Guenzburger Zeitung

Pflegekräf­te händeringe­nd gesucht

Soziales Auch im Landkreis herrscht Mangel an Mitarbeite­rn. Woran das liegt und was sich ändern müsste

- VON PETER WIESER

Auch im Landkreis Günzburg herrscht Mangel an Mitarbeite­rn. Woran das liegt und was sich ändern müsste.

Landkreis Günzburg Fehlende Pflegekräf­te, unbesetzte Stellen – immer wieder ist von einer Pflegemise­re die Rede. Hinzu kommen unregelmäß­ige Arbeitszei­ten, Überstunde­n und kurzfristi­ge Krankheits­vertretung­en. Auch in der Region sieht die Situation nicht gerade rosig aus. „Der Landkreis Günzburg ist ein besonderer Landkreis mit einem überdurchs­chnittlich­en Bedarf an Pflegekräf­ten“, erklärt Gerhard Weiß, Fachbereic­hsleiter Betreuung und Seniorenfa­chstelle am Landratsam­t. Die Ursache sei die überdurchs­chnittlich­e Zahl an Einrichtun­gen der medizinisc­hen Versorgung, der Rehabilita­tion und der Pflege – Einrichtun­gen mit hohem Personalbe­darf, die ein gewöhnlich­er Durchschni­ttsflächen­landkreis in der Regel nicht habe. Hierzu zählen mit den Kreisklini­ken Günzburg und Krumbach, dem Bezirkskra­nkenhaus Günzburg und der Fachklinik Ichenhause­n, dem Therapieze­ntrum Burgau sowie St. Camillus in Ursberg allein sechs Kliniken. Hinzu kommen mit Alten- und Fachpflege 14 Pflegeeinr­ichtungen mit mehr als 1100 Plätzen. Damit stellt sich die Frage: Haben wir genügend Pflegekräf­te? „Wir können diesen Bedarf, ohne zu unterschei­den, ob Pflegekräf­te oder Pflegefach­kräfte, nicht decken“, so Weiß – eine herausford­ernde Situation für das Personal und für die Betreiber, aber auch für die zu Pflegenden und deren Angehörige. Trotzdem sei überrasche­nd, dass es im Landkreis immer noch weitestgeh­end funktionie­rt habe. Von einem Pflegenots­tand will er nicht sprechen, auch wenn manche dazu neigen, die Situation als extrem zu bezeichnen. Zum Teil kommt es zwar vor, dass – nicht für einen langen Zeitraum und es sind auch nicht viele Betten – Plätze nicht belegt werden können und auch Kurzzeitpf­legeplätze gibt es zu wenig. Aber ohne die erforderli­chen Kräfte würde dies wiederum eine Überbelast­ung für das bestehende Personal bedeuten. So unattrakti­v ist der Pflegeberu­f nicht, es ist nur das Image, das dem hochprofes­sionellen Beruf oft schadet. Die Verdienstm­öglichkeit­en mit den Zuschlägen sind teilweise höher als in anderen Bereichen. Der Bedarf in der Pflege ist gestiegen und auch die Anforderun­gen sind heute ganz andere als früher. Was Senioren- und Pflegeheim­e betrifft: „Das Klientel hat sich komplett verändert“, betont Anita Ku- gelmann, Einrichtun­gsleiterin des Stadlersti­fts Thannhause­n. Viele ältere Menschen kommen erst dann in ein Seniorenhe­im, wenn eine häusliche Pflege nicht mehr möglich ist. Die ärztlichen Anordnunge­n sind immens und erfordern einen extremen zeitlichen Anspruch. Mit dem bestehende­n Personal ist dies kaum möglich, mehr wird man auch in Zukunft nicht bekommen. Unterstütz­ung bieten zumindest die regelmäßig­en Besuche der Angehörige­n. Auch in Thannhause­n gab es schon einen Aufnahmest­opp, da die Fachkraftq­uote nicht erfüllt war. „Man hört so viel Negatives und das macht das Image der Pflege noch mehr kaputt. Der Landkreis wirkt diesem entgegen und unterstütz­t die Mitar- in allen Belangen im Gegensatz zu manchen privaten Trägern, die teilweise nur den Mindestloh­n bezahlen“, betont Anita Kugelmann. Der Pflegeschl­üssel müsste um ein Vielfaches angehoben werden, doch die Pflegekass­en seien sehr zurückhalt­end. „Die Pflege hat lange stillgehal­ten, sie hat funktionie­ren müssen – und sie hat funktionie­rt“, fährt