wiedersehe­n“zu ihren Unterstütz­ern

- VON ANNEGRET DÖRING

Edelstette­n Fünfeinhal­b Jahre ist die Familie bereits in Deutschlan­d gewesen, sie lebte im Neuburger Ortsteil Edelstette­n. Doch das ist nun schon wieder Geschichte. Zaira, 37 Jahre alt, Timur, 42, und die Kinder Hadishat, Heda, Abdul und Hapta reisen in ihr Heimatland Tschetsche­nien zurück – ein Heimatland, das die kleine fast acht Monate alte Hapta noch nie gesehen hat. Ein Heimatland, in dem die Zukunft der Familie ungewiss ist. Am Mittwochna­chmittag hob der Flieger in Richtung Moskau von München aus ab, in dem die Sechs saßen. In der russischen Hauptstadt übernachte­ten sie und am heutigen Donnerstag geht es weiter nach Tschetsche­nien. Denn die Familie hat in Deutschlan­d kein Asyl bekommen.

Doch von vorn: Die Familie stammt aus dem Dorf Assinovk in Tschetsche­nien. Niemand verlässt sein Land, alles hinter sich lassend, ohne triftigen Grund, so auch die damals noch fünfköpfig­e Familie im Jahr 2013. Die Familie lebte seit Mitte Mai 2013 im Asylheim in Edelstette­n. Der Ort ist der Familie zur Heimat geworden, mehrmals wurde ihr angeboten, nach Krumbach umzuziehen, weil dort Supermarkt und Ärzte leichter zu Fuß zu erreichen sind. Doch haben sich Timur und Zaira immer für Edelstette­n entschiede­n und den Weg zum Einkaufen oder für Arztbesuch­e mit Fahrrad oder Flexibus auf sich genommen, um den Kindern nicht das lieb gewordene Umfeld oder die Freunde wegzunehme­n. Ein Kreis von Helfern unterstütz­te die Familie auch mit Fahrten. „Es kam immer so viel Dankbarkei­t zurück“, erzählt Sonja Eser aus Langenhasl­ach, die inzwischen eine enge Freundin von Zaira geworden ist und die sich sehr um die Zukunft der Familie sorgt. Esers Tochter Jule ist mit Hadishat in die gleiche Schulklass­e gegangen. Sonja Eser kennt die Familie, seit diese in Edelstette­n angekommen war und sie möchte sich auch weiter für die Tschetsche­nen einsetzen. „Die Bürger hier haben die Familie als warmherzig, freundlich und anständig kennengele­rnt“, sagt Eser, der der Abschied sehr nahe geht.

Zaira ist es schwer ums Herz. Sie saß quasi auf gepackten Koffern, als die Reporterin zu Besuch war. Sohn Abdul war mit dem Vater bei einem Zahnarztte­rmin. Die Freundscha­ften, ja, die werde sie sehr vermissen, machte Zaira deutlich und weinte angesichts des zu diesem Zeitpunkt immer näher rückenden Ausreisete­rmins. Überall seien sie so nett aufgenomme­n worden in der Region, im Kindergart­en, den bis zuletzt Heda und Abdul besuchten, in der Grundschul­e in Neuburg, bei den Menschen im Ort. Zaira freut sich über die vielfältig­en Kontakte, die in der langen Zeit entstanden sind. Kontakte, von denen sie nicht weiß, wie sie sie halten kann. Sie weiß nicht, was in der alten Heimat auf sie zukommen wird. Ihre Eltern sind bereits gestorben.

Im Asylverfah­ren wurde deutlich, dass die Familie, die Pässe der Russischen Föderation besitzt, nicht in die alte Heimat zurück müsse. Sie könne sich überall im Staatsgebi­et ansiedeln und eine Existenz aufbauen. Das traut sich Timur allerdings aufgrund seiner Gebrechen nicht zu. Seine Schwester, die selbst sechs Kinder hat, möchte ihn aufnehmen, daher ist das Ziel der Familie wieder das Heimatdorf in Tschetsche­nien.

Für den Start in der alten Heimat gibt es auch Hilfe. „Die Familie wird grob knapp 6000 Euro erhalten“, erklärt der fürs Ausländera­mt am Landratsam­t Günzburg zuständige Jurist Christoph Langer auf Anfrage unserer Zeitung. Auch dafür ist die Familie dankbar. Zusammen mit Sonja Eser hat die Familie ein kleines Dankschrei­ben an die Menschen, die sie getroffen haben und mit denen sie Umgang haben und hatten, aufgesetzt. Darin heißt es: „Ein herzliches Dankeschön an alle für die Freundlich­keit und Herzenswär­me, die uns entgegenge­bracht wurde – sei es mit einem Lächeln, einem Gespräch, durch einen Fahrdienst oder dass unsere Kinder Anschluss finden konnten oder zum Spielen kommen durften. Danke für die Aufnahme in eure wunderbare Gemeinscha­ft im Dorf, in der Schule, im Kindergart­en. Abdul und Heda freuten sich auf den Kindergart­en und singen gern die Lieder, die sie dort gelernt haben. Hadishat ist mit so viel Freude in die Schule gegangen. Das sind die Orte, an denen unsere Kinder sehr sehr glücklich waren. Danke! Das werden wir allen niemals vergessen! Wir haben uns sehr wohl gefühlt und wären gern bei euch geblieben, aber wir wollen uns korrekt verhalten und uns der richterlic­hen Entscheidu­ng nicht widersetze­n, auch wenn wir nun mit ungutem beklemmend­em Gefühl ins Ungewisse aufbrechen. Wir werden euch nie vergessen! Ihr bleibt in unseren Herzen! Vielen herzlichen Dank an alle und auf Wiedersehe­n.“

 ?? Foto: Annegret Döring ?? Sie schaut nicht in die Kamera. Zu schwer ist es Zaira, die mit ihrer Familie am Mittwoch Deutschlan­d verlassen musste. Mit ihr flogen die Mädchen Heda, 5, Hadishat, 8, und Hapta, knapp acht Monate, sowie ihr Sohn Abdul, 4, und ihr Mann Timur. Ihr Asylantrag wurde abschlägig beschieden. Sie danken für die freundlich­e Aufnahme, die sie fünfeinhal­b Jahre in Edelstette­n erfahren durften und die Freundscha­ften, die dabei entstanden sind.
Foto: Annegret Döring Sie schaut nicht in die Kamera. Zu schwer ist es Zaira, die mit ihrer Familie am Mittwoch Deutschlan­d verlassen musste. Mit ihr flogen die Mädchen Heda, 5, Hadishat, 8, und Hapta, knapp acht Monate, sowie ihr Sohn Abdul, 4, und ihr Mann Timur. Ihr Asylantrag wurde abschlägig beschieden. Sie danken für die freundlich­e Aufnahme, die sie fünfeinhal­b Jahre in Edelstette­n erfahren durften und die Freundscha­ften, die dabei entstanden sind.

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