Droht allen Autofahrern die Überwachung?
Gesetzesentwurf sieht die Kontrolle der Nummernschilder per Kamera vor
Augsburg Was sich lange kaum jemand vorstellen konnte, wird in immer mehr deutschen Städten Realität: Die Gerichte haben für eine Reihe von Städten Fahrverbote für ältere Diesel verhängt. Es geht um einzelne Straßenzüge, aber auch Innenstädte und Autobahnabschnitte. 2019 sollen sie in Kraft treten. Betroffen wären hunderttausende Autobesitzer – Tendenz steigend. Das sorgt für emotionale Diskussionen. „Niemand versteht diese selbstzerstörerische Debatte“, schimpfte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) via Bild. Nun dürfte sich die Aufregung noch steigern: Denn das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf zur „automatisierten Nummernschild-überwachung“vorgelegt und dem Bundesrat weitergeleitet. Es geht um eine kameragestützte Kontrolle der Fahrverbote.
Die Reaktion des Vize-fraktionschefs der FDP im Bundestag, Stephan Thomae, fällt drastisch aus: „Dieselfahrverbote sind schon verrückt genug. Die Überwachung verrückter Verbote durch eine unverhältnismäßige Überwachungstechnik potenziert den Irrsinn noch“, sagte der Politiker aus dem Allgäu unserer Redaktion. Der Chef des Internet-blogs netzpolitik.org, Markus Beckedahl, warnt vor einer Stoßrichtung des Gesetzesentwurfes, die über die konkrete Debatte weit hinausgeht: „Das Gesetz wäre ein Schritt auf dem Weg zur flächendeckenden Überwachung des Individualverkehrs.“
Das Verkehrsministerium versteht die Aufregung nicht. Der Entwurf sehe ausdrücklich vor, dass „die Datenerhebung ausschließlich zum Zweck der Feststellung“von Verstößen gegen Fahrverbote stattfinden würde. Und: Zuständig für die Überwachung der Verbote seien ausschließlich die Behörden der Länder. Der Bund schaffe lediglich den notwendigen rechtlichen Rahmen für die Automatisierung bestehender Kontrollmöglichkeiten. Tatsächlich sind Länder und Kommunen gefragt, die sich ohnehin schwertun, gerichtlich angeordnete Fahrverbote gegenüber aufgebrachten Bürgern zu vertreten. Auf die Frage, wie die Überwachung aussehen könnte, gibt es zwei Antworten. Die Polizei könnte Autofahrer nach dem Stichprobenverfahren kontrollieren. Ein gewaltiger Aufwand, wie Polizeigewerkschaften und Innenpolitiker seit Monaten warnen. Die andere Möglichkeit: ein Kamerasystem. Die Stadt Frankfurt lehnte eine solche Überwachung bereits als „unverhältnismäßig“ab. Auch andere Kommunen äußerten sich skeptisch.
Für den Netzpolitiker Beckedahl ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen. „Das ist der erneute
„Das ist der erneute Versuch, in die anlasslose Überwachung von Pkwkennzeichen einzusteigen.“
Netzpolitiker Markus Beckedahl
Versuch, in die anlasslose Überwachung von Pkw-kennzeichen einzusteigen.“Dabei habe sich schon der damalige Innenminister Hanspeter Friedrich „eine blutige Nase“geholt. Im Herbst 2013 hatte der Csu-politiker gefordert, Millionen von Daten aus dem Lkw-mautsystem für die Verbrechensbekämpfung zu speichern. Er scheiterte am breiten politischen Widerstand – am Ende stoppte ihn auch CSU-CHEF Horst Seehofer.
Für Beckedahl ist besonders die im Entwurf vorgesehene Höchstdauer der Speicherung rechtlich nicht haltbar. Zwar ist im Text davon die Rede, dass die Daten der Autofahrer „unverzüglich“zu löschen sind. Gleichzeitig aber wird eine „absolute Löschungsfrist von sechs Monaten“angeführt. Dies werde vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben, ist sich Beckedahl sicher.