Was ein Nikolaus so alles erlebt
Adventszeit Ernst Dirr vom Ichenhauser Verein D’Waldbuam schlüpft seit 30 Jahren in das Gewand des Heiligen. Warum er so viel Spaß daran hat und was er dabei schon alles erlebte
Ernst Dirr vom Ichenhauser Verein d’Waldbuam gibt seit 30 Jahren den Nikolaus. Warum er so viel Spaß daran hat.
Sie schlüpfen seit drei Jahrzehnten in der Vorweihnachtszeit in das Gewand des Nikolaus. Fühlen Sie sich schon ein bisschen wie der echte Heilige?
Ernst Dirr: Nein. Es ist ja nur eine Rolle und ein bisschen Schauspielerei dabei. Ich verstehe mich eher als Türöffner vor Weihnachten. Mit dem Besuch des Nikolaus beginnt die weihnachtliche Zeit.
Im richtigen Leben sind Sie Elektrotechniker. Wie und warum wurden Sie denn zum Nikolaus?
Dirr: Ich habe erst als Knecht Ruprecht angefangen. Warum, weiß ich nicht mehr genau. Wahrscheinlich hat man im Verein einen Knecht gebraucht. Das war ich etwa fünfmal, dann habe ich Karriere als Nikolaus gemacht. Das macht auch viel mehr Spaß, denn der Knecht muss sich immer im Hintergrund halten, darf nur ab und an die Rute schwingen und hat nichts zu sagen. Warum ich es bis heute mache? Es ist einfach schön, zu den Kindern zu kommen, wir gucken immer in große Augen. Und es ist einfach toll, wenn sich die Kinder freuen.
Kommt der Nikolaus eigentlich immer nur zu Kindern oder auch mal zu Erwachsenen?
Dirr: Es sind eigentlich nur Kinder, im Schnitt sind sie zwischen drei und neun Jahre alt. Über zehn wird es kritisch, die glauben nicht mehr an den Nikolaus. Einmal bin ich aber zu einem 14-Jährigen gekommen, da hat die Mutter danach gemeint, es wäre jetzt an der Zeit, ihren Sohn aufzuklären. Und ein anderes Mal hat eine Mutter ihre erwachsenen Söhne zu sich eingeladen und mich als Nikolaus dazu bestellt. Die haben vielleicht Augen gemacht.
Was muss ich denn tun, dass mich der Nikolaus besucht?
Dirr: Sie rufen rechtzeitig bei uns an und vereinbaren einen Termin mit uns. Der Erste hat mich heuer im Sommer im Stadtbad angesprochen, so früh muss es nicht sein. Wir haben drei Teams, die jeweils aus Nikolaus und Knecht Ruprecht bestehen. Schöner für alle ist es, wenn wir mehrere Kinder gleichzeitig besu- chen können. Am Termin selbst stellen Sie rechtzeitig die Geschenke vor die Tür und legen eine Liste dazu mit Namen und Alter der Kinder und notieren, was die Kleinen Gutes und weniger Gutes geleistet haben. Diese Liste steckt der Nikolaus in sein Goldenes Buch und holt sie später hervor. Dirr: Wir klingeln, die Eltern machen uns auf, dann gehen wir ins Wohnzimmer. Ich begrüße die Kinder, frage nach, ob ich mein Goldenes Buch aufmachen soll. Mutige Kinder dürfen meinen Stab halten. Dann öffne ich mein Goldenes Buch, das ist ganz wichtig, da schreibt das Christkind rein, was es das ganze Jahr über beobachtet hat. Ich rufe die Kinder der Reihe nach auf, von groß nach klein. Erst erwähne ich das Positive, zum Beispiel, dass ein Kind toll rechnen oder sich schon alleine anziehen kann. Dann kommt das Negative, wenn ein Kind gerne trödelt oder sein Zimmer nicht aufräumt. Bevor ich Geschenke verteile, frage ich, ob jemand noch ein Gedicht oder ein Lied vorträgt. Zum Abschied frage ich noch nach den Wünschen fürs Christkind. Dirr: Wir bekommen durchaus auch etwas. Das sind entweder selbst gebackene Plätzchen oder selbst gemalte Bilder mit Nikolausmotiven. Im vergangenen Jahr hat mir ein Vierjähriger, der ein unheimlich versierter Traktorkenner war, einen Traktor gemalt. Dirr: Auf 15 Mal komme ich schon meistens. Am 5. und 6. Dezember sind es jeweils so fünf bis sechs Besuche am Stück. Wir fahren dann schon mal bis Unterfahlheim oder Unterknöringen. Da sind wir insgesamt gute drei bis vier Stunden unterwegs. Hinzu kommen Vereinsweihnachtsfeiern und heuer auch der Weihnachtsmarkt in Ellzee. Das ist ganz schön stressig.
Und sicher auch schön warm in dem Gewand und unter dem Bart.
Dirr: Das stimmt. Das Schlimmste ist, wenn man von draußen in die geheizten Wohnzimmer reinkommt. Aber nach jedem Besuch ziehe ich im Auto Bart und Perücke wieder aus. Dirr: Einmal bin ich ohne weißen Unterrock los. Zum Glück ist es keinem aufgefallen. Wir mussten dann schnell zurückfahren und ihn noch holen. Ein anderes Mal bin ich nach dem Besuch einer Familie aus der Haustüre raus und mein Auto war total zugeschneit. Als ich ins Haus rein bin, war von Schnee noch nichts zu sehen. Ich musste ein bisschen schaufeln und dann ging’s auch schon wieder weiter. Einmal haben wir zwar das Haus gefunden, aber die zu besuchende Familie nicht. Die hat ein Haus weiter auf uns gewartet. Da muss man dann etwas improvisieren.
Dirr: Zum Glück noch nie. Nur einmal ist es uns passiert, dass ein Bub aus unserem Verein vor uns stand. Da sind wir furchtbar erschrocken, aber er hat nichts gemerkt. Um so etwas zu vermeiden, versuchen wir, nur in Häuser zu gehen, wo man uns nicht kennt. Denn Kinder merken sich alles, sie ziehen einen regelrecht aus, erkennen einen an den Schuhen, an der Uhr. Deshalb parken wir auch nie direkt vor dem Haus, sondern immer ein Stück weiter entfernt um die Ecke. Dirr: Das habe ich nie gemacht. Die hätten mich ja sofort erkannt. Da habe ich immer einen anderen Nikolaus bestellt. Und sobald der weg war, bin ich selbst ins Kostüm geschlüpft und zu anderen Kindern weitergefahren. Meine Söhne haben aber nie gefragt, wo ich plötzlich hingehe.
Sie sind jetzt 59 Jahre alt. Wie lange sind Sie noch als Nikolaus zu erleben? Dirr: Solange ich kann, werde ich es machen. Ich tue etwas Gutes, Schönes, das ist eine tolle Zeit. Wer mir und meinen Kollegen mal nachfolgt, darüber haben wir uns noch gar keine Gedanken gemacht. Aber vielleicht sollten wir mal langsam anfangen, uns Nachwuchs zu ziehen. ⓘ
Kontakt Der Ichenhauser Heimatund Volkstrachtenverein D’Waldbuam bietet jährlich seinen Nikolausdienst an. Der Heilige ist am 5. und 6. Dezember unterwegs. Weitere Termine sind nach Absprache möglich. Anmeldung (für 2019) unter Telefon 08223/966536 oder 08223/4421.