Pflegekräfte händeringend gesucht
Soziales Auch im Landkreis herrscht Mangel an Mitarbeitern. Woran das liegt und was sich ändern müsste
Auch im Landkreis Günzburg herrscht Mangel an Mitarbeitern. Woran das liegt und was sich ändern müsste.
Landkreis Günzburg Fehlende Pflegekräfte, unbesetzte Stellen – immer wieder ist von einer Pflegemisere die Rede. Hinzu kommen unregelmäßige Arbeitszeiten, Überstunden und kurzfristige Krankheitsvertretungen. Auch in der Region sieht die Situation nicht gerade rosig aus. „Der Landkreis Günzburg ist ein besonderer Landkreis mit einem überdurchschnittlichen Bedarf an Pflegekräften“, erklärt Gerhard Weiß, Fachbereichsleiter Betreuung und Seniorenfachstelle am Landratsamt. Die Ursache sei die überdurchschnittliche Zahl an Einrichtungen der medizinischen Versorgung, der Rehabilitation und der Pflege – Einrichtungen mit hohem Personalbedarf, die ein gewöhnlicher Durchschnittsflächenlandkreis in der Regel nicht habe. Hierzu zählen mit den Kreiskliniken Günzburg und Krumbach, dem Bezirkskrankenhaus Günzburg und der Fachklinik Ichenhausen, dem Therapiezentrum Burgau sowie St. Camillus in Ursberg allein sechs Kliniken. Hinzu kommen mit Alten- und Fachpflege 14 Pflegeeinrichtungen mit mehr als 1100 Plätzen. Damit stellt sich die Frage: Haben wir genügend Pflegekräfte? „Wir können diesen Bedarf, ohne zu unterscheiden, ob Pflegekräfte oder Pflegefachkräfte, nicht decken“, so Weiß – eine herausfordernde Situation für das Personal und für die Betreiber, aber auch für die zu Pflegenden und deren Angehörige. Trotzdem sei überraschend, dass es im Landkreis immer noch weitestgehend funktioniert habe. Von einem Pflegenotstand will er nicht sprechen, auch wenn manche dazu neigen, die Situation als extrem zu bezeichnen. Zum Teil kommt es zwar vor, dass – nicht für einen langen Zeitraum und es sind auch nicht viele Betten – Plätze nicht belegt werden können und auch Kurzzeitpflegeplätze gibt es zu wenig. Aber ohne die erforderlichen Kräfte würde dies wiederum eine Überbelastung für das bestehende Personal bedeuten. So unattraktiv ist der Pflegeberuf nicht, es ist nur das Image, das dem hochprofessionellen Beruf oft schadet. Die Verdienstmöglichkeiten mit den Zuschlägen sind teilweise höher als in anderen Bereichen. Der Bedarf in der Pflege ist gestiegen und auch die Anforderungen sind heute ganz andere als früher. Was Senioren- und Pflegeheime betrifft: „Das Klientel hat sich komplett verändert“, betont Anita Ku- gelmann, Einrichtungsleiterin des Stadlerstifts Thannhausen. Viele ältere Menschen kommen erst dann in ein Seniorenheim, wenn eine häusliche Pflege nicht mehr möglich ist. Die ärztlichen Anordnungen sind immens und erfordern einen extremen zeitlichen Anspruch. Mit dem bestehenden Personal ist dies kaum möglich, mehr wird man auch in Zukunft nicht bekommen. Unterstützung bieten zumindest die regelmäßigen Besuche der Angehörigen. Auch in Thannhausen gab es schon einen Aufnahmestopp, da die Fachkraftquote nicht erfüllt war. „Man hört so viel Negatives und das macht das Image der Pflege noch mehr kaputt. Der Landkreis wirkt diesem entgegen und unterstützt die Mitar- in allen Belangen im Gegensatz zu manchen privaten Trägern, die teilweise nur den Mindestlohn bezahlen“, betont Anita Kugelmann. Der Pflegeschlüssel müsste um ein Vielfaches angehoben werden, doch die Pflegekassen