Dinkelscherben
Juristen können nach ihrem Selbstverständnis bekanntlich fast alles. Doch sind sie auch gute Seifenköche? Der Rechtsreferendar Siegfried Witty traute sich das nach dem Zweiten Weltkrieg zu. Noch ehe der Mann das zweite juristische Staatsexamen abgelegt hatte, ging er in die völlig entgegengesetzte Richtung. Der Augsburger beschloss, Unternehmer zu werden. Er war in den Besitz eines Fasses Fettsäure gelangt und hatte ein Semester Chemie studiert. Der Tüftler wusste, dass sich so mit Natronlauge Seife machen lässt. In Kochkesseln des ehemaligen Reichsarbeitsdienstes begann Witty dann Schmierseife für Arztpraxen zu produzieren – ein in Zeiten des Mangels begehrtes Produkt.
Das Geschäft lief vielversprechend an, sodass der Aufsteiger die Produktion in einer vom Wasserwirtschaftsamt angemieteten Baracke aufnahm. Wittys Vater Xaver, der im Krieg Zigarren verkauft hatte, übernahm den Vertrieb der Produkte. Dabei ist es letztlich einer Fehleinschätzung des Firmengründers zu verdanken, dass aus den seifigen Anfängen heute ein Unternehmen mit mehr als 300 Mitarbeitern entstanden ist. Denn Siegfried Witty machte zwar sein Jurastudium fertig, dachte sich aber: „In Augsburg gibt es schon drei Rechtsanwälte, da ist kein Platz für einen vierten.“
Zum Staat wollte der auf seine Unabhängigkeit bedachte Mann auch nicht gehen. Er zog die Selbstständigkeit vor und verkaufte etwa seine Handwaschpaste Witty Manulin immer besser. Die Wirtschaftswunderjahre bescherten auch dem Augsburger Unternehmen stürmisches Wachstum. Neue Produkte zur Bodenpflege gesellten sich hinzu. Dabei setzten die Unternehmer auf den Direktverkauf und führten die Produkte bei den Kunden vor – ein Erfolgsrezept, dem die Firma bis heute treu geblieben ist. Etwa die Hälfte der gut 300 Mitarbeiter arbeitet im Außendienst als Servicetechniker, Fachberater oder Fahrer – und das verteilt über Deutschland, Österreich und die Schweiz.
Ein weiteres Prinzip der Anfangsjahre hat Hubert Witty, der heute mit Thilo Schindler die Geschäfte führt, ebenfalls beibehalten: Das Unternehmen versteht etwas von pfiffiger Werbung. Der Firmengründer kaufte in den frühen Jahren einen Käfer und einen VW-Bus. Er ließ die Fahrzeuge gelb-rot lackie- Seine Frau, eine gelernte Schneiderin, entwarf Werbeaufschriften für die rollenden Marketing-Maßnahmen. Später, in den wilden 60er Jahren, kam noch der einprägsame und zungenbrecherische Werbespruch „Wer Witty tippt, tippt tipptopp“hinzu.
Die Geschäfte liefen dermaßen gut, dass die Firma dringend mehr Platz benötigte und sich in Dinkelscherben westlich von Augsburg ansiedelte. Dort sitzt das Unternehmen bis heute und hat an einem VW-Bus als Werbeträger festgehalten. Unter Hubert Witty, der 1984 in das Unternehmen eingestiegen ist und es seit 1999 als Geschäftsführer leitet, hat das Autokonzept eine kreative Erweiterung erfahren. Denn oben auf dem VW-Bus sitzt die Figur eines großen gelben Waschbärs. Das knallig-tierische Gefährt dient heute vor allem als Anlockmittel für dringend benötigte Fachkräfte. Der auffällige Bus fährt auch zum Computerwerk des japanischen Herstellers Fujitsu nach Augsburg, um vielleicht einen ITSpezialisten des vor dem Aus stehenden Betriebs nach Dinkelscherben zu lotsen. Auf dem gelben VWFahrzeug steht: „Werde Teil unseres Teams.“
Das ist ein besonderes Team, was schon bei den kommunikativen Chefs anfängt. Witty, 63, und sein Geschäftsführungskollege Thilo Schindler, 47, sitzen sich in einem riesigen Großraumbüro gegenüber. Die Mitarbeiter haben so kurze Wege zu ihnen und müssen nicht an Türen anklopfen. „Bei uns genießen die Beschäftigten schon vom Auszubildenden an viele Freiheiten“, sagt Witty und fügt aber hinzu: „Wir erren.