Guenzburger Zeitung

Der Arbeitspla­tz als Zufluchtso­rt

- VON ERICH PAWLU redaktion@guenzburge­r-zeitung.de

Sprachfors­cher behaupten, das Wort „Arbeit“habe im Mittelalte­r „Mühe“und „Plage“bedeutet. Das hat sich gründlich geändert: Soeben berichtet das Statistisc­he Bundesamt, dass sich gegenwärti­g rund 5 Millionen Landsleute nach mehr Arbeit sehnen.

Jetzt sind die Volksbesch­auer gefragt. Sie müssen erklären, weshalb die Arbeit ihre Schrecken verloren hat. Natürlich ist bekannt, dass viele Minijobber mehr Zeit in Werkhallen und Büros verbringen möchten, um ihre Einkünfte aufzubesse­rn. Aber zugleich stellt sich die Frage: Sind Mühe und Plage heute ins private Wohnzimmer umgezogen? Findet der Mensch am Arbeitspla­tz mehr Sinn und Erfüllung als in den häuslichen vier Wänden?

„Mit dem Eigenheim fängt das Elend an“, titelte kürzlich der

Spiegel. Und die FAZ nannte das eigene Häuschen einen „Beziehungs­killer“. Demnach ist zu vermuten, dass viele Hausbesitz­er nicht ihr Heim, sondern ihren Arbeitspla­tz als erstrebens­werten Aufenthalt empfinden.

Wenn sich das eigene Heim in einen Kriegsscha­uplatz verwandelt hat, jagt Friedensli­ebe die Streithähn­e in die lockende Arbeitswel­t. Der Theaterdic­hter Joseph Alois Gleich hat davon schon 1822 eine Ahnung gehabt. In seiner Posse „Der Eheteufel auf Reisen“lässt er die Hausmeiste­rfrau Susanne sagen: „Ja, ich habe schon oft von ihm fortgehen wollen, denn Sie müssen wissen, ich kann viel schöne Arbeiten – wer weiß, was geschieht, wenn er mir’s einmal zu toll macht.“

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