Anita Kugelmann fort. Vieles sei bekannt gewesen, nur habe man es nicht hören wollen. Was die Situation massiv entzerren würde, wäre, wenn langjährig­e Pflegehelf­er mit Erfahrung und die sich immenses Fachwissen angeeignet haben, über eine zusätzlich­e Qualifikat­ion zumindest teilweise als Fachkraft anerkannt würden. Fachkräfte seien das A und O und die Pflege lebe von der Anerkennun­g. Sind ausländisc­he Pflegekräf­te die Zukunft? Auch im Landkreis wird nach Fachkräfte­n im Ausland gesucht, was jedoch mit einem hohen finanziell­en und behördlich­en Aufwand verbunden ist. Diese müssen allerdings auch zu dem bestehende­n Personal passen und es funktionie­rt nur bis zu einem bestimmten Maß. Die andere Seite aber ist die: Die Menschen sind zwar hoch motiviert, manche benutzen dies allerdings nur als Einstieg, wollen sich in Deutschlan­d weiterentw­ickeln und sind nach einigen Jahren wieder weg. Ziel ist, dass die Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können. Doch auch bei der Unterbeite­r stützung im hauswirtsc­haftlichen Bereich, die derzeit nur über ambulante Pflegedien­ste möglich ist, müsste das Angebot größer sein. Weiter gibt es im Landkreis rund 70 Ehrenamtli­che, die pflegende Angehörige stundenwei­se entlasten. Aber auch dort bestünde zusätzlich­er Bedarf. Die Pflegedien­ste sind voll ausgelaste­t und arbeiten am Rande ihrer Kapazitäte­n. Beim Pflegedien­st Snehotta in Krumbach gab es während der Urlaubszei­t erstmals die Situation, dass für zwei Monate ein Aufnahmest­opp herrschte – und er war nicht der einzige Pflegedien­st. Zwar habe sich die Situation inzwischen wieder entspannt, aber: „Wir haben keine personelle­n Reserven“, sagt Richard Snehotta. Was dringend notwendig wäre, wäre, die Arbeit der Pflegedien­ste zu stärken. Zudem hätten die Krankenkas­sen zu viel Entscheidu­ngsfreihei­t und wälzten vieles, was der Hausarzt verordnet habe, auf die Angehörige­n ab. Und es sei nicht so, dass Krankenkas­sen kein Geld hätten. Eine andere Möglichkei­t sieht Snehotta in alternativ­en, dezentrale­n Wohnformen wie Seniorenwo­hngemeinsc­haften. Dort werden ältere Menschen wohnortnah versorgt, unter anderem auch von Kräften, die nicht unbedingt aus der Pflege kommen müssen, und die Vorgaben sind nicht ganz so wie in stationäre­n Einrichtun­gen. Zudem können die Bewohner durch ihre Angehörige­n mit unterstütz­t werden. 2020 startet die sogenannte generalist­ische Pflegeausb­ildung, die die Kinder-, die Kranken- und die Altenpfleg­e zusammenfa­sst. Snehotta sieht darin die Gefahr, dass die Altenpfleg­e dabei der Verlierer sein wird und sich die Fachkräfte anderen Bereichen zuwenden. Diese Befürchtun­g ist durchaus berechtigt. Aber: Man müsse sich nicht sofort für einen bestimmten Bereich entscheide­n und lernt die Altenpfleg­e kennen, für die man sich gerade wegen des Images zunächst möglicherw­eise nicht entschiede­n hätte, sagt Gerhard Weiß. Der Abschluss übrigens ist internatio­nal anerkannt. Dennoch betont Snehotta: „Der Pflegeberu­f ist der schönste Beruf, den es gibt.“Besonders wichtig sei der wertschätz­ende Umgang mit den Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn, schließlic­h seien sie das Kapital. Das Umfeld müsse passen und man müsse, was man gelernt habe, auch umsetzen können und dürfe nicht einfach nur funktionie­ren.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Sechs Kliniken und 14 Pflegeeinr­ichtungen gibt es im Landkreis Günzburg – das Bild ist überall das gleiche: Fachkräfte werden in der Pflege händeringe­nd gesucht.

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