Flucht nach vorne
Neuvorstellung Der Diesel steckt in der Krise, der Van sowieso. Und dennoch versucht Renault mit genau dieser Kombination, Familien vom Espace zu überzeugen. Sogar einen selbstbewussten Preis trauen sich die Franzosen zu
Der Van hat es nicht leicht in diesen Zeiten. Ein SUV nach dem anderen drängt auf den Markt, und die Kunden lassen sich von der erhöhten Sitzposition, einer Extraportion gefühlter Sicherheit und dem gesteigerten Coolness-Faktor einlullen. Der klassische Pampers-Bomber hat dem wenig entgegenzusetzen. Dass er noch mehr Stauraum bietet als die meisten Softroader und seine Ladekante nicht so hoch ist, zählt nicht viel.
Anders als viele Hersteller, die ihre Vans mittlerweile aufs Abstellgleis gefahren haben, hält Renault aber noch an seiner Familienkutsche fest. Schließlich war es der Espace, der vor nunmehr fast 35 Jahren das Segment mitbegründet und in Schwung gebracht hat. Dreieinhalb Jahre nach dem Start der nunmehr fünften Generation spendieren die Franzosen der Großraumlimousine jetzt einen neuen Diesel-Motor.
Auch wenn der Selbstzünder ebenfalls in der Krise steckt, versprechen sich die Produkt-Strategen aus Frankreich viel von der neuen Motorvariante. Das Zwei-Liter-Aggregat mit AdBlue-Reinigung ersetzt mit 160 PS nicht nur den bisherigen, nicht Euro-6d-Temp-tauglichen 1.6er, sondern legt in seiner 200-PS-Ausbaustufe gleichzeitig die Leistungs-Latte noch ein Stückchen höher.
Das sollen die Kunden honorieren, schließlich ist der Espace häufig vollbesetzt und -bepackt unterwegs; da schaden ein bisschen mehr Leistung und Kraft auf keinen Fall. Mit maximal 400 Newtonmetern ausstaffiert sticht der Top-Diesel den 225-PS-Spitzen-Benziner um einhundert Zähler beim MaximalDrehmoment aus und bringt sogar manchmal die Vorderräder zum Durchdrehen. Den Standardsprint beziffert der Hersteller mit 9,1 Sekunden, das Top-Tempo liegt bei 215 km/h.
Ideale Voraussetzungen, um mit dem Siebensitzer flott über die Autobahn zu gleiten und dabei auch noch sparsam unterwegs zu sein: 5,3 Liter pro 100 Kilometer nimmt sich der Renault im WLTP-Durch- schnitt, sein schwächerer Bruder ist nur zwei Zehntel Liter sparsamer. In der Praxis dürften zwischen sieben und acht Liter durch die Kraftstoffleitung fließen.
Keine Wahl lässt Renault den Kunden beim Getriebe. Der laufruhige und gut gedämmte TurboVierzylinder ist immer an einen Sechsgang-Doppelkuppler gekoppelt. Das ist an sich nicht schlimm, im Gegenteil: Zur entspannten Langstrecken-Gangart passt der Verzicht aufs Selberschalten wunderbar und auch im Stadtverkehr kann man sich damit besser aufs Manövrieren des 4,86 Meter langen Transporters konzentrieren. Mitunter dürfte das Getriebe aber etwas schneller arbeiten. Vor allem beim zackigen Tritt aufs Gaspedal wirken die Schaltvorgänge ein wenig unharmonisch.
Ein leichtes Unwohlsein könnte auch beim Blick in die Preisliste auftreten: Mit einem günstigen GroßFamilien-Auto hat der Espace nämlich so viel zu tun wie ein französisches Mittagessen mit flottem FastFood. Mindestens 39100 Euro kostet der Raumwagen mit dem schwächeren Diesel. Für das 200-PS-Modell werden, in der mittleren von drei Ausstattungslinien, 45 400 Euro fällig. Dann sind neben Klimaautomatik, 8,7-Zoll-Touchscreen-Infotainmentsystem, Parksensoren rund um, Tempomat und Voll-LEDScheinwerfern auch Helferlein wie Fernlichtassistent, Abstands-, TotWinkelund Spurhalte-Warner, Verkehrszeichenerkennung und Notbremsassistent sowie das Navigationssystem und die Sitzheizung an Bord. Wer noch ein adaptives Fahrwerk, die in diesem Segment einzigartige Allradlenkung, eine beheizbare Windschutzscheibe und feines Leder haben will, greift am besten gleich zur Top-Version mit dem hochtrabenden Namen „Initiale Paris“– muss dafür aber noch mal knapp siebentausend Euro bereit halten.