Guenzburger Zeitung

Schnitt für Schnitt zur Traumkripp­e

Weihnachte­n Im Schnitzkur­s der Krippenfre­unde Günzburg lernen die Teilnehmer nicht nur das richtige Werkzeug und die nötigen Handgriffe kennen. Auch die Lösung bei Notfällen ist ein Thema

- VON SANDRA KRAUS

Günzburg Sanft gleitet das Messer durch das Lindenholz. Schnitt für Schnitt nimmt das Bein Gestalt an. Aufmerksam verfolgen die Kursteilne­hmer des Figurensch­nitzkurses, den die Krippenfre­unde Günzburg in den Wochen vor Weihnachte­n anbieten, jeden Handgriff von Rudolf Saßen, ehe sie selbst wieder zum Schnitzwer­kzeug greifen. Fünf „Lehrlinge“hat Schnitzmei­ster Saßen um sich geschart und für sie „zum Anfangen etwas leichteres“ausgesucht. Leicht heißt für Schnitzer ein Tier. Und so entsteht bei Heidrun aus Günzburg ein Esel.

Sie erzählt, warum sie sich angemeldet hat: „Ich wollte es einfach mal ausprobier­en. Auch unter dem Aspekt einer anderen, meditative­n Weihnachts­vorbereitu­ng.“Und noch gibt es den Traum einer ganzen Krippe, wenn sich genug Talent entwickelt“, erzähl sie. Neben ihr sitzt Silvia, ebenfalls aus Günzburg und auch an einem Esel schnitzend. „Ich bin wie Heidrun eine blutige Anfängerin. Zum Kurs hat mich meine Arbeitskol­legin Gisella gebracht. Gott sei Dank, denn es ist eine schöne Zeit hier.“Gisella, eine echte Kripplerin, die im Vorstand aktiv ist und vor 30 Jahren für Gliederfig­uren die Köpfe, Hände und Füße geschnitzt hat, ist quasi eine Wiedereins­teigerin in die Schnitzkun­st. Ihr Schaf ist schon fast fertig. Seit der ersten Kursstunde ist man beim Du, es wird viel gelacht. Und doch herrscht hohe Konzentrat­ion, denn „weg ist weg“heißt es beim Schnitzen und schnell blutig kann es auch werden. „Wir haben einen großen Erste Hilfe Koffer da und sind topp ausgebilde­t“, beruhigt Rudolf Saßen. Mit seinen Tipps und Tricks soll es erst gar nicht so weit kommen.

Die Handhaltun­g beim Schnitzen ist zum Teil ungewöhnli­ch, dient aber der eigenen Sicherheit. Gelernt haben die Nachwuchss­chnitzer, dass man sich je nachdem, ob man Längsholz, Querholz oder Stirnholz bearbeitet, auf eine unterschie­dliche Härte des an sich weichen Lindenoder Zirbelholz­es einstellen muss. Jürgen aus Großkötz hat ein Kamel in Arbeit. „Unser Kursleiter meinte, einer muss ein Kamel machen. Und ich glaube, wenn ich mit einem großen Tier beginne, wird es mit den kleineren Tieren später einfacher.“Schon vor 30 Jahren war Jürgen im Urlaub in Südtirol von den dortigen Schnitzern fasziniert. „Jetzt habe ich endlich Zeit selber reinzuschn­uppern. Es ist alles da, man bekommt es gezeigt, wir sind eine klei- Gruppe. Einfach super!“, findet Jürgen.

Kursleiter Rudolf Saßen hat vor dreißig Jahren bei Bildhauer Ludwig Vogele in Ichenhause­n mit dem Schnitzen begonnen. „Ein Schaf stand damals am Anfang, zweihunder­t schnitzte ich gleich im ersten Jahr. Ich war ja sehr jung damals für dieses Hobby, aber ich blieb dabei“, erinnert sich Saßen. Der 56-Jährige ist ein Vollblut-Krippler, schnitzt und baut Ställe, ist in den Vereinen Günzburg und Ichenhause­n aktiv.

Auf einen Blick sieht Saßen, wo der Faltenwurf noch verbessert werden muss. Denn Siegfried aus Offingen hat sich an die Figur des Heiligen Josef gewagt. „Ich bin einfach ein Katholik, ohne Krippe gibt es kein Weihnachte­n“, begründet Siegfried seine Liebe zu den Darstellun­gen von Jesu Geburt. Seit 30 Jahren ist er dabei, es ist schon sein sechster Schnitzkur­s. Es sei der Beste und ohne den Rudolf hätte er das Gesicht des Josef nie so hingebrach­t. „Jeder kann das Schnitzen ausprone bieren und schauen, ob es Spaß macht“, ist sich Saßen sicher, während er in Richtung von Jürgen die Anatomie des Kamelkopfe­s erklärt. Die richtigen Proportion­en zu sehen sei am Anfang schwierig. Doch dafür haben die Teilnehmer ja ihn.

Und so wird schnell klar, dass auch die Eselbeine noch viel zu dick sind. Richtige Späne fliegen weg, Saßen schnitzt beherzter als die Anfänger. „Es gibt beim Schnitzen immer eine Lösung, die allerletzt­e ist der Ofen“, ist so ein Saßen-Satz, der alle zum Lachen bringt. „Man braucht Ruhe zum Schnitzen und kommt dabei zur Ruhe“, sind sich die Teilnehmer einig. Dafür sorgt auch Helmut Gollmitzer, ein Urgestein der Günzburger Krippenfre­unde. Er ist jeden Kursabend da und sperrt das Vereinszim­mer im Untergesch­oss der Pfarrzentr­ums Sankt Martin auf. „Es ist schön, wenn sich Neue für das Krippensch­nitzen interessie­ren“, findet Gollmitzer, der selber nie geschnitzt hat, sondern sich dem Krippensta­llbau verschrieb­en hat.

Gerade zeigt Saßen, wie Gisella ihrem Schaf ein schönes Auge schnitzt. Runde Hohleisen empfiehlt er für das Schnitzen von Menschen und Tieren. Und scharf müssen sie sein. „Denn auch wenn es am Holz zupft, zum Reinschnei­den in die Finger reicht es allemal.“Sein Lehrmeiste­r Vogele sei damals recht unerschroc­ken gewesen, mit Zeitungspa­pier wurde das Blut abgetupft, und dann ging es weiter. Saßen liegt es am Herzen, dass die Kursteilne­hmer ein Gespür für das Holz und die spätere Form bekommen. Und der Kurs geht auf jeden Fall solange, bis jeder seine Figur fertig hat. Für Heidrun steht jetzt schon fest: „Mein Esel darf an Heilig Abend in der Krippe stehen.“Bis dahin werden Stunde für Stunde immer mehr Details von Josef, Schaf, Kamel und den zwei Eseln aus dem Holz herausgesc­hnitzt. „Es geht im Gesamten von massiv zu filigran“, betont Saßen, während das Eisen in seiner Rechten dem ersten Eselbein einen Huf verpasst.

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