seien sehr zurückhaltend. „Die Pflege hat lange stillgehalten, sie hat funktionieren müssen – und sie hat funktioniert“, fährt Anita Kugelmann fort. Vieles sei bekannt gewesen, nur habe man es nicht hören wollen. Was die Situation massiv entzerren würde, wäre, wenn langjährige Pflegehelfer mit Erfahrung und die sich immenses Fachwissen angeeignet haben, über eine zusätzliche Qualifikation zumindest teilweise als Fachkraft anerkannt würden. Fachkräfte seien das A und O und die Pflege lebe von der Anerkennung. Sind ausländische Pflegekräfte die Zukunft? Auch im Landkreis wird nach Fachkräften im Ausland gesucht, was jedoch mit einem hohen finanziellen und behördlichen Aufwand verbunden ist. Diese müssen allerdings auch zu dem bestehenden Personal passen und es funktioniert nur bis zu einem bestimmten Maß. Die andere Seite aber ist die: Die Menschen sind zwar hoch motiviert, manche benutzen dies allerdings nur als Einstieg, wollen sich in Deutschland weiterentwickeln und sind nach einigen Jahren wieder weg. Ziel ist, dass die Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können. Doch auch bei der Unterbeiter stützung im hauswirtschaftlichen Bereich, die derzeit nur über ambulante Pflegedienste möglich ist, müsste das Angebot größer sein. Weiter gibt es im Landkreis rund 70 Ehrenamtliche, die pflegende Angehörige stundenweise entlasten. Aber auch dort bestünde zusätzlicher Bedarf. Die Pflegedienste sind voll ausgelastet und arbeiten am Rande ihrer Kapazitäten. Beim Pflegedienst Snehotta in Krumbach gab es während der Urlaubszeit erstmals die Situation, dass für zwei Monate ein Aufnahmestopp herrschte – und er war nicht der einzige Pflegedienst. Zwar habe sich die Situation inzwischen wieder entspannt, aber: „Wir haben keine personellen Reserven“, sagt Richard Snehotta. Was dringend notwendig wäre, wäre, die Arbeit der Pflegedienste zu stärken. Zudem hätten die Krankenkassen zu viel Entscheidungsfreiheit und wälzten vieles, was der Hausarzt verordnet habe, auf die Angehörigen ab. Und es sei nicht so, dass Krankenkassen kein Geld hätten. Eine andere Möglichkeit sieht Snehotta in alternativen, dezentralen Wohnformen wie Seniorenwohngemeinschaften. Dort werden ältere Menschen wohnortnah versorgt, unter anderem auch von Kräften, die nicht unbedingt aus der Pflege kommen müssen, und die Vorgaben sind nicht ganz so wie in stationären Einrichtungen. Zudem können die Bewohner durch ihre Angehörigen mit unterstützt werden. 2020 startet die sogenannte generalistische Pflegeausbildung, die die Kinder-, die Kranken- und die Altenpflege zusammenfasst. Snehotta sieht darin die Gefahr, dass die Altenpflege dabei der Verlierer sein wird und sich die Fachkräfte anderen Bereichen zuwenden. Diese Befürchtung ist durchaus berechtigt. Aber: Man müsse sich nicht sofort für einen bestimmten Bereich entscheiden und lernt die Altenpflege kennen, für die man sich gerade wegen des Images zunächst möglicherweise nicht entschieden hätte, sagt Gerhard Weiß. Der Abschluss übrigens ist international anerkannt. Dennoch betont Snehotta: „Der Pflegeberuf ist der schönste Beruf, den es gibt.“Besonders wichtig sei der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, schließlich seien sie das Kapital. Das Umfeld müsse passen und man müsse, was man gelernt habe, auch umsetzen können und dürfe nicht einfach nur funktionieren.